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Revolutionen, die die Menschen umerziehen wollen, münden in eine Militärdiktatur – am Ende der Französischen Revolutionen stand Napoleon

MitarbeiterVon MitarbeiterJuli 27, 2025
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1789 begann in Paris die folgenreichste Revolution der Neuzeit. Die Abschaffung des Ständestaats und die Deklaration der Menschenrechte begründeten das moderne Staatsverständnis. Doch am Ende stand ein Alleinherrscher.

Im Frühjahr 1789 fing alles denkbar harmlos an. Da die privilegierten Schichten jahrzehntelang neue Steuern verweigert hatten, war der französische Staat bankrott. Deshalb wurde ein Meeting im alten Stil, eine Ständeversammlung, einberufen, auf der Klerus, Adel und reiches Stadtbürgertum endlich die neuen Abgaben bewilligen und dann schleunigst wieder auseinandergehen sollten. Bekanntlich blieben sie, und alles wurde anders.

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Zwei Jahre danach, im Frühjahr und Sommer 1791, gingen viele Franzosen und Französinnen über die Bücher und fragten sich: Was hat uns das, was so viele vor Pathos nur so strotzende Reden als eine Revolution, so erhaben, wie sie die Menschheit noch nie gesehen hat, verkaufen, eigentlich gebracht? Die Antwort der Frauen lautete: Gar nichts, im Gegenteil, gerade die Männer, die sich als Revolutionäre spreizen, gebärden sich machohafter denn je.

Sie brüsteten sich zwar damit, Condorcet und Voltaire, die für die Gleichberechtigung der Geschlechter eintraten, gelesen, verstanden und umgesetzt zu haben, doch von neuen Freiräumen ist für uns nichts zu sehen. Ungefähr zwei Drittel der männlichen Bevölkerung Frankreichs senkten den Daumen ebenfalls: Sie hatten nicht das notwendige Steueraufkommen von drei Arbeitstagen, um wählen zu dürfen.

Gewählt werden konnten sie noch viel weniger, denn wer Abgeordneter der neuen Nationalversammlung werden wollte, musste mindestens fünfzig Tageseinkommen an den Fiskus abführen und zudem eine Gesinnungskontrolle vor Wahlmännern bestehen, die zumindest eine Woche lang ihr Einkommen an den Staat abtraten.

Mit anderen Worten: Der Schutzwall gegen die Demokratie stand unerschütterlich fest, und das war ein Hauptzweck der ersten revolutionären Verfassung, die am 3. September 1791 endlich in Kraft trat. Aber das durfte man natürlich nicht sagen, im Gegenteil, man musste es mit einem besonders hohen Aufwand an rhetorischem Schwulst um jeden Preis verschleiern. Das geschah in der Erklärung der allgemeinen Menschen- und Bürgerrechte vom 26. August 1789.

Schakale statt Leoparden

Sie listete eine lange Reihe von Freiheiten auf, die für die grosse Mehrheit der Bevölkerung völlig uninteressant waren: Religionsfreiheit, Pressefreiheit und unternehmerische Freiheit, diese vor allem. Arbeiter aber durften nicht einmal elementare Schutzvereinigungen gründen und waren daher dem Lohndiktat der Unternehmer, Bankiers und Financiers, der neuen Herren Frankreichs, rechtlos unterworfen. Und natürlich verlor die Erklärung kein Wort zur politischen Teilhabe – Freiheit der politischen Partizipation war 1789 kein Menschenrecht, nicht einmal ein Männerrecht, von den Frauen ganz zu schweigen.

Diejenigen, die politisch nichts gewannen, sahen sich auch wirtschaftlich betrogen: Der neue Staat hatte alle sozialen Schutz- und Vorsorgeinstitutionen für diejenigen, die in den Städten hart an der Grenze zum Existenzminimum lebten – und das waren mindestens siebzig Prozent –, ersatzlos gestrichen. Und zwar dadurch, dass er die katholische Kirche Frankreichs komplett enteignet und ihre reichen Güter – sechseinhalb Prozent des französischen Bodens und 260 000 Immobilien, darunter viele Filetstücke – an die Meistbietenden versteigert hatte.

Reiche Stadtbürger und solvente Adelige hatten so im Bereich Immobilen und Agrarflächen Tausende und Abertausende von Schnäppchen gemacht, und sie waren wild entschlossen, diese nie mehr herauszugeben. Das war die rote Linie, die kein französisches Regime der Folgezeit, ob reaktionär, liberal oder revolutionär, überschreiten durfte.

Auf diese Weise bekamen viele Bauern, die ihre Abgaben bisher an Klöster und Domkapitel abgeführt hatten, neue Herren oder, wie man es siebzig Jahre später in Sizilien ausdrückte: Sie bekamen Schakale statt der alten Leoparden, und die Schakale waren viel hungriger nach Beute als die Leoparden. Mit anderen Worten: Die reichen Neu-Grundbesitzer erhöhten die Pachten für Grund und Boden mit allen nur denkbaren juristischen Kniffen, und an devoten und dienstfertigen Advokaten fehlte es ihnen dabei nicht.

Überhaupt fühlte man sich auf dem Land düpiert wie noch nie. Im August 1789 hatte die Nationalversammlung feierlich das Feudalsystem und mit ihm den Adel für abgeschafft erklärt. Ob sich ihr Herr im Schloss neben dem Dorf Marquis nennen durfte oder nicht, war den Landleuten ziemlich egal. Für sie ging es um die Frage: Abgaben oder nicht Abgaben. Genau darum ging es den Grundherren aus Adel und hoher Bourgeoisie auch, und sie sassen am längeren Hebel.

Angst, Wut, Gewalt

Mit ungeheurem Wortgetöse wurden einige Dienstleistungen und Benachteiligungen gestrichen, die finanziell längst nicht mehr ins Gewicht fielen, und dann kam ein Taschenspielertrick zur Anwendung: In einer atemberaubenden Verdrehung historischer Tatsachen wurden die alten Feudalgefälle, die vor Jahrhunderten einmal Entgelt für Schutz gegen Gewalt von aussen gewesen waren, jetzt aber längst nur noch eine erdrückende Gebühr für die Nutzungsrechte an Grund und Boden darstellten, für gute bürgerliche Einkommenstitel erklärt und damit politisch heiliggesprochen.

Wer den Zins in Geld und Naturalien nicht mehr zahlen wollte, musste eine Rückkaufsumme bezahlen, die auch wohlhabende Grossbauern nicht aufbringen konnten. Kein Wunder, dass sich 1789 und 1790 auf dem Land so einiges zusammenbraute: erst Angst, gesteigert bis zu Hysterie, dann Wut, dann Gewalt.

Mehr als neunzig Prozent der Bevölkerung sahen ihre Lebensform und Lebensordnung 1791 gegenüber dem Zustand zwei Jahre zuvor also verschlechtert, oft sogar gefährdet. Dazu trug die allgemeine ökonomische Konjunktur kräftig bei. Nach Jahrzehnten des demografischen Wachstums, das die Gesamteinwohnerzahl Frankreichs auf 25 Millionen, einen europäischen Rekordwert, geschraubt hatte, traten die strukturellen Schwächen der französischen Wirtschaft immer krasser hervor.

Die Landwirtschaft, in der mehr als neunzig Prozent der Menschen tätig waren, war insgesamt trotz punktuellen Reformen hoffnungslos veraltet, wie auch das System der politischen Verordnungen, die jeden Getreidetransport innerhalb des Landes, also auch zwischen Gebieten mit Unter- und Überproduktion, mit rigorosen Verboten unterbanden.

Der erste von den Revolutionären der ersten Stunde mit tiefer Sorge betrachtete Ausbruch revolutionärer Gewalt an der Basis, die Erstürmung des Staatsgefängnisses der Bastille, in der längst keine Staatsgefangenen von Bedeutung mehr einsassen, und die bestialische Niedermetzelung ihrer Besatzung fanden genau an dem Tag statt, an dem der Brotpreis in Paris seinen höchsten Stand seit 1648 erreicht hatte: am 14. Juli 1789. Das war ein Menetekel, vor dem die neue Elite tunlichst die Augen verschloss.

Bereichert euch, wie ihr könnt

Neu war diese Elite insofern, als sie jetzt aus dem abgeschafften Adel und dem wohlhabenden Bürgertum neu verschmolzen war. Geld oder nicht Geld, das entschied von jetzt an über die Zugehörigkeit zur tonangebenden Führungsschicht oder über den Ausschluss von ihr. Die knapp zehn Prozent der Bevölkerung, die von den Ereignissen ab 1789 profitierten, antworteten auf die Frage, ob das, was zu ihren Gunsten geschehen sei, eine Revolution sei oder nicht, in den Politikerjargon des Jahres 2025 übertragen, etwa so: Es war eine nötige Strukturanpassung sozialer und politischer Art an ökonomisch, mental und kulturell grundlegend gewandelte Zeitverhältnisse, also kein Bruch, sondern Kontinuität mit zeitgemässen Mitteln.

Eine Revolution, und zwar eine moderate und zugleich die letzte ihrer Art, aber wurde nur nötig, weil sich durch die Verweigerungshaltungen privilegierter Schichten, die von ihren ungerechten und anachronistisch gewordenen Vor- und Sonderrechten nicht lassen wollten, eine staatliche Finanzkrise als Teil eines Reformstaus eingestellt hatte, der jetzt behoben worden sei, so dass die künftige Geschichte Frankreichs in die ruhigen Fahrwasser der Evolution um- und übergeleitet werden konnte.

Bis 1789 unzeitgemäss und jetzt den neuen Zeitverhältnissen so angepasst, dass Zeitgeist und Institutionen nicht mehr im Widerspruch zueinander standen, sondern sich harmonisch verschränkten, waren aus der Perspektive der Revolutionäre betrachtet: die sozialen Hierarchien, die nicht mehr durch Geburt, sondern durch individuelle Leistung, sprich Geld, bestimmt werden sollten; die politische Ordnung, die nicht mehr durch das dreifache Gewaltenmonopol einer de facto vom Hofadel dominierten Monarchie, sondern nach dem Prinzip der Gewaltenteilung bestimmt werden sollte.

Dazu kam die ökonomische Ordnung, die vom Freihandel auf allen Ebenen geprägt sein musste; die kirchlich-religiöse Ordnung, in der die katholische Kirche zur staatlichen Behördenorganisation umgeformt werden und im Übrigen wie in der Wirtschaft der gesunde Geist der Konkurrenz herrschen sollte. Glaubt, was ihr wollt, bereichert euch, wie ihr könnt – das waren die Imperative der neuen Zeit.

Die Gewaltenteilung war de facto eine zweite Brandmauer. Sie sah eine Monarchie vor, die sich zwar nicht mehr durch Gottes Gnade, sondern durch den Willen der Nation rechtfertigte und ihre Gesetzgebung an das nach Zensus gewählte Honoratiorenparlament und die Judikative an im Prinzip unabhängige Richter abtreten musste, aber trotzdem sehr stark blieb.

Tausendjährige Autorität

Das versuchte der bis zu seinem frühen Tod im April 1791 wortmächtigste und einflussreichste Revolutionär, der Comte de Mirabeau, König Ludwig XVI. zu vermitteln, dem er als Doppelagent diente: Sire, so dürfte er dem Herrscher geraten haben, ergreifen Sie diese einmalige Chance, die Besitzenden brauchen Sie mehr als Sie die Besitzenden, denn sie haben vor nichts mehr Angst als vor einer sozialen Revolution, die das Unterste nach oben kehrt und sie ihres heiligen Besitzes beraubt! Treten Sie an die Spitze der Revolution, rechtfertigen Sie diese mit der tausendjährigen Autorität Ihres Amtes – und Sie werden mächtiger als je zuvor!

Mirabeau wusste, wovon er sprach: Nach der neuen Verfassung war der König nicht nur alleiniger Chef der ausführenden Gewalt, sondern auch Oberkommandierender der Armee und Haupt der Diplomatie. Zudem hatten es die Verfassungsväter von 1791 mit der Gewaltenteilung nicht so genau genommen: So konnte der König ein aufschiebendes Veto gegen alle Gesetze einlegen, wodurch diese nach menschlichem Ermessen erledigt wären.

Machen Sie etwas aus Ihrer neuen Position – dieser Ausruf verhallte ungehört. Ludwig XVI. machte das Falscheste, was er machen konnte, versuchte, ins Ausland zu fliehen, mit dem er in konspirativer Verbindung gestanden hatte – und starb gut anderthalb Jahre später als Verbrecher an der Nation auf der Guillotine.

Hätte ein geschickter agierender Monarch die zweite Revolution, die sich im Sommer und Herbst 1792 vollzog, verhindern können? In der Toskana plante einige Jahre vorher der habsburgische Grossherzog Leopold, seinem Land eine der französischen Verfassung von 1791 in vielem ähnliche Konstitution zu geben, sich also durch diese Gewaltenteilung selbst partiell zu entmachten – und gleichzeitig ein unschätzbares Prestige als moderner Herrscher in Übereinstimmung mit den Prinzipien der Aufklärung zu gewinnen, und das war in seinen Augen ein beträchtlicher Mehrwert.

Das Ganze kam zwar nicht zustande, da der Herrscher moderner dachte als sein Adel, aber ein Rückschluss drängt sich dennoch auf: Mit einem König vom Format eines Leopold hätten sich die von der ersten französischen Revolution herbeigeführten Verhältnisse wahrscheinlich stabilisieren lassen.

Auf dem Tiger reiten

Dass sie im europäischen Massstab zeitgemäss waren, zeigt sich daran, dass in der sogenannten Restauration ab 1814/15, die so «restaurativ» nicht war, dieselben Prinzipien wie 1791 zum Tragen kamen, sehr viel kirchlich-konservativer eingekleidet, gewiss, doch mit der auf gleiche Weise verschmolzenen Elite. Man kann von einem konservativ erzogenen Herrscher wie Ludwig XVI. nicht erwarten, auf einem Tiger zu reiten, aber ein Tiger war die Revolution von 1789 auch nicht, eher ein etwas ungebärdiges Pferd, das sich hätte zähmen lassen.

Aus der Sicht der Herren Sieyès, Lafayette und Co. war der Absprung des Königs vor allem deshalb eine Katastrophe, weil sie wie alle moderaten Revolutionäre vor dem Problem des Abbremsens, Stopp-Sagens und Anhaltens standen. Sie hatten eine seit sechshundert Jahren etablierte Monarchie ihres sakralen Charakters beraubt und den König von einer religiös überhöhten Gestalt irgendwo zwischen Himmel und Erde zu einem konstitutionellen, der Nation verantwortlichen und durch sie absetzbaren Organ schrumpfen lassen und dadurch allen Schichten, auch den unteren und untersten, gezeigt, dass nichts feststeht und alles umgestossen werden kann.

Damit aber hatten sie ungewollt die Frage aufgeworfen: warum nicht weiter so, aber diesmal in unserem Interesse? Der König hatte eine solche Verankerung gegen die revolutionäre Treibsand-Dynamik sein sollen, aber jetzt war tatsächlich kein Halten mehr. Im Paris der Jahre 1791 und 1792 braute sich nämlich ungeahntes Konfliktpotenzial zusammen: Das Papiergeld der Assignaten, dessen Stabilität durch den Verkauf der Kirchengüter garantiert werden sollte, erwies sich als ultraweich und produzierte stattdessen eine galoppierende Inflation, so dass das Basislebensmittel Brot für den Grossteil der Bevölkerung unerschwinglich zu werden drohte.

Parallel dazu organisierte sich das Pariser Kleinbürgertum, von seinen Gegnern abschätzig «sansculottes» (wörtlich: Leute ohne vornehme Kniebundhose) genannt, in 48 Sektionen als Verteidigungsgemeinschaft gegen die Teuerung und als Kampfverbund mit der immer ausgeprägteren Stossrichtung gegen «die da oben».

Aufgeheizt wurde das Klima weiter durch Enthüllungsjournalisten wie den im neuenburgischen Boudry geborenen Jean-Paul Marat, der in seinen Gazetten von ungeheuren Verschwörungen der Reichen und Mächtigen zu berichten wusste und die kleinen Leute zu Präventivaktionen aufrief: Lieber jetzt 50 000 Revolutionsfeinde totschlagen, als von den langen Messern der Gegenrevolution hingeschlachtet zu werden!

Eine neue Zeit bricht an

Jetzt bedurfte es nur noch eines zündenden Funkens, um die Lunte der zweiten Revolution zum Brennen zu bringen, und dafür sorgten die monarchischen Grossmächte Österreich und Preussen, mit denen Ludwig XVI. heimlich in Verbindung stand: Schon im Sommer 1791 drohten sie den Franzosen mit härtesten militärischen Gegenmassnahmen, wenn sie ihren König in seiner Macht beschränkten, und elf Monate später hiess es sogar: Wenn ihr dem Monarchen auch nur ein Haar krümmt, brennt Paris!

Das war das Signal zum zweiten, sehr viel radikaleren Umsturz, mit dem im August und September 1792 die ein Jahr zuvor etablierte Ordnung gestürzt wurde und nicht weniger als eine neue Welt mit einem neuen Menschen geschaffen werden sollte. Dass jetzt eine neue Zeit anbrach, machte schon ihre Zählung deutlich: Das Jahr 1 begann am 22. September 1791, die Monate erhielten nach dem Zyklus der Jahreszeiten und der Erntearbeiten neue Namen, so dass jetzt nicht mehr mit Bezeichnungen wie Juli und August römischen Tyrannen gehuldigt wurde, und an die Stelle der Woche traten Dekaden.

Im selben Geist wurden die Statuen von Königen des Alten Testaments und der französischen Geschichte an den Fassaden von Kathedralen geköpft und Kampagnen zur Entchristianisierung und zur Populärmachung eines neuen Kultus der reinen Vernunft lanciert. Die führenden Köpfe der zweiten Revolution wie Maximilien de Robespierre und Saint-Just wollten wie ihr vergötterter Weisheitslehrer Jean-Jacques Rousseau die vom Despotismus verformten und von sich selbst entfremdeten Franzosen nicht zu einem Volk zynischer Atheisten, sondern zu tugendhaften Deisten erziehen, die an einen gütigen Schöpfergott glaubten und dessen Willen in einer neuen, auf Gleichheit gebauten politischen und sozialen Ordnung umsetzten.

Erziehung, Tugend, Gleichheit: Damit sind drei der ideologischen Schlüsselbegriffe der zweiten Revolution genannt. Fehlt noch der vierte. Er lautet «terreur». Wenn die Tugend als Ansporn zur Umerziehung des Menschen zu einem sozialen und altruistischen und patriotischen Wesen nicht ausreichte, musste der Schrecken, materialisiert durch die Guillotine, seine heilsamen Wirkungen erzielen.

Massstab der Tugend war für die radikalen, nach ihrem Klublokal, einem ehemaligen Kloster, «Jakobiner» genannten radikalen Revolutionäre das Volk, verstanden als hart arbeitende Schicht von Handwerkern und Ladenbesitzern. In ihm waren laut Robespierre trotz allen Vergiftungserscheinungen durch eine perverse soziale und politische Ordnung die Keime des Guten, sprich: Solidarität, Fleiss, Vaterlandsliebe und Unbestechlichkeit, noch lebenskräftig.

Endstation Guillotine

Auf diesen Anlagen musste die neue Ordnung der egalitären Republik aufbauen. Das damit begonnene Menschheitsexperiment war für Robespierre und die anderen führenden Jakobiner, allesamt Bildungsbürger reinsten Wassers, die nie eine Werkstatt von innen gesehen hatten, das hohe Risiko eines Bündnisses mit den entfesselten Pariser Kleinbürgern wert, mochte die Revolution auch viele ihrer Kinder oder am Ende sogar sie alle fressen.

So gab es ab Juni 1793 in Paris drei spannungsreich interagierende Pole: die Sektionen der Sansculottes, den im September 1792 nach allgemeinem männlichem Wahlrecht gewählten Nationalkonvent und das Notstandskomitee des Wohlfahrtsausschusses, einer zwölfköpfigen Gruppe radikaler Jakobiner. Sie nutzten ihre Machtstellung dazu, den König zum Tode zu verurteilen, gemässigtere Gruppierungen ebenso wie radikale Atheisten auszuschalten und gleichfalls auf die Guillotine zu schicken und eine neue Ordnung zu errichten, die ihren und Rousseaus strengen moralischen Imperativen genügte.

In der Politik war Konsens, aber keine Opposition vorgesehen; wer Widerstand gegen die Mehrheit übte, galt als Verräter an der Volonté générale, am von Rousseau mystisch überhöhten, im Kern totalitären Gemeinwillen – Endstation Guillotine. Völlig neu aufgebaut werden sollte auch die wirtschaftliche Ordnung, und zwar nach den uralten Prinzipien einer volkstümlichen Ökonomie, die jetzt revolutionär umformuliert wurde, aber in ihrem Kern zutiefst traditionell und antimodernistisch blieb.

Oberste Priorität hatte das Überleben der Armen, also ein niedriger Brotpreis, der durch staatlich verhängte Obergrenzen gewährleistet werden sollte, Reichtum war asozial und musste zugunsten von Kleinbesitz, dem neuen Ideal, zerschlagen werden, niemand sollte mehr besitzen als für ein gesichertes Überleben, das eigene und das der anderen, nötig war. Das alles wurde zwar mit viel Pathos verkündet, doch die Zeit zur Umsetzung fehlte.

Denn die zweite Revolution ging an ihren militärischen Siegen zugrunde. Die auf der Basis der «levée en masse» organisierten Feldzüge schlugen das konservative Europa in Grund und Boden. Damit hatten Konvent und Wohlfahrtsausschuss ihre Schuldigkeit getan und konnten gehen – Robespierre und seine engsten Mitstreiter auf die von ihnen selbst so oft zur Ausschaltung ihrer ideologischen Gegner instrumentalisierte Guillotine –, und die Profiteure der revolutionären Besitzumschichtungen, die neuen Reichen, kamen im Juli 1794 wieder ans Ruder.

Unter dem Strich bleiben aus beiden Revolutionen allgemeine Schlüsse zu ziehen: Erstens: Revolutionen brechen am vorhersagbarsten aus, wenn eine wirtschaftlich prosperierende Sekundärelite am Aufstieg zur Gleichberechtigung mit der älteren, regierenden Führungsschicht gehindert wird. Zweitens: Die Ablösung einer alten Ordnung durch eine revolutionäre neue ist immer ein Sprung ins Unbekannte, sie setzt Dynamiken frei, die niemand auf der Rechnung hatte. Drittens: Revolutionen, die den Menschen ein neues Bewusstsein einpflanzen wollen, gehen an sich selbst zugrunde. Viertens: Revolutionen, die die Menschen umerziehen wollen, münden in eine Militärdiktatur – am Ende der französischen Revolutionen stand der Alleinherrscher Napoleon Bonaparte, am Ende der russischen der Despot Stalin.

Volker Reinhardt ist emeritierter Professor für allgemeine und Schweizer Geschichte der Neuzeit an der Universität Freiburg i. Ü.

Grosse Revolutionen

rib. Revolutionen prägen die Geschichte und verändern die Welt. Aber wie laufen sie ab? Was braucht es, damit sie ausbrechen? Was macht sie erfolgreich, was bringt sie zum Scheitern? Und welche Nebenwirkungen haben sie? In einer Reihe von Artikeln werden in den kommenden Wochen ausgewählte Revolutionen erzählt und die Frage gestellt, welche Folgen sie hatten. Am 2. August schreibt der Slawist Ulrich M. Schmid über die russische Revolution von 1917.

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