Der Spanier zeigt sich nach der Niederlage gegen Alexander Zverev gerührt vom Support seiner Fans. Der Spanier lässt die Anhänger hoffen, dass er seinen Rücktritt weiter verschiebt.
Der Zufall kann zuweilen ein riesiger Schweinehund sein. Er wollte, dass Rafael Nadal bei seiner möglicherweise letzten Rückkehr nach Roland-Garros gleich in der ersten Runde auf Alexander Zverev trifft.
Der 27-jährige Deutsche ist gerade dabei, zu alter Stärke zurückzufinden. Er hat in der laufenden Saison 29 seiner 38 Partien für sich entschieden und zuletzt das ATP-1000-Turnier in Rom gewonnen. In der Jahresrechnung ist nur der italienische Überflieger Jannik Sinner noch besser unterwegs als er.
Bis vor kurzem hätte der Mallorquiner eine solche Laune des Schicksals mit einem Schulterzucken hingenommen. Was soll ihm Zverev schon anhaben? Hier, in Paris, wo Nadal fast unschlagbar ist. Bis zur diesjährigen Austragung hat er an der Port d’Auteuil 112 seiner 115 Partien gewonnen. Verloren hat er bis am Montag einzig zweimal gegen Novak Djokovic und einmal gegen den Schweden Robin Söderling. 14 seiner 22 Major-Titel errang er hier.
Aber eben: Das ist Vergangenheit. Auch für Nadal bleibt die Zeit nicht stehen. Am kommenden Montag feiert er seinen 38. Geburtstag. Doch anders als zuletzt meist wird er das nicht auf jener Anlage tun, die ihn als Tennisspieler mehr geformt hat als jeder andere Court auf der Welt.
Das diesjährige Turnier endete für ihn bereits am Montag mit dem 3:6, 6:7, 3:6 gegen Zverev. Überraschend kam die Niederlage all der erdrückenden Dominanz zum Trotz, die er bisher in Paris gezeigt hat, nicht.
Wie Federer gegen Hurkacz?
Der Match gegen Zverev war erst Nadals zwölfter im laufenden Jahr. Körperliche Probleme hatten ihn während Monaten vom Tennisplatz ferngehalten. Selbst auf Sand fand er den Tritt bisher nicht. Vor knapp zwei Wochen verlor er in Rom in der zweiten Runde 1:6, 2:6 gegen den Polen Hubert Hurkacz.
Es ist jener Hurkacz, der vor drei Jahren in Wimbledon bereits die Karriere von Roger Federer beendet hatte. Doch das war im Viertelfinal gewesen und nicht in der ersten Runde. Nadal hat in zuvor 65 Major-Turnieren nur zweimal so früh im Turnier verloren. 2013 in Wimbledon gegen den Belgier Steve Darcis und 2016 am Australian Open gegen seinen Landsmann Fernando Verdasco.
Doch hier in Paris war das undenkbar – jedenfalls bis am Montag. Nadal wehrte sich trotz einem völlig missratenen Start vehement gegen die Niederlage. Er zeigte seine alten Qualitäten als Kämpfer, gab keinen Punkt vorzeitig verloren und biss sich richtiggehend in den Match hinein. Im Tie-Break des zweiten Satzes flog ein Ball einmal 19-mal über das Netz, ehe Zverev den Punkt für sich entschied. Kurz danach nutzte der Deutsche seinen zweiten Satzball zur 2:0-Satzführung.
Der Match war zu diesem Zeitpunkt noch nicht zu Ende – und doch im Prinzip schon entschieden. Zwei Stunden waren gespielt, und Nadal ist einfach noch nicht wieder in der physischen Verfassung, die gegen einen so formstarken Gegner wie Zverev nötig gewesen wäre.
Nach 3:05 Stunden war der Match zu Ende. Die Zuschauer und der Gegner erhoben sich zu einem stehenden Applaus. Dann tat Nadal etwas völlig Ungewöhnliches: Er schritt als Verlierer zum Mikrofon und bedankte sich beim Publikum für die frenetische Unterstützung. Vor den Augen seiner Frau Maria Francisca Parello und seines knapp zwei-jährigen Sohns auf der Tribüne sagte er: «Es ist noch nicht 100 Prozent sicher, doch ich weiss nicht, ob ich noch einmal hierhin zurückkehren werde.»
Die Chancen, dass Nadal noch einmal als Spieler auf dem Court Philippe-Chatrier antreten wird, sind deshalb gar nicht so klein, weil in gut zwei Monaten auf dem Sand von Roland-Garros das olympische Tennisturnier ausgetragen wird. Paris 2024 ist fester Teil seiner Planung, falls ihm der Körper die Teilnahme erlaubt.
Kommt Nadal noch einmal auf den Rücktritt zurück?
Nadal hatte zuletzt Andeutungen gemacht, die seine Fans Hoffnung schöpfen liessen, dass er noch einmal vom angekündigten Rücktritt absehen könnte. Vieles wird wohl davon abhängen, wie sein Körper in den kommenden Wochen und Monaten auf die Belastungen reagiert.
Anders als Stan Wawrinka, der am Sonntag in Paris sein Erstrundenspiel gegen Andy Murray gewonnen hat, wird der Mallorquiner aber kaum als Erinnerungsstück seiner selbst durch die Welt touren und Demütigung um Demütigung über sich ergehen lassen. Hierfür ist er zu stolz und sein Vermächtnis zu gross.
Nadal hat in den letzten Monaten viel in sein Comeback investiert. Er hat mehrere Rückschläge weggesteckt, um nochmals auf die Tennis-Tour zurückzukehren. Dass er es tatsächlich geschafft hat, rührte ihn im Interview selbst zu Tränen. Wer weiss, was geschehen wäre, wenn er nicht in der ersten Runde, sondern erst im Viertel- oder Halbfinal mit einigen Partien mehr in den Beinen auf Zverev getroffen wäre?
Nadals letzter Major-Sieg liegt mittlerweile zwei Jahre zurück. Seither hat er kaum mehr als ein paar Partien in Folge gespielt. Im Ranking liegt er zurzeit noch auf Platz 275. So will, so kann ein Rafael Nadal eigentlich nicht gehen. Deshalb bleibt ungewiss, ob die Niederlage gegen Zverev nun das Ende oder ein Neuanfang in Nadals Karriere gewesen ist.