Die Baudirektion rechnet nun doch weiterhin mit fünf Standorten für die Kehrichtverwertung. Die Anlage in Horgen kann weitermachen.
Der Bagger greift mit seiner riesigen Zange in einen Haufen und wirft eine Ladung von ungeordnetem Abfall auf ein Förderband. Es führt gut zehn Meter in die Höhe. Dort wird der Güsel zuerst kräftig durchgeschüttelt, ehe er über ein Wirrwarr von weiteren Bändern Schritt für Schritt sortiert wird. Dazu gehört ein starker Magnet, der Metall herauslöst.
An verschiedenen Stellen der monströsen Maschine kommen die Komponenten wieder zum Vorschein. Hier spuckt ein Band Holzteile in eine Grube, an einem anderen Ort fallen Styroporstücke auf einen Haufen, alles geschieht ohne Handarbeit. Eine Presse formt automatisch grosse Ballen, je nachdem aus Papier-, Karton- oder Kunststoffabfall.
Natürlich sind die Materialien stark verschmutzt. Aber sie sind doch so weit aufgetrennt, dass sich die Rohstoffe zu einem guten Teil wieder zurückgewinnen lassen. Noch vor wenigen Jahren wäre dieser Abfall vollständig als Kehricht verbrannt worden. Die neuartige Sortieranlage der Firma Schneider Umweltservice erlaubt es seit gut einem Jahr, den wiederverwertbaren Anteil deutlich zu erhöhen.
Pro Kopf 500 Kilo Kehricht im Jahr
Das Recycling-Center in Volketswil bot am Freitag den passenden Rahmen für die Präsentation der aktualisierten Abfallplanung durch die Zürcher Baudirektion. Wir hinterlassen pro Kopf immer noch etwa 500 Kilogramm Hauskehricht im Jahr, samt Altpapier und Glas. Dazu 300 Kilo Sonderabfall und 60 Kilo Klärschlamm. Der grösste Posten, etwa 1500 Kilogramm Bauabfälle pro Kopf, kommt noch dazu.
«Wir sind schon sehr weit, die Technologie schreitet voran, aber es werden immer grosse Volumen anfallen, die verbrannt werden, und Stoffe, die zu deponieren sind.» Laut Balthasar Thalmann, dem stellvertretenden Chef des Amtes für Abfall, Wasser, Energie und Luft, enden pro Kopf und Jahr 600 bis 700 Kilogramm Abfall in den Deponien.
Das Ziel des Kantons ist es, diese Volumen zu verringern. Dabei macht er durchaus Fortschritte. Nicht nur der verbrannte Abfall ist schon seit längerem rückläufig, vor allem dank verstärkter Trennung im Haushalt und auf dem Bau. Sondern auch die Mengen für die Deponien gehen seit kurzer Zeit zurück.
Wichtig ist vor allem, dass der Anteil der stark belasteten, auch giftigen Abfälle, die in Deponien gelagert werden, immer geringer wird. Dass das gesamte Volumen noch zu Beginn des Jahrhunderts anstieg, ist laut Thalmann das Ergebnis einer «Vergangenheitsbewältigung». Laufend werden Standorte mit Altlasten aus dem letzten Jahrhundert saniert. Das Material ist teilweise in Deponien zu entsorgen.
Am besten ist es natürlich, wenn bereits der anfallende Abfall stärker verringert werden könnte. Das ist nicht einfach, weil das Wachstum von Bevölkerung und Wirtschaft den gegenteiligen Trend fördert und die anhaltend starke Bautätigkeit auch viele brennbare Abfälle hinterlässt.
Hier plant die Baudirektion zwei konkrete Massnahmen. Materialien aus dem Abbruch von Gebäuden sollen in Zukunft nur noch ausnahmsweise direkt auf eine Deponie kommen, nur noch, wenn es um Stoffe geht, die sich nicht sinnvoll behandeln lassen. Ausserdem erlaubt es der technische Fortschritt, die Quote von verschmutztem Aushub, der behandelt wird, auf 75 Prozent zu erhöhen. Heute ist das erst etwa für die Hälfte der Fall.
Ein Ziel ist es selbstverständlich auch, den Haushaltkehricht durch eine verbesserte Separatsammlung zu reduzieren, insbesondere jene von Kunststoff. Eine Analyse des Kehrichts durch das Bundesamt für Umwelt ergab, dass ein Fünftel des Sackinhaltes rezykliert werden könnte und mehr als die Hälfte der Lebensmittelabfälle vermeidbar wäre.
Immerhin konnte in der aktualisierten Prognose des Kantons Zürich für 2035 die Menge an brennbaren Abfällen von 830 000 auf 790 000 Tonnen im Jahr reduziert werden. Aber es sind immer noch 7 Prozent mehr als heute. Die Folgen für die Kehrichtverbrennungsanstalten fallen aber auf den ersten Blick unerwartet aus.
Bis vor kurzen galt nämlich, dass die kleinste Anlage in Horgen in ungefähr zehn Jahren stillgelegt wird. So steht es auch im kantonalen Richtplan. Balthasar Thalmann gab nun bekannt, dass die Kehrichtverbrennungsanlage Horgen unbefristet weiterbetrieben wird. Dazu kommen die vier weiteren Standorte, seit die Anlage an der Josefstrasse im Zürcher Kreis 5 stillgelegt worden ist: Zürich Hagenholz, wo in wenigen Jahren eine dritte Ofenlinie dazukommt, Winterthur mit zwei Öfen, Limmattal, das ab 2034 auf zwei Linien vergrössert wird, sowie Hinwil mit einem Ofen. Insgesamt plant der Kanton künftig mit neun Ofenlinien.
Ein solcher Verbrennungsofen muss hin und wieder revidiert werden und fällt dann für ein bis zwei Jahre aus. Gleichzeitig muss der Kanton die Entsorgungssicherheit gewährleisten, soll aber Überkapazitäten vermeiden.
Wenn wegen einer Revision eine Lücke entsteht, sprechen die Zuständigen mit anderen Anbietern. Die Baudirektion macht zwar eine Abfallplanung für den Kanton Zürich, spricht aber auch mit den Nachbarn. Entsteht einmal eine Überkapazität, kann die Baudirektion aber neu die Anlagen im Kanton Zürich dazu anhalten, ihre Kapazität etwas zurückzufahren.
Doch warum darf Horgen dennoch weitermachen? Die Antwort von Thalmann zeigt, dass die Kehrichtverbrennungen ihr Schicksal auch in der eigenen Hand haben. Vor zehn Jahren sei man davon ausgegangen, dass die kleine Anlage am linken Zürichseeufer weder wirtschaftlich noch ökologisch betrieben werden könne, sagt er: «Horgen hat seither das Gegenteil bewiesen.» Den endgültigen Entscheid trifft aber der Kantonsrat bei der nächsten Revision des kantonalen Richtplans.
Abfall stapeln für den Winter
Die Abfallpolitik ist auch ein Teil der kantonalen Klimastrategie. Ein Ziel ist es, die Hitze in den Verbrennungsöfen möglichst effizient für die Produktion von Strom und als Fernwärme zu nutzen. Hauptzweck bleibe aber die Entsorgung, sagte Thalmann. Es werde kein Abfall verbrannt, nur um Fernwärme zu gewinnen.
Vermehrt gehen Anlagen aber dazu über, im Sommer Abfall in grossen Ballen aus Plastikfolie zu stapeln. Er wird erst in der kalten Jahreszeit verbrannt, wenn die Nachfrage nach Wärme und Strom am grössten ist. Dass ist ein sinnvoller Beitrag zur Schliessung der Winterlücke in der Energieversorgung.
Kehrichtverbrennungsanlagen gehören aber zu den grössten CO2-Schleudern. Deshalb macht sich auch der Kanton Gedanken, das Klimagas vor dem Austritt in die Atmosphäre abzuscheiden und zu deponieren. Das erprobt seit kurzem die Stadt Zürich bei der Aufbereitung des Klärschlamms in der Abwasserreinigung Werdhölzli.
Das Verringern von Abfall ist politisch kaum umstritten. Das zeigte 2022 die fast 90-prozentige Zustimmung zur Verankerung der Kreislaufwirtschaft in der Kantonsverfassung. Von einem geschlossenen Stoffkreislauf ist man aber noch weit entfernt.
Deshalb braucht es weiterhin Deponien. Der Kanton unterzieht deren Planung einer Gesamtschau. Das Ergebnis soll noch in diesem Jahr vorliegen und dürfte erfahrungsgemäss Kontroversen auslösen.
Zürcher Baudirektion: Massnahmenplan Abfall- und Ressourcenwirtschaft 2024–2028.