Ren Jianxin galt als einer der umtriebigsten Dealmaker Chinas. Nun ermittelt die Anti-Korruptions-Behörde der Kommunistischen Partei gegen den früheren Chem-China-Chef.
Dass die Syngenta-Übernahme für Chinas Landwirtschaft ein bedeutender Fortschritt sein würde, glaubte Ren Jianxin aus eigener Erfahrung zu wissen.
«Die Transaktion wird extrem wichtig sein für China und seine Landwirte», sagte der damalige Chem-China-Chef im Jahr 2016 an einer Medienorientierung und fügte hinzu: «Ich habe im Alter von fünfzehn Jahren auf dem Land gearbeitet und weiss, was Landwirte brauchen.»
Ein Jahr später war der Deal perfekt. Der Staatskonzern Chem China schluckte für umgerechnet 43 Milliarden Dollar den schweizerischen Saatgut- und Pestizidhersteller Syngenta. In der Schweiz wie in China war die Akquisition hoch umstritten. Doch für Ren bedeutete sie den Höhepunkt seiner Karriere.
Verstösse gegen «geltende Gesetze und die Disziplin»
Jetzt folgt der Fall. Die Zentrale Disziplinarkommission der Kommunistischen Partei (KP) leitete Anfang Mai ein Verfahren gegen den früheren Manager aus der Nordwestprovinz Gansu ein. Der Vorwurf: Verstösse gegen «geltende Gesetze und die Disziplin» – hölzerner Parteisprech für Korruption, Veruntreuung und Bestechung.
Die Behörden ermitteln ausserdem gegen Yang Xingqiang. Yang war Geschäftsführer bei Chem China und Rens persönlicher Assistent.
Nach Informationen des Wirtschaftsmagazins «Caixin Global» hat Chem China im Jahr 2014 die Garantie für einen Kredit einer Bank in der Provinz Gansu an eine Privatfirma übernommen. Das Unternehmen konnte den Kredit nicht zurückzahlen, Chem China entstand ein Schaden von 414 Millionen Dollar.
Dass die KP zehn Jahre nach dem Vorfall ein Ermittlungsverfahren gegen Ren und Yang einleitet, zeigt, dass die Anti-Korruptions-Kampagne des Staats- und Parteichefs Xi Jinping eine nie endende Bewegung ist, die vor allem auch seinem Machterhalt dienen soll. Für Ren ist das Verfahren eine grosse Schmach.
1500 Dollar Startkapital für die Firmengründung
Auch wenn Ren die schillernde Aura eines Jack Ma von Alibaba fehlt, so war der 66-jährige Ingenieur und Inhaber eines MBA doch einst Chinas wichtigster Dealmaker. Im Jahr 1984 gründete er mit 10 000 Yuan, nach heutigem Wechselkurs etwa 1500 Dollar, die Firma Bluestar, ein Unternehmen, das Lösungsmittel für die Industrie produzierte.
In den 1990er Jahren ging es für Ren und Bluestar steil bergauf. In China boomte die Wirtschaft, und der damalige Ministerpräsident Zhu Rongji hatte sich auf die Fahnen geschrieben, die maroden Staatsunternehmen zu sanieren oder abzuwickeln. Was die Chemieindustrie betraf, spielte Ren dabei eine Schlüsselrolle.
Neue Jobs in Nudelrestaurants
Sein Unternehmen Bluestar, technisch eine staatseigene Firma, übernahm rund 100 strauchelnde Chemieunternehmen. Entlassungen versuchte Ren so gut es ging zu vermeiden, indem er nicht mehr benötigten Mitarbeitern Jobs bei einer Nudelrestaurantkette besorgte. Um die Unternehmen zu sanieren, holte Ren ausländische Berater an Bord.
Im Jahr 2004 beschloss der Staatsrat, Chinas Kabinett, die Verschmelzung der zahlreichen Firmen – Chem China war geboren. Ren wurde zunächst stellvertretender Geschäftsführer und Vizeparteisekretär des Konzerns, 2014 stieg er zum Vorsitzenden und ersten Parteisekretär von Chem China auf.
Inzwischen war in Peking Xi an die Macht gekommen. Er rief Chinas Unternehmen dazu auf, im Ausland auf Einkaufstour zu gehen, so dass China schnell zu einer globalen Wirtschaftsmacht werde.
Ren liess sich nicht lange bitten. Für knapp 8 Milliarden Dollar kaufte Chem China den italienischen Reifenhersteller Pirelli, eine Milliarde Dollar kostete die Akquisition des Münchner Maschinenbauers Krauss-Maffei. Es folgten Übernahmen in Norwegen, Frankreich und Israel. Zwischen 2005 und 2015 gab Chem China rund 15 Milliarden Dollar für Akquisitionen aus.
Mit Schulden finanzierte Übernahmen
Rens aggressiver Expansionskurs war zu einem grossen Teil mit Krediten finanziert. Auch für die Syngenta-Übernahme 2017 griff Ren zu einem ganz überwiegenden Teil auf Bankkredite zurück, eine Praxis, die unter chinesischen Finanzexperten für Kritik sorgte. 2021 schliesslich verschmolz die Regierung den hoch verschuldeten Chem-China-Konzern mit dem ungleich grösseren und ebenfalls staatlichen Unternehmen Sinochem.
Ren, der während der Kulturrevolution zur Arbeit aufs Land verschickt wurde, hob sich von anderen Kadern mit Verantwortung in Staatskonzernen ab. Die dort typischen weissen Kurzarmhemden und schwarzen Blousons waren dem ehemaligen Konzernchef stets zuwider. Ren bevorzugte Nadelstreifen und Manschettenknöpfe.
Wegbegleiter fanden es immer ungewöhnlich, wie ungezwungen und selbstsicher sich Ren unter ausländischen Wirtschaftsführern bewegte. Einige beschrieben ihn als «verwestlicht».
Mit der vollzogenen Syngenta-Übernahme trat Ren 2018 als Chem-China-Chef ab. Den lange geplanten Börsengang von Syngenta sagte das Unternehmen im März schliesslich ab. Die Begründung: Die Börsen in China seien zu volatil.