Im Herbst 9 n. Chr. schlugen germanische Stämme unter Arminius drei römische Legionen vernichtend. Was genau geschah, ist bis heute unklar. Umso grösser der Mythos, der um die Schlacht entstanden ist.
Es regnete seit Tagen. Dazu herrschte starker Wind. Schon stundenlang waren die Legionäre in den Wäldern Germaniens unterwegs gewesen. Der Boden war morastig, die Männer rutschten aus bei jedem Schritt. Im Schlamm und auf den Leichen von Kameraden, die getötet worden waren. Pferdewagen und Ochsenkarren versanken im Dreck, die ganze Ausrüstung war durch und durch nass. Nicht einmal die Speere und die Bogen konnte man noch richtig benützen.
Auch die Schilde waren nutzlos geworden. Der Leinenstoff und das Leder, mit dem sie gepolstert waren, hatten sich mit Wasser vollgesogen. Die erschöpften Soldaten wurden von ihren schweren Rüstungen zu Boden gezogen und konnten sich kaum mehr bewegen. Geschweige denn kämpfen. Gegen die Barbaren, die von allen Seiten aus dem Dickicht auftauchten und sie beschossen, hatten sie keine Chance. Obwohl die römischen Legionen als Elitetruppen galten. Die beste und disziplinierteste Armee der antiken Welt.
So erzählt es der Geschichtsschreiber Cassius Dio, zweihundert Jahre nach dem Ereignis, das als Katastrophe in die römische Geschichte einging. Noch Jahrzehnte später war von der Varusschlacht die Rede: Ende September 9 n. Chr. gerieten römische Truppen in einen Hinterhalt und wurden von einer Fraktion germanischer Stämme unter Führung des Cheruskerfürsten Arminius geschlagen. Vernichtend geschlagen. Drei ganze Legionen wurden aufgerieben, es soll kaum Überlebende gegeben haben.
Publius Quinctilius Varus, der oberste Feldherr der drei Legionen, nahm sich noch auf dem Schlachtfeld das Leben, zusammen mit seinen Offizieren. Aus Angst, sie würden in Gefangenschaft geraten, wie Cassius Dio schreibt. Das war ein fatales Signal. Als die Soldaten davon hörten, habe keiner mehr Widerstand geleistet. Selbst die, die noch bei Kräften waren: «Die einen ahmten das Beispiel ihres Feldherrn nach, während die anderen ihre Waffen wegwarfen und sich vom Nächstbesten, der da wollte, töten liessen. Denn Flucht war unmöglich, wie sehr sie einer auch ergreifen wollte. Und so wurde jeder Mann und jedes Pferd niedergehauen, ohne dass man Gegenwehr fürchten musste, und die . . .»
Besuch am Tatort
Da bricht der Text ab. Die einzige Handschrift, in der dieser Teil von Cassius Dios Buch überliefert ist, hat eine Lücke. Was darin erzählt wurde, wissen wir nicht. Einen Teil davon kann man allerdings rekonstruieren. Aus den «Annalen» von Tacitus. Am Anfang des 2. Jahrhunderts, rund hundert Jahre nach der Varusschlacht, schildert der römische Historiker, wie Germanicus, der Adoptivsohn von Kaiser Tiberius, um 15 n. Chr. einen Feldzug nach Germanien unternahm. Mit acht Legionen war er unterwegs, im Gebiet zwischen Ems und Lippe.
Unterwegs soll er sich an die Niederlage des Varus erinnert haben. Und daran, dass man sich erzählte, die Überreste des Feldherrn und seiner Legionen lägen noch immer unbestattet im Gelände. Germanicus beschloss, den Tatort aufzusuchen und «den Kriegern und ihrem Führer die letzten Ehren zu erweisen». Aulus Caecina, ein verdienter Offizier, wurde mit einer Mannschaft vorangeschickt, um das unübersichtliche Waldgebiet zu erkunden und «Brücken und Dämme über die feuchten Sümpfe und trügerischen Moorwiesen anzulegen».
Die Männer arbeiteten sich vor und erreichten das Gelände. Die Überreste eines Lagers seien noch zu erkennen gewesen, schreibt Tacitus. Ein Graben, halb verfallene Wälle. Und mitten im Feld «bleichende Knochen, zerstreut oder in Haufen, je nachdem die Soldaten die Flucht ergriffen oder Widerstand geleistet hätten».
Daneben seien zerbrochene Waffen gelegen und Gerippe von Pferden. An den Baumstümpfen seien menschliche Schädel aufgehängt gewesen. Das deutete auf schreckliche Rituale hin, und die Vermutung bestätigte sich: «In den Hainen um den Kampfplatz standen die Altäre der Barbaren, an denen sie die Tribunen und Zenturionen geschlachtet hatten.» Überlebende der Niederlage – die es also doch gegeben zu haben scheint – hätten sich an das schaurige Ereignis erinnert: «Hier seien die Legaten gefallen», wussten sie zu erzählen, «und dort seien die Adler geraubt worden.»
«Trauer und Hass im Herzen»
Die Adler, das waren die Feldzeichen mit dem Bild des Legionsadlers. Sie zu verlieren war die grösste Schmach, die einem Feldherrn zustossen konnte. Bei der Varusschlacht waren die Adler aller drei Legionen verlorengegangen, und Arminius habe mit den Zeichen seinen Spott getrieben, erzählen Augenzeugen bei Tacitus. Sie konnten auch die Stelle zeigen, an der Varus verwundet wurde, wo er sich durch den Sturz ins Schwert das Leben nahm und wo die Barbaren Galgen aufgestellt und Martergruben ausgehoben hatten.
«Im sechsten Jahr nach der Niederlage», schliesst Tacitus die Szene, «bestattete das anwesende Römerheer die Gebeine der drei Legionen, ohne dass jemand erkennen konnte, ob er die sterblichen Überreste fremder Menschen oder seiner eigenen Angehörigen mit Erde bedeckte.» Man habe alle beerdigt, als ob sie Nahestehende gewesen seien, «mit wachsender Erbitterung gegen die Feinde, Trauer und Hass im Herzen».
Ob sich alles genau so abspielte, wie Cassius Dio und Tacitus berichten, lässt sich nicht überprüfen. Beide schrieben lange nach den Ereignissen. Sie hielten sich an die Darstellungen früherer Historiker, Cassius Dio hatte Zugang zu den Akten des kaiserlichen Archivs. Aber antike Geschichtsschreiber verstanden sich nicht als blosse Sachwalter historischer Fakten, sondern als Erzähler. Die Taten der Vorfahren sollten eindringlich geschildert werden, damit sich die Nachwelt ein Beispiel nehmen konnte. Am Heldenmut der Soldaten zum Beispiel, die für das Römische Reich ihr Leben liessen.
Was im September 9 n. Chr. genau geschah, ist bis heute nicht wirklich klar. Dass eine Schlacht stattfand, die zu den grössten Niederlagen des römischen Heers zählt, steht ausser Frage. Doch vieles bleibt offen. Nur schon, wo genau sich die Schlacht ereignete, ist nicht sicher. In die deutsche Geschichte eingegangen ist die Varusschlacht als «Schlacht im Teutoburger Wald». Das klingt nach einer klaren Angabe. Doch die stützt sich allein auf Tacitus, der ganz nebenhin erwähnt, die Ereignisse hätten sich «in Teutoburgensi saltu» zugetragen.
Spuren einer Schlacht
Doch damit ist das Problem nicht gelöst. Tacitus lokalisiert den Wald nicht näher, sondern spricht nur vage davon, dass die Truppen aus der Gegend zwischen Ems und Lippe nach Süden zogen. Weder Cassius Dio noch andere antike Historiker geben genauere Angaben zum Ort des Geschehens. Und das Gebiet, das heute als Teutoburger Wald bezeichnet wird, erhielt seinen Namen erst im 17. Jahrhundert durch den Geografen und Historiker Philipp Clüver. Er wollte einen historischen Bezug schaffen und war davon überzeugt, dass er den Ort der Schlacht gefunden habe.
Ganz unplausibel ist Clüvers Vorschlag nicht. Aber zwingend ist er auch nicht, und vor allem liessen sich im Teutoburger Wald keine archäologischen Spuren einer Schlacht finden. Ein Ereignis von den Ausmassen der Varusschlacht müsste Spuren hinterlassen: sterbliche Überreste von Menschen, Waffen, Münzen, Ausrüstungsgegenstände.
Moderne Historiker, Volkskundler und Altphilologen haben sich jahrhundertelang den Kopf darüber zerbrochen, wo die Truppen von Arminius und Varus aufeinandergetroffen sein könnten. Archäologen suchten in Äckern und Waldlichtungen nach Überresten, doch ohne durchschlagendes Resultat. Hunderte von Vorschlägen wurden gemacht, wo sich das Schlachtfeld befinden könnte, vom Wiehengebirge in Niedersachsen bis zum Sauerland.
Erst 1987 entdeckte der britische Offizier und Hobbyarchäologe Tony Clunn auf den Feldern von Kalkriese nordöstlich von Osnabrück Objekte, die darauf schliessen liessen, dass in der Region eine grössere militärische Auseinandersetzung stattfand. Römische Schleuderbeile zum Beispiel, vor allem aber Münzen. In den folgenden Jahren fanden sich bei Kalkriese mehrere tausend Fundstücke: Teile von Panzern, Waffen, Helme, Metallgegenstände. Und über tausend weitere Münzen, von denen keine später als im Jahr 9 n. Chr. geprägt wurde.
«Wie mitten im Frieden»
Einiges spricht dafür, dass die Niederlage der Römer unter Varus bei Kalkriese ihr Ende fand. Der Ort erinnert überraschend genau an die Verhältnisse, die Cassius Dio schildert: eine Senke, die von kleinen Wasserläufen durchzogen ist, der Boden von Wasser gesättigt. Schwierig zu durchqueren, bei Regen erst recht. Dazu ist das Gelände abgeschlossen. Auf der einen Seite vom Kalkrieser Berg, auf der anderen Seite von einem Moor. Dazwischen ein fünfzig bis hundert Meter breiter Streifen. Viel zu schmal, als dass eine römische Legion ihn passieren könnte. Aber ein perfekter Hinterhalt, um ein zahlenmässig überlegenes Heer zu überraschen.
Viel klarer wird das Geschehen dadurch freilich nicht. Aus den archäologischen Funden lassen sich Details rekonstruieren, über das grosse Ganze sagen sie wenig. Für den Ablauf der Ereignisse ist man nach wie vor auf die Geschichtsschreiber angewiesen, vor allem auf Cassius Dio.
Bei den Grabungen wurden auch Reste von Schanzen entdeckt. Ein mehrere hundert Meter langer Wall, aufgeschichtet aus Rasenstücken, Sandstein und Kalk, mit Holzpfosten befestigt. Möglich, dass es sich um ein Bollwerk handelte, hinter dem sich die Kämpfer des Arminius versteckten und von dem aus sie ihre Speere schleuderten. Auf Legionäre, die versuchten, sich aus der Enge zu befreien, ohne dass sie dem Speerhagel der Germanen entkommen konnten.
Er erzählt, Varus habe sich im September des Jahres 9 n. Chr. in Germanien befunden. Mit einem imposanten Heer: drei römische Legionen, dazu sechs Kohorten Hilfstruppen, die aus Soldaten bestanden, die kein römisches Bürgerrecht besassen, darunter auch Angehörige germanischer Stämme. Von der Weser aus bewegten sich die Truppen nach Westen, zum Winterlager am Rhein. Gemächlich, mit einem Angriff scheint man nicht gerechnet zu haben. «Wie mitten im Frieden», schreibt Cassius Dio, «führten sie viele Wagen und Lasttiere mit sich. Dazu begleiteten sie zahlreiche Kinder und Frauen und ein Tross mit Sklaven.»
Verrat
Publius Quinctilius Varus, der Oberbefehlshaber der römischen Truppen, war schon ein älterer Mann. Mitte fünfzig. Er hatte eine erfolgreiche Karriere als Provinzstatthalter in Afrika und Syrien hinter sich und zwei Jahre zuvor das Kommando über das für Germanien zuständige Heer übernommen. Seine diplomatische Erfahrung war gefragt. In Germanien herrschte trügerische Ruhe. Zu einer Provinz war das Gebiet rechts des Rheins nie geworden. Es war nicht gelungen, die Gegend zu befrieden und in die römische Verwaltung einzugliedern. Kleinere Aufstände waren nach wie vor an der Tagesordnung.
Varus versuchte wenigstens einzelne Stämme zu Abgaben zu bewegen, was zu Unmut führte. Dass drei Legionen mitten durch das Gebiet der germanischen Stämme zogen, sollte als Zeichen verstanden werden: Rom markierte Präsenz und unterstrich die Bereitschaft, die eigenen Interessen zu verteidigen.
Varus gegenüber stand ein junger Mann mit bemerkenswerter Vergangenheit. Arminius, etwa fünfundzwanzig Jahre alt, war der Sohn einer bedeutenden Familie der Cherusker, einer der Stämme, die das Gebiet Germaniens bewohnten. In der römischen Armee war er zum Soldaten ausgebildet worden, möglicherweise hatte er sogar das römische Bürgerrecht. Er wusste genau, wie die Legionen funktionierten, und kannte wohl sogar die Stärken und Schwächen der germanischen Truppen aus eigener Erfahrung.
Auch mit Varus war Arminius eng vertraut. Cassius Dio bezeichnet ihn sogar als «dauernden Begleiter und Tischgenossen» des Generals. Und die Cherusker waren mit den Römern verbündet. Sie stellten Männer für die Hilfstruppen des römischen Heeres, Arminius gehörte zu den Kommandanten. Er dürfte selbst Kohorten mit germanischen Soldaten geführt haben.
Warnung vor dem Feind
Was Arminius bewog, die Seite zu wechseln, kann man nur erahnen. Wahrscheinlich sah er die Chance gekommen, sich zum Anführer einer Koalition von Völkerschaften und Clans aufzuwerfen, die sich das germanische Siedlungsgebiet teilten. «Germania», wie die Römer das Gebiet rechts des Rheins nannten, war kein einheitliches Land. Die Menschen, die dort lebten, fühlten sich nicht als Germanen, sondern als Angehörige ihres Stamms: als Chatten, Marser, Brukterer, Cherusker, Sugambrer, Chamaven, Friesen oder Chauken.
Immerhin, es gelang Arminius, sie gegen die Römer zu einen. Und das römische Heer führte er mit einer List in die Irre. Er liess Varus die Warnung überbringen, ein Stamm im Norden bereite einen Aufstand vor. Varus änderte daraufhin die Marschroute, wohl um die Aufständischen im Vorübergehen aus dem Feld zu schlagen.
Damit war ein Teil von Arminius’ Plan schon aufgegangen. Varus scheint Arminius voll und ganz vertraut zu haben. Als er kurze Zeit später von einem anderen Fürsten der Cherusker gewarnt wurde, Arminius wolle ihn verraten, liess er sich nicht beirren. «Das Schicksal war stärker als die Entschlusskraft des Varus», schreibt Cassius Dio, «und hatte die Klarheit seines Verstandes völlig verdunkelt.»
Auf einem Teil des Weges begleitete Arminius die römischen Legionen mit seinen Hilfstruppen. Dann verliess er sie unter dem Vorwand, weitere Truppen zur Unterstützung zu holen. Tatsächlich traf er sich mit den Rebellen, die in der näheren Umgebung schon lange bereitstanden, und sie rüsteten sich gemeinsam zum Angriff.
Guerillataktik
Am nächsten Tag, das römische Heer war nach wie vor auf dem Weg nach Westen, griff Arminius an. Obwohl seine Mannschaft zahlenmässig weit unterlegen war, hatte er ein leichtes Spiel. Im engen, unübersichtlichen Waldgebiet konnten die Römer nicht in ihrer bewährten Schlachtformation kämpfen. Wie ein langer Tatzelwurm zogen die rund zwanzigtausend Mann an den Angreifern vorbei. Diese stiessen aus dem Hinterhalt zu und zogen sich immer wieder zurück, um weitere Angriffe zu starten, bevor sich die Römer neu formieren konnten.
Arminius hatte seine Lektion gelernt. Römische Legionäre durfte man nicht frontal angreifen, das wusste er. Im offenen Kampf waren sie überlegen. Aber wenn sie sich nicht in ihrer gewohnten Kampfordnung bewegten, waren sie machtlos, vor allem gegen Guerilla-Attacken in die ungeschützten Flanken. Dazu machte der mitgeführte Tross sie schwerfällig.
Drei Tage zog sich das Gemetzel hin. Am Abend des ersten Tages schafften es die Römer, das Heer zusammenzuführen und ein provisorisches Lager zu errichten. Am nächsten Morgen liessen sie den hinderlichen Tross zurück und steckten ihn in Brand. Varus entschied, auf dem eingeschlagenen Weg weiterzuziehen. Umzukehren schien ihm zu gefährlich. Das war konsequent. Vielleicht aber auch ein fataler Fehlentscheid.
Die Germanen liessen nicht ab. Am zweiten Tag kam es zu noch blutigeren Verlusten, mittlerweile hatten sich weitere Stämme angeschlossen, angezogen durch die Aussicht auf Beute: Pferde, Maultiere, Wagen, Waffen, Nahrungsmittel oder Luxusgüter. Die Verluste auf römischer Seite wurden immer grösser. Am dritten Tag kam das Ende. Die Legionäre, die überlebt hatten, liefen den Feinden direkt ins Schwert. Sie wurden eingekesselt und vernichtet.
«Gib mir meine Legionen wieder!»
Drei Legionen mitsamt Hilfstruppen kamen bei der Varusschlacht ums Leben: rund zwanzigtausend Mann. Das war schmerzlich, auch für Rom, das angesichts der Grösse des Reichs über eine relativ kleine Armee verfügte: Für rund dreieinhalb Millionen Quadratkilometer Fläche vom Euphrat bis zum Atlantik und von der Nordsee bis zur Sahara, auf denen etwa sechzig Millionen Menschen lebten, standen nur achtundzwanzig Legionen und Hilfstruppen bereit. Gut dreihunderttausend Soldaten. Das reichte gerade, um die Brennpunkte zu sichern.
Nach der Varusschlacht musste die Verteidigung im Norden und Osten des Reiches völlig neu organisiert werden. Der Kaiser war erschüttert. Nachdem er die Nachricht der Niederlage erhalten hatte, liess sich Augustus einige Monate lang die Haare wachsen und rasierte sich nicht. Immer wieder, schreibt sein Biograf Sueton, habe er den Kopf gegen die Tür geschlagen und gerufen: «Quinctilius Varus, gib mir meine Legionen wieder!»
Die Situation in Germanien blieb so instabil, wie sie gewesen war. Römische Feldherrn und Imperatoren wagten hin und wieder ein Geplänkel mit germanischen Stämmen und liessen sich dafür in Rom als Helden feiern, ohne dass es einen Grund dafür gegeben hätte. Wirklich befriedet wurden die Gebiete rechts des Rheins nie, auch wenn sich die kaiserliche Propaganda bemühte, regelmässig Erfolgsmeldungen zu veröffentlichen. «So lange wird Germanien nun schon besiegt», schrieb Tacitus rund hundert Jahre nach der Varusschlacht.
Arminius verschwand nach seinem Sieg in der Versenkung. Der Zusammenschluss der Stämme hatte keinen Bestand. Erst fünf Jahrhunderte später begann seine grosse Zeit wieder. 1515 stiess der Humanist Ulrich von Hutten auf die wieder entdeckten «Annalen» von Tacitus und las von ihm. Damit hatte er ein Argument gegen die Geringschätzung, die die italienischen Humanisten den «Deutschen» entgegenbrachten. Nördlich der Alpen, so deren Vorstellung, lebten nach wie vor nur Barbaren. Dem hielt Hutten Arminius entgegen, den er zum deutschen Nationalhelden stilisierte. Ein Freiheitskämpfer, der sich unerschrocken gegen die römische Übermacht gestellt – und gewonnen hatte.
«Das zwiefache Feuer»
Dass Arminius kein «Deutscher» war, weil es Deutschland zu seiner Zeit noch längst nicht gab, tat dem Erfolg von Huttens Konstrukt keinen Abbruch. Von den Reformatoren zu «Hermann» eingedeutscht, blieb der Cherusker eine wichtige Figur nationaler Besinnung. Kleist parallelisierte seinen Kampf gegen Rom mit dem Kampf Deutschlands gegen Napoleon, und im heldentrunkenen 19. Jahrhundert erhielt «Hermann der Cherusker» bei Detmold auf den Höhen des Teutoburger Waldes ein Denkmal. Bis heute die höchste Statue Deutschlands, die weit über das Land hin zu sehen ist.
Bei der Eröffnung des Denkmals im August 1875 wurde Arminius von einem der Festredner sogar in die Nähe von Christus gerückt: «750 Jahre hatte Rom die Welt geknechtet», sagte der Schriftsteller Moritz Leopold Petri, «da ging an zwei Enden der Welt das zwiefache Feuer an, das leuchten sollte, statt der untergehenden Sonne Roms. Dort an den Küsten Syriens das eine, hier in Teutoburgs Wäldern das andere».
Die grössten Schlachten der Geschichte
rib. In der Geschichte Europas wurden unzählige Schlachten geschlagen. Sie forderten Millionen von Toten und brachten unermessliches Leid über die Menschen. In den kommenden Wochen publizieren wir an dieser Stelle Essays, die sich mit grossen Schlachten befassen und fragen, wie diese die Geschichte bestimmten. In der NZZ-Ausgabe vom 19. April schreibt der deutsche Historiker Jörg Peltzer über die Schlacht bei Hastings.