Die künftige Regierung ringt in den Koalitionsverhandlungen auch um die Parameter für den privaten Vermögensaufbau. Die SPD fordert eine höhere Steuer auf Gewinne und Zinsen. Anleger können sich schon jetzt ein Stück weit vor einem solchen Fall schützen.
Ob es noch etwas wird bis Ostern? Bis dahin, hiess es noch im Februar, sollte ein Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD gefunden und Friedrich Merz zum deutschen Kanzler ernannt werden. Doch so einfach ist es offenbar nicht. Unter anderem beim Thema Finanzen scheinen sich die beiden Parteien schwer zu tun. Dies könnte zum Teil auch den privaten Vermögensaufbau betreffen.
Sorgen bereiten Anlegern die Forderungen der Sozialdemokraten. Die SPD will die Abgeltungssteuer auf private Kapitaleinkünfte von 25 auf 30% erhöhen. Ausserdem sollen Einkünfte aus Kryptoinvestitionen nicht wie bisher nach einem Jahr Haltefrist steuerfrei sein, sondern ebenfalls unter die Abgeltungssteuer fallen. Noch hält sich die Parteispitze jedoch bedeckt.
In anderen Ländern wie Schweden, Italien oder Frankreich gebe es steuerliche Anreize für die Aktienanlage, sagt Norbert Kuhn, Leiter der Denkfabrik des Deutschen Aktieninstituts (DAI). «Wir brauchen auch in Deutschland steuerliche Erleichterungen für die Anlage in Wertpapieren wie Aktien. Eine höhere Besteuerung von Aktienerträgen ist daher für die Sparerinnen und Sparer absolut kontraproduktiv.»
Anleger sollten ihre Anlageentscheidungen nicht direkt von den Steuerplänen der Regierung abhängig machen. Wichtiger ist es, die Grundregeln des Vermögensaufbaus zu beachten. Dennoch ist es möglich, durch die Wahl der richtigen Anlagevehikel die volle Belastung durch die Abgeltungssteuer zu vermeiden.
Grundsätzlich hat die Politik erkannt, dass Vermögensbildung, etwa für die private Altersvorsorge, vor dem Hintergrund der immer schwächer werdenden gesetzlichen Rente notwendig ist. Die scheidende grosse Koalition aus SPD, Grünen und FDP hat deshalb das Konzept des Generationenkapitals, einer Aktienrente, ins Leben gerufen.
Die Kernidee: Der Aufbau eines Kapitalstocks, der breit gestreut und global angelegt wird. Verwaltet werden sollte das Konstrukt vom Kenfo, dem Fonds zur Finanzierung der kerntechnischen Entsorgung. Dessen Geschäftsführerin Anja Mikus steuert den Staatsfonds bereits seit 2017. Auch ein steuerlich gefördertes Altersvorsorgedepot für Fonds und ETF (Exchange Traded Funds) war bereits in einem Gesetzentwurf enthalten.
Doch das Konzept liegt seit dem Bruch der grossen Koalition in der Schublade und wird in den Koalitionsverhandlungen offenbar nicht berücksichtigt. Weder Union noch SPD hätten ein Konzept, die Bürger zur eigenverantwortlichen Vorsorge zu animieren, kritisiert Marc Tüngler, Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz (DSW), in der Tageszeitung «Die Welt».
Wie wichtig ein sinnvollerer Vermögensaufbau für viele Deutsche wäre, zeigt zum Beispiel die «Anlagestudie 2024» der Commerzbank. Demnach legen zwar 62% der Bevölkerung mehr als 100 € im Monat zurück. Doch die Hälfte von ihnen verwendet ein Tagesgeld- und Festgeldkonto oder ein Sparbuch. Für den Vermögensaufbau ist das zu wenig. Hinzu kommt: Nur jeder Vierte verfolgt eine Anlagestrategie.
Mehr noch: Es könnte hierzulande nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen zu Verschlechterungen auf der steuerlichen Seite kommen. Dabei geht es vor allem um die Abgeltungssteuer von derzeit 25% auf Erträge aus Dividenden, Kursgewinnen oder Zinsen. Hinzu kommt der Solidaritätszuschlag, dessen Rechtmässigkeit zuletzt vom Bundesverfassungsgericht bestätigt wurde. Abgezogen wird ein Freibetrag von 1000 € (bei Ehegatten 2000 €).
Müssten Anleger künftig dank einer neuen Bundesregierung 30% Abgeltungssteuer zahlen, würde dies den Vermögensaufbau deutlich erschweren. Umso wichtiger ist es, die gesetzlichen Möglichkeiten zu nutzen, um die Belastung durch die Abgeltungssteuer so gering wie möglich zu halten.
Für Anleger gibt es eine Möglichkeit, die Belastung der Abgeltungssteuer zu mindern: thesaurierende Fonds und ETF. Thesaurieren heisst anhäufen oder horten. Die meisten Fonds oder ETF werden in einer solchen Variante angeboten, die Dividendenzahlungen der enthaltenen Aktien oder Zinszahlungen aus Anleihen automatisch reinvestiert. Andere, ausschüttende Fondsvarianten zahlen Dividenden und Zinsen vierteljährlich aus. Wenn Anleger den Freibetrag von 1000 € ausgeschöpft haben, wird dann die Abgeltungssteuer fällig.
Die Abgeltungssteuer fällt auch für thesaurierende Fonds und ETF an. Bei ihnen erhebt der Staat jedoch eine Vorabpauschale. Das ist ein fiktiver Ertrag, weil dem Anleger bei dieser Variante keine direkten Erträge zufliessen. Die Höhe der Pauschale ergibt sich unter anderem aus dem Basiszins, den das Finanzministerium jedes Jahr neu festlegt. Solange dieser Zins negativ war, gab es auch keine Vorabpauschale. 2022 lag der Basiszins bei noch bei –0,05%. 2023 waren es 1,785%, 2024 1,6% und 2025 2,53%. Die Vorabpauschale wird bei Verkauf des ETF mit Gewinn mit der klassischen Abgeltungssteuer verrechnet.
Der Vorteil thesaurierender Fonds liegt im verbesserten Zinseszinseffekt. Die Rendite vieler Anleihe- und Aktienfonds liegt oberhalb der konservativ geschätzten Vorabpauschale; es bleibt mehr Kapital im Fonds. Das gilt mit grosser Wahrscheinlichkeit auch weiterhin. Die jährliche Rendite eines Portfolios aus 60% deutschen Aktien und 40% deutschen Anleihen lag in den vergangenen 25 Jahren, ohne Berücksichtigung der Inflation, bei 4,7%, wie eine Studie der Deutschen Bank vom Oktober 2024 zeigt. Bei US-Aktien und US-Anleihen brachte dieses 6o/40-Portfolio in dem Zeitraum sogar 6,7% ein. Und in den zurückliegenden 50 Jahren waren mit deutschen Aktien und Anleihen in diesem Mix nominal sogar 8,2% pro Jahr drin.
Es bleiben ausserdem Nischen, in denen der Steuerzahler bislang ungeschoren davon kommt. Ein Beispiel sind manche ETP (Exchange Traded Products), die die Wertentwicklung eines Basiswerts nachbilden. Gold-ETC (Exchange Traded Commodities) spiegeln die Entwicklung von Gold. Angesichts der jüngsten Wertsteigerungen des Edelmetalls ist die Nachfrage nach diesen Produkten hoch. Allein im ersten Quartal 2025 griffen europäische Anleger bei Gold-ETC im Wert von 3,6 Mrd. $ zu, so das World Gold Council (WGC).
Aus steuerlicher Sicht gilt in Deutschland: Wer Produkte mit Auslieferungsanspruch länger als ein Jahr hält, muss auf die Gewinne keine Steuern zahlen. Das hat der Bundesfinanzhof in einem Urteil vom 16. Juni 2020 entschieden. Der Auslieferungsanspruch rückt das Finanzprodukt damit in die Nähe von Barren oder Münzen. Eine Nachfrage bei der Börse Stuttgart, die mit dem Euwax Gold II ein entsprechendes Papier anbietet, ergab in der Praxis keine Probleme der Anleger mit dem Fiskus. Banken und Onlinebroker würden beim Verkauf in der Regel keinen Steuerabzug vornehmen. Ein weiterer Vorteil: Die laufenden Gebühren von Euwax Gold II liegen bei oder nahe Null. Die Deutsche Börse bietet mit Xetra Gold ein ähnlich günstiges Vehikel an.
Gleiches gilt für ETP, die die Wertentwicklung von Kryptowährungen abbilden: Erträge aus diesen Produkten mit Lieferanspruch sind nach einer Haltedauer von einem Jahr steuerfrei. Zwar hat das deutsche Bundesfinanzministerium dazu erst am 6. März 2025 ein 34-seitiges Schreiben verfasst, das aber an der skizzierten Praxis nichts ändert, sagt Kryptosteuerexperte Werner Hoffmann von Pekuna. Ausserdem müsse der Anbieter eine Kapitalertragsteuerbescheinigung ausstellen und hafte auch dafür.
Die Forderung der SPD, Kryptoinvestitionen mit der Abgeltungssteuer zu belegen, stellt diesen Vorteil von Direktanlagen und den ETP mit Auslieferungsanspruch in Frage. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass es wohl mehr als ein Jahr dauern wird, bis eine neue Regierung Gesetzesentwürfe vorlegt. Bei der auseinandergebrochenen Ampelregierung reichten nicht einmal drei Jahre, um das Altersvorsorgegesetz zu verabschieden. Wer ohnehin in Bitcoins oder andere Kryptoanlagen investieren will, hat gute Chancen, dass ein neues Engagement noch die Mindesthaltedauer von einem Jahr erreicht, ab der ein steuerfreier Verkauf möglich ist, bevor das entsprechende Steuergesetz geändert wird.
Angesichts des volatilen Umfelds und des damit verbundenen Drucks, schnell eine handlungsfähige deutsche Regierung zu präsentieren, ist nicht auszuschliessen, dass sich CDU und SPD schneller einigen, einen klar umrissenen Fahrplan vorlegen und damit möglicherweise auch Klarheit für Investoren schaffen. Es kann aber auch sein, dass dies noch einige Zeit dauern wird.
Darauf zu warten, wäre jedoch ein Fehler, ist Zeit doch ein wichtiger Faktor bei der Vermehrung des Vermögens. Und: Über einen langen Zeitraum hinweg lässt die Kursentwicklung von Aktien kurzfristige Einbrüche vergessen.
Am Anfang des privaten Vermögensaufbaus stehen eine Reihe Fragen. Etwa: Wie hoch soll die Aktienquote sein? Wie lassen sich aktive und passive Strategien am besten miteinander kombinieren? The Market liefert in einem Beitrag Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Wie sich ein robustes Portfolio mit Exchange Traded Funds (ETF) aufbauen lässt, zeigt diese Analyse. Robuste Portfolios sind solche, die sich in unterschiedlichen Marktszenarien bewähren und so langfristig eine attraktive Rendite bei vergleichsweise geringem Risiko erzielen sollten. Nicht die schlechteste Eigenschaft in einer Anlagewelt, in der beispielsweise die Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump die Weltwirtschaft in eine Rezession zu stürzen droht.
Wie die Politik den langfristigen Vermögensaufbaus anschieben könnte, zeigt das Beispiel von Schweden mit dem AP7 Såfa, einem staatlich verwalteten Investmentfonds. Seit 2000 zahlen die Schweden 16% ihres Bruttogehalts in ein umlagefinanziertes Rentensystem ein. Darüber hinaus stecken sie 2,5% in den Kapitalmarkt. Möglich ist dies über eine grosse Auswahl von Fonds privater Investmenthäuser oder eben mit dem AP7.
Inzwischen ist die private Vorsorge von 5,9 Mio. Schweden im AP7 investiert, was circa drei Viertel der erwachsenen Bevölkerung entspricht. Die Entscheidung dafür wird den Schweden leicht gemacht: Wer nicht für einen der angebotenen Fonds der klassischen Vermögensverwalter optiert, zahlt automatisch in den AP7 ein. In der Vergangenheit lohnte sich das: Zwischen 2000 und 2024 legte der Fonds jährlich um 11,5% zu.
Der AP7 besteht aus zwei Komponenten – einem Aktien- und einem Anleihenfonds. Das Kernportfolio des AP7 Equity Fund investiert zu 96% in den globalen Aktienmarkt. 4% werden in Private-Equity-Fonds investiert. Der AP7 Fixed Income Fund investiert in festverzinsliche Wertpapiere. Bis zum Alter von 55 Jahren werden die Beiträge der Versicherten in den Aktienfonds investiert, danach werden sie schrittweise in den Rentenfonds umgeschichtet, um die Auszahlungsphase vorzubereiten.
Einfach zu kopieren ist der Ansatz aus Sicht deutscher Anleger allerdings nicht. Das liegt vor allem daran, dass der Fonds abseits des Kernportfolios auch Derivate einsetzen kann, um die Erträge zu hebeln. Im Schnitt sind 25% der Anlagen des Aktienfonds gehebelt.
Trotz der Marktturbulenzen gilt: Abseits stehen ist aus Anlegersicht langfristig keine Option, zeigt eine schon ältere Studie von Morningstar. Immerhin könne nur der von jenen Monaten der massiven Wertzuwächse profitieren, der auch investiert ist. In die gleiche Richtung argumentieren die Wissenschaftler Geoffrey C. Friesen und Travis R. A. Sapp. Umso wichtiger ist es, jetzt mit dem Vermögensaufbau zu beginnen und nicht zu warten, bis die neue deutsche Regierung mit ihrem Programm steht.