Nach langer Vorarbeit haben die deutschen Minister für Arbeit und Finanzen ein «Rentenpaket» vorgestellt. Es soll das Rentenniveau stabilisieren und eine kapitalgedeckte Finanzierungsquelle erschliessen.
Altersrenten sind nicht nur in der Schweiz ein politisch brisantes Thema, auch Deutschland tut sich damit schwer. Am Dienstag haben der sozialdemokratische Arbeitsminister Hubertus Heil und der liberale Finanzminister Christian Lindner ein «Rentenpaket» vorgestellt, das das gesetzliche Rentennivau stabilisieren und den Aufbau einer kapitalgedeckten Säule der gesetzlichen Rente einleiten soll.
Beiträge reichen nicht
Ein entsprechender Gesetzesentwurf geht nun in die Abstimmung mit den übrigen Ressorts der Regierung. Ziel sei es, diesen noch vor der Sommerpause nicht nur vom Kabinett, sondern auch vom Bundestag verabschieden zu lassen, sagte Heil vor den Medien. Die gesetzliche Rente, um die es hier geht, ist in Deutschland für die meisten Menschen das wichtigste Instrument zur finanziellen Absicherung des Ruhestands, zumal die betriebliche und die private Altersvorsorge freiwillig sind.
Die gesetzliche Rentenversicherung wird bisher wie die Schweizer AHV nach dem Umlageverfahren finanziert: Die Renten der heutigen Rentner werden durch Beiträge der heutigen Erwerbstätigen finanziert. Derzeit liegen die Beiträge bei 18,6 Prozent des Bruttolohns; sie werden je hälftig vom Arbeitgeber und vom Arbeitnehmer bezahlt. Sie reichen allerdings schon lange nicht mehr aus, weshalb Subventionen aus dem allgemeinen Staatshaushalt nötig sind. Derzeit beträgt der jährliche Zuschuss über 110 Milliarden Euro, was fast einem Viertel des gesamten Bundeshaushalts entspricht.
Gleichwohl soll es keine weitere Erhöhung des Renteneintrittsalters geben, wie Heil betonte. Nach geltendem Recht steigt dieses bis 2031 stufenweise auf 67 Jahre.
Rentenniveau soll bleiben
Ein zentrales Element der Reform ist vielmehr die Stabilisierung des Rentenniveaus auf den derzeit geltenden 48 Prozent. Gemeint ist, dass eine Standardrente eines Rentenbezügers, der während 45 Jahren Beiträge auf Basis eines durchschnittlichen Einkommens bezahlt hat, 48 Prozent eines durchschnittlichen Einkommens eines Arbeitnehmers betragen soll.
Nach geltendem Recht würde dieser Prozentsatz im Zuge des demografischen Wandels bald zu sinken beginnen; die Rentner würden also im Vergleich zur arbeitenden Bevölkerung ärmer. Die Stabilisierung ist laut dem Entwurf gesetzlich bis 2039 vorgesehen, soll aber auch darüber hinaus gelten.
Neu auch Kapitaldeckung
Zur Finanzierung soll künftig neben den Beiträgen und den Bundeszuschüssen eine dritte Quelle beitragen: das sogenannte Generationenkapital. Unter diesem Titel wird laut den Reformplänen ein Kapitalstock aufgebaut, der von einer Stiftung öffentlichen Rechts verwaltet wird. Diese Stiftung soll vom Staat Darlehen erhalten, die dieser wiederum über die Aufnahme von Krediten finanziert. Dieses Jahr sind hierfür 12 Milliarden Euro budgetiert, künftig sollen die Zuführungen jährlich um 3 Prozent steigen. Ausserdem werden Vermögenswerte des Bundes in Höhe von 15 Milliarden Euro bis 2028 zur Eigenkapitalunterlegung an die Stiftung übertragen. Gedacht wird etwa an staatliche Beteiligungen an Unternehmen.
Auf diese Weise soll das «Generationenkapital» bis Mitte der 2030er Jahre einen Kapitalstock von mindestens 200 Milliarden Euro erreichen. Das Geld wird auf dem Kapitalmarkt angelegt. Laut Lindner ist eine Rendite zu erwarten, die deutlich höher sein dürfte als die Zinsen, die der Staat für die Aufnahme des nötigen Kapitals bezahlen muss. Ab Mitte der 2030er Jahre sollen dann aus diesen Erträgen (nicht aber aus dem Kapitalstock) jährlich mindestens 10 Milliarden Euro als Zuschuss an die gesetzliche Rentenversicherung fliessen.
Allerdings wird eine Erhöhung der Beiträge an die Rentenversicherung dadurch nur gedämpft, nicht aber verhindert werden. Dazu sind die Kosten infolge der Alterung der Gesellschaft und der erwähnten Stabilisierung des Rentenniveaus zu hoch. Das Finanzministerium erwartet, dass der Beitragssatz nach 2030 auf über 20 Prozent der Bruttolöhne steigen wird und die Zuschüsse aus dem «Generationenkapital» den Satz um 0,3 bis 0,4 Prozentpunkte dämpfen werden.
Das «Generationenkapital» ist ein altes Anliegen von Lindner. Er sprach am Dienstag von einem Paradigmawechsel, weil die Umlagefinanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung erstmals um eine kapitalgedeckte Komponente ergänzt werde.
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