Vielleicht hat man selbst eine vage Erinnerung. Oder die Grosseltern erzählen davon: von Ferien an Orten, die es so nicht mehr gibt. Oder doch?
Wo Menschen kommen und gehen, kommen und gehen auch andere Dinge. Und doch bleiben manche Orte gleich – gefühlt jedenfalls. Auf der Suche nach Ferienzielen, die aus der Zeit gefallen zu sein scheinen.
Es gibt Fotos, die zeigen Jackie Kennedy beim Schaufensterbummel in der Via Camerelle, Grace Kelly mit Tochter Caroline an der Mole, Maria Callas im Badekleid und mit den Füssen im Meer. Heute lauten die Namen Mariah Carey, Leonardo DiCaprio oder Heidi Klum, aber sonst ist alles gleich: Es geht um Dolce Vita, Bella Figura und That’s Amore.
Man besucht die wenigen Sehenswürdigkeiten, die es schon immer gab: die Blaue Grotte, die Villa Malaparte, den winzigen Ort Anacapri und die Faraglioni-Felsen, kauft sich ein Zitroneneis in der Gelateria Buonocore (seit 1952), isst eine Portion Spaghetti mit Vongole im Garten des Ristorante La Limonaia da Paolino (seit 1976) und hofft auf einen freien Liegestuhl im Strandbad Da Luigi ai Faraglioni (seit 1936).
Alle diese traditionsreichen Capri-Institutionen sind noch in Familienbesitz, und wer tatsächlich eine Oma mit Capri-Erfahrung hat, kann sie fragen: Da war man schon vor fünfzig Jahren. Geblieben sind auch einige andere Capri-Musts: die schmale, knie- bis maximal wadenlange Capri-Hose, die Capri-Sandalen (flache Zehentrenner), die Insalata Caprese (Tom-Mozz) oder die auf Capri produzierten Carthusia-Parfums, die den Duft der Insel einfangen – alles nach wie vor sehr beliebt und nicht von gestern.
Hotel-Tipp
La Palma Capri
Schicke Neuauflage eines Gästehauses von 1822 mit 50 Zimmern und Suiten in zarten Wasserfarben, Rooftop-Restaurant mit Bar und Aussicht und glamourösem Beach-Club – alles im schicken Retro-Look.
oetkercollection.com, DZ ab 560 Franken
Zwar sind in Goa viele neue Hotels hinzugekommen, aber sie liegen an den breiten, feinsandigen Stränden im Süden Goas, während der Norden schon in den 1960er Jahren als Paradies für Hippies und Aussteiger galt. Denn Goa ist nicht nur ein Strand, sondern ein grosser, abwechslungsreicher Bundesstaat, der sich über 100 Kilometer Küstenlinie am Arabischen Meer erstreckt. Während «normale» Touristinnen und Touristen die weit verstreuten Ferienorte im Süden bevölkern, sind die Blumenkinder im Norden weitgehend unter sich.
Das Leben hier ist tatsächlich ein wenig so, wie man es sich vorstellt: Es gibt Yoga- und Meditationskurse, Kühe am Strand, langhaarige Backpacker, lässige Beach-Shacks und viele Partys. Der grosse Rave-Wahn mag zwar vorbei sein, aber Goa ist immer noch ein Magnet für Partygänger, die alles mitmachen wollen.
Die Nacht beginnt eine Stunde vor Sonnenuntergang am Baga Beach mit dem immergleichen Ritual: Liegestühle werden durch Zweiertische ersetzt, Handtuchburschen werden zu Kellnern, und der Duft von süssen Shishas erfüllt die Luft. Wer danach noch mehr will, braucht einen Flüsterinformanten, der weiss, wo genau an diesem Abend eine der quasi illegalen Strandpartys stattfindet.
Höhepunkt für alle ist der riesige Anjuna Flea Market, der jeden Mittwoch von 9 Uhr morgens bis zum Sonnenuntergang stattfindet.
Hotel-Tipp
Siolim House
Ein 350 Jahre altes historisches Hotel, versteckt hinter einer Reihe von Ashoka-Bäumen, das im malerischen Küstendorf Siolim steht. Es bietet zehn Zimmer und Suiten mit Himmelbetten und Holzböden, einen Garten mit Pool und phantastische südindische Küche.
siolimhouse.com, DZ ab 67 Franken
Wer mit dem Zug anreist, spürt sofort die glanzvolle Vergangenheit des Kurortes. Der Bahnhof stammt noch aus der Zeit der k. u. k. Monarchie, seine hohe Ankunftshalle ist mit üppigem Stuck verziert. Damals galt das an den Hängen der Hohen Tauern erbaute Bad Gastein als Monte Carlo der Alpen, als Treffpunkt von Aristokraten, Industriekapitänen, Künstlern und deren Gefolge.
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts kam die gesamte europäische Oberschicht, um im radonhaltigen Heilwasser zu baden, in eleganten Belle-Époque-Hotels zu wohnen und die Bergwelt zu bewundern – das österreichische Alpendorf war weit über die Grenzen des Salzburger Landes hinaus als glamouröse Sommerfrische bekannt.
Und heute? Seit gut einem Jahrzehnt bemühen sich Kreative und Künstler, Architekten und Designer, Hoteliers und Gastronomen, den Ort aus seinem Dornröschenschlaf zu wecken. Mit Events wie dem Yogafrühling (23. Mai bis 1. Juni) und dem Kulturfestival «sommer frische kunst» (26. bis 31. August), mit Lokalen wie dem coolen Coffee-Shop «The Blonde Beans» und dem lässigen «Kraftwerk Bad Gastein» und mit der Eröffnung von Hotels, die an das anknüpfen, was einmal war: Klasse, Kultur und Geselligkeit.
Geblieben ist das unverfälschte Vintage-Flair eines über Jahrzehnte vergessenen Kurortes, ein bis heute entschleunigtes Zeitgefühl und die angenehme Gewissheit, dass hier niemand wirklich etwas verändern, sondern nur etwas mehr Leben in die Bude bringen will.
Hotel-Tipp
The Cōmodo
70 schicke Zimmer im modernistischen Stil mit Eichenparkett, original erhaltenen Terrazzofliesen und Mid-Century-Möbeln in einem umgebauten ehemaligen Klinikgebäude. Das Restaurant bietet Farm-to-Table-Küche, das Spa wohltuende Massagen.
thecomodo.com, DZ ab 135 Franken
Weshalb dieses charmante Seebad den Anschluss an die angesagten Ferienziele verloren hat, ist ein Rätsel. Jedenfalls war Biarritz plötzlich «out» oder zumindest nicht mehr «in». Historisch gesehen stand der kleine Badeort an der Südwestküste Frankreichs immer in starker Konkurrenz zu seinen berühmten Nachbarn am Mittelmeer.
Bis Mitte des 19. Jahrhunderts waren beide Küstenabschnitte ein beliebtes Ferienziel der königlichen Familie und in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg auch der französischen High Society. Der königliche Einfluss von Biarritz hat sich jedoch verflüchtigt, was zum Teil an der wilden und unberechenbaren Natur des Atlantiks liegt oder am Glamour, den die Côte d’Azur nach und nach entwickelte.
Umso besser. Denn so konnte Biarritz bleiben, was es war: ein gut gehüteter Geheimtipp – trotz den malerischen Stränden, der majestätischen Berglandschaft und der Nähe zum kultivierten Bordeaux. Fans gab und gibt es genug: Erfahrene Surfer lieben die tosenden Wellen des Atlantiks, Gourmets die hervorragende baskische Küche und coole Hipster den Lifestyle am Meer, der so viel französischer und eleganter, aber auch lässiger und unkomplizierter ist als der am Mittelmeer.
Hotel-Tipp
Le Garage
Die trendige französische Hotelmarke Experimental Group verwandelte eine ehemalige Autowerkstatt in ein stylishes Luxushotel mit 27 Zimmern und Suiten im schicken Retrostil, Palmenpatio mit Pool und Terrassen-Bistro mit baskischer Küche.
hotel-garage-biarritz.fr, DZ ab 137 Franken
Ein Dorf mit 45 000 Einwohnerinnen und Einwohnern, zwei parallel verlaufenden Hauptstrassen und 350 Sonnentagen im Jahr. Los Angeles ist nicht weit – kein Wunder, dass um 1920 die ersten Hollywoodstars in Palm Springs auftauchten. Es dauerte nicht lange, und der sonnige Ort wurde zum glamourösen Hangout für Schauspieler und ihre Entourage: Wer in den 1940er und 1950er Jahren Rang und Namen hatte, war hier: Bing Crosby, Bette Davis, Dean Martin, Cary Grant, Zsa Zsa Gabor, Clark Gable, Greta Garbo und Frank Sinatra.
Die Celebrities brauchten Häuser, und so strömten immer mehr Architekten in die Wüste, unter ihnen auch eine Gruppe talentierter junger Europäer, die die Trümmerlandschaften des Zweiten Weltkriegs gern gegen die kalifornische Wüste eintauschten.
Richard Neutra, Albert Frey, Rudolph Schindler und andere experimentierten mit Bauhaus und Moderne und entwickelten den Desert Modernism, der mit der Vergangenheit brach, auf Ornamente verzichtete und eine nüchterne, geometrische Formensprache propagierte.
Im warmen Wüstenklima und in der grandiosen Landschaft des Coachella Valley entstanden mehrere tausend modernistische Gebäude, darunter viele mit den charakteristischen schwebenden Schmetterlingsdächern. Sie stehen immer noch. Palm Springs ist ein einziger Vintage-Traum, mit Läden, die Mid-Century-Möbel und Fünfziger-Jahre-Mode verkaufen, und Restaurants, Bars und Hotels im schönsten Retro-Look – der hier meist echt und auf jeden Fall stimmig ist.
Hotel-Tipp
The Amado
Dieses Hotel hat keine Rezeption und kein Restaurant, dafür aber fünf geräumige und stilvoll eingerichtete Suiten, die sich um einen Pool gruppieren. Wer mit Freunden kommt, mietet das ganze Amado und feiert private Poolpartys.
theamado.com, Studio ab 88 Franken
Algarve? Im Ernst? Ja, aber nicht der westliche Teil mit den so bekannten wie überlaufenen Badeorten, sondern das Sotavento, das zwischen Faro und der spanischen Grenze liegt und tatsächlich ein Portugal «von früher» geblieben ist. Das Städtchen Olhão mit seinen knapp 15 000 Einwohnern entstand im 17. Jahrhundert als Fischerdorf mit Strohhütten, erst viel später wurden die ersten Steinhäuser nach maurischem Vorbild gebaut.
Die würfelförmigen Häuschen mit Flachdach und Terrassen bröckeln in stiller Schönheit vor sich hin – Olhão punktet mit dem morbiden Charme jener Orte, um die sich niemand kümmert, sei es aus Desinteresse, sei es aus Geldmangel. Jedenfalls wurde hier kaum etwas verschandelt, modernisiert, aufgepeppt.
Fast vor der Haustür liegt die unter Naturschutz stehende Lagune Ria Formosa, ein natürlicher Flickenteppich aus Wasserläufen, Lagunen und Sandbänken. Fähren gleiten gemächlich über den Rio Bello und halten an den Inseln Farol, Armona oder Culatra mit ihren kilometerlangen Sandstränden, an denen weder Jetski noch Getränkeverkäufer oder fliegende Händler die Ruhe stören.
Dafür sieht man vereinzelt Fischer, die bis zur Hüfte im Meer waten und ihre Netzkisten hinter sich herziehen. Die so gefangenen Tintenfische und Muscheln werden abends in den einfachen Tavernen von Olhão serviert, zusammen mit einem Salat aus sonnengereiften Tomaten und einem kühlen Bier aus Sagres.
Hotel-Tipp
Convento
Bezauberndes B&B mit 9 Zimmern, Dachterrasse und Pool in der Altstadt von Olhão. Es gibt kein Namensschild am Eingang und eine No-Shoes-Policy im Haus. Dafür: strahlendes Weiss in allen Zimmern, stilvolle Einrichtung und ein leckeres Frühstück.
conventoolhao.com, DZ ab 148 Franken
Der Name ist verräterisch: Bath, einfach so, ohne jeden Zusatz, deutet auf ein Selbstbewusstsein hin, das besondere Orte, die schon immer da waren, einfach haben. Jedenfalls ist dies die einzige Stadt Grossbritanniens, die als Ganzes zum Weltkulturerbe der Unesco gehört. Kein Wunder, denn das 80 000-Einwohner-Städtchen ist in vielerlei Hinsicht von der Vergangenheit geprägt: Benannt nach den antiken römischen Thermen, bekannt für seine honigfarbene georgianische Architektur und als Heimat von Jane Austen, der berühmten britischen Schriftstellerin der Regency-Zeit.
Die Sehenswürdigkeiten sind schnell aufgezählt: die historischen Thermalquellen, in denen man leider nicht mehr baden darf, die hohen Türme der mächtigen Bath Abbey, die beidseitig bebaute Pulteney Bridge über den Avon River und die architektonisch einzigartige Great Pulteney Street gleich dahinter, die ihren Namen zu Recht trägt, denn die eleganten Hausfassaden auf beiden Strassenseiten sind tatsächlich absolut «great».
Die Pulteney Bridge und die historischen Thermalquellen in Bath.
Grossartig sind auch die beiden spektakulären Monumentalbauten der Stadt: der sichelförmige Royal Crescent und der Circus, ein Ring prächtiger Stadtpaläste aus dem 18. Jahrhundert. Das Ganze erinnert ein wenig an Florenz, nur ohne die vielen Touristen, und auch ein wenig an London, denn in Bath gibt es eine junge Szene, die neben Nostalgie-Reisenden auch Zeitgeist-orientierte Menschen anzieht und für eine sehr britische Mischung aus alt und ganz neu, königlich-prunkvoll und Shabby Chic, kreativ und cool sorgt.
Hotel-Tipp
Nr. 15 Great Pulteney
Man nennt sich bescheiden «Guesthouse», ist aber ein schickes Boutiquehotel mit 36 unterschiedlichen Zimmern mit grossen Kronleuchtern, viel Kunst an den Wänden, schönen Bädern und majestätischen Betten. Dazu: gutes Frühstück und ein Hauch britischer Verschrobenheit.
guesthousehotels.co.uk, DZ ab 182 Franken