Der deutsche Steuerzahler wird auf eigene Kosten zur Toleranz gezwungen. Ein Ramadan-Licht wird Islamisten nicht bekehren, vielmehr werden sie sich bestärkt fühlen.
Wir haben in Deutschland erhebliche Probleme mit der Integration muslimischer Migranten. Im Schatten falsch verstandener Toleranz gedeiht der Islamismus, und durch den muslimischen Antisemitismus sind die in Deutschland lebenden Juden bedroht.
Auf der anderen Seite wächst in der Bevölkerung die Skepsis gegenüber friedlichen Muslimen, und der rechte Rand ist kein Rand mehr, sondern entwickelt sich langsam zu einer Volkspartei. Was tut die Politik in Frankfurt dagegen? Halbmonde, Sterne und Laternen in die Innenstädte hängen.
Man ist dort der Ansicht, dass wir den am 10. März beginnenden Ramadan alle gemeinsam feiern sollten. Gerade in Frankfurt, wo rund 150 000 Muslime leben. 75 000 Euro soll der Spass ohne Stromrechnung kosten. Der deutsche Steuerzahler muss dafür aufkommen, dass er nicht weltoffen genug ist. Solche Initiativen sollen die Mehrheitsgesellschaft zu mehr Toleranz gegenüber Muslimen bewegen und die Angst und das Misstrauen verringern. Darüber hinaus richte sich diese Kampagne auch gegen Rassismus und Antisemitismus, so die grüne Bürgermeisterin von Frankfurt, Nargess Eskandari-Grünberg.
Weltmeister im Zeichensetzen
Mich würde interessieren, inwieweit diese Initiative den Juden in Deutschland nützt oder den Rassismus bekämpfen soll. Dazu äusserte sich die Bürgermeisterin allerdings nicht.
Dass diese Aktion in der eigenen Bevölkerung eher Befremden als Toleranz hervorrufen könnte, scheint die Verantwortlichen der Stadt wenig zu interessieren. Dass der Passant erst an Betonpollern vorbeigehen muss, bevor er die beleuchtete Innenstadt betreten kann, erinnert eher an islamistischen Terror als an ein friedliches Miteinander. Doch daran denken die Politiker kaum.
In Zeiten von Krisen und Kriegen sei die Beleuchtung «ein Zeichen der Hoffnung für alle Menschen und stärkt den Zusammenhalt unserer diversen Stadtgesellschaft», sagt die Frankfurter Bürgermeisterin. Noch ein Zeichen? Die Deutschen sind bekanntlich Weltmeister im Zeichensetzen. Gegen rechts, gegen Rassismus, gegen Antisemitismus, gegen Terrorismus, gegen den Klimawandel. Mit welchem Erfolg, sehen wir gerade alle.
Vorbild für die Aktion ist London, wo im vergangenen Jahr am Piccadilly Circus Ramadan-Beleuchtung aufgehängt wurde. Diese Beleuchtung hat nichts an den muslimischen Parallelgesellschaften geändert, die sich in und um London gebildet haben und in denen die Scharia anstelle des britischen Rechts gilt. Radikale Muslime begnügen sich nicht damit, ein Zeichen zu setzen. Sie schaffen Fakten vor Ort.
Als die Ramadan-Lichter am Piccadilly Circus hingen, beteten Muslime öffentlich auf mehreren Plätzen in England und blockierten den Verkehr. Solche Gebete in der Öffentlichkeit nahmen während der Proteste gegen den Krieg in Gaza zu und wurden immer aggressiver. Was als Zeichen für Toleranz und Vielfalt begann, endete als Machtdemonstration und Wutausbruch.
Im Idealfall, ja im Normalfall, sollte eine Ramadan-Illumination in Frankfurt oder einer anderen europäischen Stadt nicht Gegenstand einer politischen Debatte sein. Sie sollte weder Jubel noch Empörung auslösen. Sie sollte einfach als eine freundliche Geste gegenüber den Muslimen gesehen werden, ohne Aufsehen zu erregen.
Erdogans Wähler
Angesichts der angespannten gesellschaftlichen Stimmung hinsichtlich Islam und Migration bleibt diese Aktion jedoch naive und kontraproduktive Symbolpolitik. Im Jahr 2008 wurde in Duisburg-Marxloh mit deutschen Steuergeldern und EU-Mitteln eine prächtige Moschee gebaut. Damals sprachen die deutschen Medien vom «Wunder von Marxloh» und priesen die Moschee als Ort der Toleranz.
Das eigentliche Wunder war jedoch, dass man damals glaubte, dass diese Moschee die Integration der Muslime in Duisburg erleichtern würde. Als die Moschee fertiggestellt war, beteten die Gläubigen auf Kosten der deutschen Steuerzahler und huldigten Erdogan und seiner AKP. Die Frauenbeauftragte wurde entlassen, und die geplanten Integrationsprojekte kamen nie zustande. Aber das alles spielte keine Rolle, denn der Jubel, die schönen Bilder und die Selbstbeweihräucherung der Politiker hatten schon vorher stattgefunden.
2021 begann der Staat in Köln ein Modellprojekt, bei dem Moscheen über Lautsprecher zum Gebet rufen durften. 250 Moscheen bundesweit haben davon Gebrauch gemacht. Hat das zu mehr Akzeptanz der Muslime und weniger Islamismus geführt? Natürlich nicht. Die Moschee, in der das Projekt startete, war eine Ditib-Moschee, die als verlängerter Arm der türkischen Regierung gilt.
Das Ergebnis sah man bei den letzten türkischen Präsidentschaftswahlen im vergangenen Jahr. Erdogan hat mehr als zwei Drittel der Stimmen der Deutschtürken in Köln bekommen. Das war eine deutliche Steigerung im Vergleich zur Wahl 2018. In Essen stimmten sogar 77 Prozent für den amtierenden Präsidenten. Das war mehr als ein Zeichen für den Islamismus.
Der durchschnittliche Muslim mag sich freuen, wenn er den Ruf des Muezzins hört oder die Ramadan-Beleuchtung auf der Strasse sieht. An seinem Leben oder seiner Einstellung wird sich dadurch nichts ändern. Der durchschnittliche Deutsche hingegen mag sich fragen, warum der Weihnachtsmarkt in manchen Städten nicht mehr Weihnachtsmarkt, sondern Wintermarkt heissen soll, damit sich Muslime nicht ausgeschlossen fühlen. Und gleichzeitig werden aber Symbole in den Innenstädten aufgehängt, um muslimische Präsenz zu demonstrieren. «Ist das nicht Selbstverleugnung unter dem Deckmantel der Toleranz?», mag er sich fragen.
Nichtmuslimische Migranten wiederum mögen sich fragen, warum der Islam hier bevorzugt wird, schliesslich gibt es weder zum chinesischen Neujahr noch zum kurdischen Newroz-Fest eine Beleuchtung. Und was ist mit hinduistischen Gottheiten, vietnamesischen heiligen Symbolen und afrikanischen schamanischen Bräuchen?
Echte Lösungen sind gefragt
Andersgläubige mögen sich fragen, ob sie einen Fehler machen, weil sie friedlich sind, keine Ansprüche erheben, keine Weihnachtsmärkte angreifen und sich nicht laut genug über Rassismus beschweren. In Deutschland leben Menschen aus mehr als 150 Nationen. Würde jeder von ihnen die öffentliche, staatlich finanzierte Zurschaustellung seiner religiösen oder nationalen Symbole als Voraussetzung für seine Integration fordern, dann könnte der Staat keine anderen Aufgaben mehr erfüllen, weil er ständig damit beschäftigt wäre, die Seelen der Migranten zu massieren.
Jeder Lehrer weiss, dass es keine gute Idee ist, den unartigen Schüler in der Klasse zu belohnen und den ruhigen, klugen Schüler zu ignorieren. Mit dem unartigen Schüler meine ich natürlich nicht den unauffälligen Muslim, sondern den Islamisten, bei dem jede Geste des Entgegenkommens zu noch mehr Anspruchsdenken führt.
Weder der laute Gebetsruf noch die Ramadan-Beleuchtung werden die Integration und die Toleranz in Deutschland fördern, sondern den Triumphalismus und den Chauvinismus der Islamisten, die wiederum die Wut und den Chauvinismus der Rechtsradikalen provozieren. Die Politik sollte daher die wahren Probleme des Zusammenlebens ehrlich ansprechen und nach echten Lösungen suchen, statt solche nutzlosen bis kontraproduktiven Aktionen zu starten.
Hamed Abdel-Samad ist deutsch-ägyptischer Politikwissenschafter und Buchautor. 2023 erschien sein Buch «Islam. Eine kritische Geschichte» beim DTV-Verlag, München.