Der politische Kurswechsel in den USA veranlasst wohlhabende US-Bürger, ihr Vermögen ausser Landes zu bringen und zu diversifizieren – die Schweiz ist dafür eine attraktive Destination.
US-Präsident Trump verunsichert mit seiner Wirtschaftspolitik nicht nur Börsen und Handelspartner, sondern auch die eigenen Bürger. Die Hinweise mehren sich, dass reiche Amerikaner ihr Geld ausserhalb der USA in Sicherheit bringen wollen, mitunter in der Schweiz.
Vermögensverwalter und Banken bestätigen, dass das Interesse von amerikanischen Kunden, ihr Vermögen in der Schweiz anzulegen, in den vergangenen Monaten stark angestiegen sei und auch viel Geld fliesse. Auch die im angelsächsischen Raum vielbeachtete «Financial Times» stellt den Trend fest.
Dabei ist es nicht aussergewöhnlich, dass wohlhabende Amerikaner periodisch Geld ausser Landes bringen: «Wenn ein neuer US-Präsident an die Macht kommt, sehen wir alle vier Jahre einen starken Anstieg der Kundenanfragen», sagt Jamie Vrijhof-Droese, Chefin von WHVP, einer Schweizer Vermögensverwaltungsfirma, die auf die Betreuung von Kunden aus den USA spezialisiert ist.
Das Interesse an einem Schweizer Bankkonto ist derzeit aussergewöhnlich hoch. Im Vergleich zur Periode nach Joe Bidens Amtsantritt 2021 seien die Kundenanfragen um 50 Prozent angestiegen, die zugeflossenen Gelder seien viermal so hoch wie damals.
Frauenrechte unter Druck
Vrijhof-Droese zeigt sich über die Nachfrage in diesem Jahr überrascht. In der Vergangenheit habe es sich meist um unzufriedene Wähler der Partei gehandelt, welche die Wahl verloren habe. Diese bringen aus Protest über den Wahlausgang das Geld ausser Landes.
Heute ist man auch in der Siegerpartei nervös: «Dieses Jahr kommen auch viele Republikaner zu uns, weil die Politik so unvorhersehbar geworden ist und sie sich wegen der Entwertung des US-Dollars sorgen», sagt die Vermögensverwalterin.
Die Unsicherheit wegen des chaotischen Vorgehens von Trump gilt über Parteigrenzen hinweg. So habe besonders das Interesse von Frauen, Vermögen in der Schweiz verwalten zu lassen, stark zugenommen: «Den Druck auf Frauenrechte nehmen sie offenbar als so gross wahr, dass sie ihr Geld an einen sicheren Ort bringen möchten», sagt Vrijhof-Droese.
Der Anteil Kundinnen habe sich verglichen mit den Vorjahren mehr als verdoppelt. Für sie habe die Schweiz viel zu bieten. Die Neutralität und das stabile politische System würden sehr geschätzt.
Mit verwalteten Vermögen von rund 180 Millionen Dollar gehört WHVP zu den mittelgrossen Vermögensverwaltern. Solche mit Fokus auf amerikanische Kunden gibt es in der Schweiz wenige. Die meisten Banken haben sich schon vor Jahren aus diesem Geschäft zurückgezogen.
Nach einem langen, für den Finanzplatz schädlichen Konflikt mit den US-Justizbehörden nach der Jahrtausendende machen heute die meisten Schweizer Banken einen Bogen um amerikanische Bürger, die Geld bei ihnen anlegen wollen. Die amerikanischen Behörden beschuldigten die Banken der Beihilfe zur Steuerhinterziehung und verhängten hohe Bussen.
Heikles Geschäft mit Amerikanern
Dabei wäre das Geschäft attraktiv. Es zu betreiben, gilt aber als aufwendig und risikoreich: Die Auflagen für ausländische Banken, amerikanische Kunden aufzunehmen, sind sehr hoch und unterliegen den Bestimmungen der Foreign Account Tax Compliance Act (Fatca).
Diese umfassen strenge Compliance- und Meldepflichten. Darunter fällt der automatische Informationsaustausch: also die Meldung aller Konten und finanziellen Aktivitäten an die amerikanischen Steuerbehörden. Zudem führt die US-Börsenaufsicht SEC Kontrollen durch, neuerdings auch in der Schweiz.
Von den bekannten Namen sind heute deshalb nur noch die Privatbanken Vontobel und Pictet wirklich aktiv. Die UBS verkaufte ihr US-Offshore-Geschäft 2021 an Vontobel. Diese verwaltet heute aus den USA heraus Vermögen von rund 9 Milliarden Dollar für US-Kunden.
Ein Vontobel-Sprecher sagt, dass die Bank in den letzten Monaten eine «verstärkte Nachfrage und ein wachsendes Interesse von US-Kunden an Vermögensverwaltungs-Dienstleistungen festgestellt» habe. Gemäss Vontobel suchen Investoren verstärkt nach Diversifizierung, wegen der Unsicherheit in Bezug auf Geopolitik, auf Zölle und wegen der hohen Bewertungen an den US-Börsen. Die Amerikaner interessierten sich für Schweizer Aktien und den Franken, auch wegen der geringen Schweizer Staatsverschuldung.
Auch die Genfer Privatbank Pictet bestätigt, dass sie bei ihrer USA-Einheit Pictet North America Advisors einen «signifikanten Anstieg» der Nachfrage sowohl von neuen als auch bestehenden amerikanischen Kunden verzeichnet. Pictet betreut ebenfalls rund 9 Milliarden Dollar, vor allem Vermögen von sehr reichen Leuten.
Nicht alle Banken beobachten gleichermassen ein erhöhtes Interesse an der Schweiz. Die UBS, der grösste Schweizer Vermögensverwalter, gibt keinen Kommentar zum Thema US-Kunden ab. Dass nun alle reichen Amerikaner aus Angst vor möglichen Kapitalkontrollen systematisch ein Schweizer Konto eröffnen wollen, dürfte nicht der Fall sein.
«Donald Dashers» auch in Grossbritannien
Von einer renommierten Privatbank ist indes zu hören, dass viele in den USA wohnhafte reiche Personen daran seien, Vorkehrungen für einen möglichen Wegzug zu treffen. Entsprechend beraten sie sich mit Finanzplanern und Steuerexperten. Dabei handelt es sich aber nicht nur um amerikanische Bürger, sondern auch um Expats und ihre Familien.
Sie richten ihr Interesse auf die Schweiz, aber auch auf Dubai, Singapur und vor allem Grossbritannien. So erlebt das Königreich seit der Wahl Trumps einen steilen Anstieg bei Einbürgerungsgesuchen von Amerikanern. Zudem wird der Londoner Immobilienmarkt von «Donald Dashers», sogenannten Donald-Flüchtigen, geflutet.
Naheliegend, dass auch ausländische Privatbanken von Amerikanern angegangen werden, auch liechtensteinische wie die LGT. Weil sie über keine SEC-Lizenz verfügt, nimmt sie hierzulande keine amerikanischen Bürger als Kunden auf. Ihre britische Tochtergesellschaft darf dies aber tun.
Gemäss einem Banksprecher stellt LGT ebenfalls ein erhöhtes Interesse bei Amerikanern fest. Diese wollen ihr Vermögen über verschiedene Rechtsräume hinweg verteilen, um sich besser gegen die Auswirkungen von Zöllen, Devisenkontrollen und Wechselkursschwankungen zu schützen.