Sie feiern traditionelle weibliche Werte und vertreten eine zum Teil rechtsextreme Ideologie: Frauen am rechten Rand wissen sich in den sozialen Netzwerken zu inszenieren. Zum Beispiel Brittany Sellner, die Frau des österreichischen Identitären Martin Sellner.
Eine junge Frau sitzt vor der Kamera, pinkes Shirt, Elfenbein-Teint, rot geschminkte Lippen, das braune Haar fällt in weichen Wellen. Hinter ihr ein Bett, an der Wand ein Landschaftsgemälde, über der Tür hängt ein Kreuz. Die Frau spricht über «Barbie», den feministischen Film, in dem die Puppe zum Leben erwacht und das Matriarchat vorherrscht.
«Barbie» entwerte die Männer und Mutterschaft, sagt die Frau. Die Geschichte sei lächerlich, der Film «Müll» und «sogar noch schädlicher und subversiver, als ich erwartet habe». Gerade Mädchen erhielten ein falsches Bild von der Beziehung zwischen Mann und Frau.
Die Frau heisst Brittany Sellner, der Videobeitrag ist auf ihrem Youtube-Kanal zu sehen, er wurde in den letzten 7 Monaten über 156 000 Mal aufgerufen. Das ist fast die Zahl der Abonnenten Sellners auf Youtube, nämlich 175 000. Diesen teilt die rechte Influencerin regelmässig ihre Ansichten zu Gesellschaft und Politik mit.
Der moderne Feminismus sei schuld an der degenerierten westlichen Kultur, erklärt sie etwa. Er habe zu einem «Krieg gegen Männer» geführt und zu unglücklichen Frauen, die keinen Mann mehr fänden.
Dann wieder spricht sie über die «Verbrechen», die während der Pandemie von Politikern und Behörden begangen wurden. «Wir werden niemals vergessen, was uns angetan wurde.»
Ein anderes Mal geht es um Migrationspolitik und die Theorie des «Grossen Austauschs». Dahinter steht die Vorstellung, dass Weisse verdrängt würden durch eine unkontrollierte Einwanderung, vor allem aus arabischen Ländern. «Kriegt viele weisse Kinder, damit Weisse 2024 nicht in der Minderheit sind», twitterte sie 2017.
Manchmal setzt sich Brittany Sellner auch ein für ihren Mann, so im Frühling 2023, als dieser wegen Hassrede in Wien vor Gericht stand. Er wurde freigesprochen.
Brittany Sellner, 31 Jahre alt, ist mit Martin Sellner verheiratet, Leitfigur der österreichischen Identitären Bewegung, einer rechtsextremen Gruppierung der Neuen Rechten. Sellners Name wurde im Januar einer breiten Öffentlichkeit bekannt: Bei einem «Geheimtreffen» in einer Villa in Potsdam von Rechtsextremen und rechten Politikern soll Sellner einen Masterplan zur «Remigration» – zur Ausschaffung von Millionen von Menschen aus Deutschland – präsentiert haben.
Intimer Einblick als Programm
Rechte Influencerinnen wie Brittany Sellner haben in den letzten Jahren die sozialen Netzwerke für sich entdeckt. Sie stehen für traditionell weibliche Werte ein und inszenieren sich entsprechend. Auf Instagram postet Sellner, eine gebürtige Kalifornierin, fast nur Bilder von sich als Mutter, Ehefrau und Schwester. Die Ästhetik ist betont konservativ.
Hinter den intimen Einblicken in das Privatleben steht ein politisches Programm, das auf Youtube, Telegram oder X deutlicher zum Ausdruck kommt. Auf X hat Brittany Sellner über 133 000 Follower.
Influencerinnen, selbst wenn sie bloss Schmink- und Modetipps geben, bauen eine Vertrautheit zu ihrem Publikum auf. So auch rechte und rechtsradikale Influencerinnen: Diese seien deshalb so erfolgreich, weil sie ihr persönliches Leben mit ideologischen Botschaften verschmelzen würden und dies visuell ansprechend präsentierten, schreibt Eviane Leidig in ihrem neuen Buch «The Women of the Far Right». Leidig forscht an der niederländischen Tilburg University zu Extremismus und Gender.
Dabei würden die Frauen durch das «weiche» Framing ihrer Inhalte viel weniger auffallen als männliche Vertreter der rechtsextremen Bewegung. Auf diese Weise unterstützten die Frauen deren Ziele. Indem die Ideologie für ein Mainstream-Publikum freundlich verpackt wird, wird sie laut Leidig normalisiert und legitimiert.
Selfies von sich im Dirndl oder vor Kuhweiden drücken eine Heimatverbundenheit aus, ohne dass dahinter ein rassistisches oder völkisches Gedankengut erkennbar wäre. Die Bilder, die Brittany Sellner neulich vom Ball in der Wiener Hofburg gepostet hat, den sie mit ihrem Mann besuchte – sie im roten Abendkleid, er im Smoking mit Fliege –, verraten nicht, dass Martin Sellner vom Verfassungsschutz beobachtet wird.
Reaktionäre Koketterie
Eviane Leidig erlebte selber, wie anziehend der vorgezeigte Lebensstil ist, je tiefer sie in die Online-Welten eintauchte. Die Frauen seien energisch, charmant und selbstbewusst und gleichzeitig «bemerkenswert bodenständig und einfühlsam». Leidig ist in einem ähnlichen Alter wie die rechten Influencerinnen. Fragen rund um Dating, Partnerschaft oder Geld, die diese aufbringen, beschäftigen auch sie.
Mehrheitlich prangern die Aktivistinnen aber die liberale Gesellschaft an und verklären die Vergangenheit. Die Frauen beschwören eine Welt herauf, die so nicht mehr existiert. Dabei müssen sie sich des Widerspruchs bewusst sein: Sie könnten kaum öffentlich so aktiv sein, wenn sie noch in den 1950er Jahren leben würden.
Sie bejahen das reaktionäre Frauenbild der «tradwife», der traditionellen Ehefrau, die sich ihrem Mann unterordnet und in der Mutterrolle die Bestimmung der Frau sieht. Obwohl viele von ihnen studiert haben, halten sie nichts von Frauen, die Karriere machen. Diese antifeministische Haltung ist nicht ohne Ironie: Brittany Sellner hat schon mehrere Bücher geschrieben. An Ehrgeiz mangelt es ihr nicht.
Bei vielen Themen machen sich die rechten Influencerinnen politisch noch nicht wirklich verdächtig. Sie kritisieren den woken Zeitgeist, propagieren das Stillen oder unterstützten 2016 Donald Trump. So wie Brittany Sellner. Sellner hat aber auch schon antisemitische Verschwörungstheorien verbreitet und hängt dem Glauben an, eine intellektuelle Elite betreibe einen satanischen Pädophilenring.
Wie die anderen Aktivistinnen ist sie international gut vernetzt. Unter anderem traf sie sich in Moskau mit dem rechtsnationalistischen Philosophen und Putin-Vertrauten Alexander Dugin.
Verbote bestätigen sie bloss
Gegen Martin Sellner und Brittany Sellner ermittelten die österreichischen Behörden 2021, weil sie unter anderem Spenden des extremistischen Attentäters von Christchurch entgegengenommen hatten. Es wurde ihnen schon die Einreise nach England verweigert. Und einmal war Brittany Sellners Instagram-Account für drei Monate gesperrt.
Solche Massnahmen und Verbote bestätigen die Bestraften eher in ihrer Weltsicht, als dass sie ihnen schaden würden. Sie rechne jederzeit mit einem Verbot ihrer Internet-Accounts, hat Brittany Sellner einmal gesagt: «Nicht weil ich eine Extremistin bin, sondern weil das Establishment mich und viele andere Menschen wie mich als Bedrohung ansieht.» Es bestehe aber «nicht die geringste Chance, uns aufzuhalten». Sonst schreibe sie einfach Bücher oder gehe auf die Strasse «und setze dort meinen friedlichen Aktivismus fort».
Bloss würde sie damit nicht mehr annähernd so viele Leute erreichen wie jetzt. Sie gäbe ihren Followern nicht mehr das Gefühl, an der Privatsphäre einer ganz normalen jungen Frau teilzuhaben, die auch ihre Freundin sein könnte.
Vor allem fiele weg, was ihren Erfolg ausmacht: Wenn sie in ihrer Stube über die heutige Aufreiss-Kultur oder ihren kleinen Sohn spricht, wirkt das harmlos. Ideologie und Intimität verschmelzen.
Eviane Leidig: The Woman of the Far Right. Social Media Influencers and Online Radicalization. Columbia University Press, New York 2023. 288 S., Fr. 40.90.