Der russische Angriff auf die Ukraine hinterlässt tiefe Spuren in den Schweizer Bankbilanzen. Drei Jahre nach Kriegsbeginn sind die ursprünglich auf gut 150 Milliarden Franken geschätzten russischen Vermögen auf 12,9 Milliarden Franken zusammengeschrumpft.
Russische Gelder in der Schweiz sind seit der Annexion der Krim im Jahre 2014 ein Reizthema. Mit der Invasion Russlands in der Ukraine vor drei Jahren und den von der Schweiz nach anfänglichem Zögern übernommenen Sanktionen der EU geriet der Finanzplatz Schweiz erst recht in den Fokus. Guthaben von sanktionierten russischen Oligarchen wurden eingefroren, Liegenschaften und Luxusgüter gesperrt. Dennoch blieb die Schweiz als Hort von Russengeldern international in den Schlagzeilen und erntete viel Kritik dafür. Das scheint sich nun geändert zu haben.
Schätzung von 150 Milliarden Franken
Aufsehen erregte eine Schätzung der Schweizerischen Bankiervereinigung, wonach hiesige Finanzinstitute Vermögenswerte russischer Staatsangehöriger von über 150 Milliarden Franken verwalten. Die grosse Differenz zu den 7,1 Milliarden Franken, die zurzeit unter dem Sanktionsregime gesperrt sind, förderte den Verdacht, die Schweiz setze die Sanktionen ungenügend um.
Den Vorwurf der US-Behörden wies das für die Umsetzung der Sanktionen zuständige Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) zurück. Ein Vergleich zwischen dem Total der russischen Vermögen in der Schweiz und der Höhe der gesperrten Guthaben sei unzulässig, weil der Löwenanteil der russischen Vermögen nicht den Sanktionen unterliege.
Harte statistische Daten zum Russlandgeschäft des Finanzplatzes sind nach wie vor Mangelware. Eine Quelle ist die Ukraine-Verordnung, mit der sich der Bundesrat am 28. Februar 2022 den Russland-Sanktionen der EU anschloss. Eine der zahlreichen Massnahmen ist ein Einlageverbot für russische Staatsangehörige und Unternehmen.
Konkret ist es Finanzinstituten verboten, Einlagen von russischen Staatsangehörigen oder in Russland niedergelassenen natürlichen und juristischen Personen entgegenzunehmen, sofern der Gesamtwert der Einlagen pro Person 100 000 Franken übersteigt. Bestehende Einlagen über 100 000 Franken mussten dem Seco erstmals bis zum 3. Juni 2022 in aggregierter Form gemeldet werden. Seither müssen sie dem SECO jährlich gemeldet werden.
Russische Kundschaft zieht sich zurück
Die erste Erhebung ergab einen Stand der russischen Vermögen von 46,1 Milliarden Franken. Auf Anfrage der NZZ gab das Seco nun die weitere Entwicklung bekannt. Demnach wurden 2024 noch 3358 Geschäftsbeziehungen mit einer Summe von 12,9 Milliarden Franken gemeldet. Im Vergleich zu 2022 entspricht dies einem Rückgang von 72 Prozent. Die Zahl der Geschäftsbeziehungen fiel gleichzeitig auf weniger als die Hälfte.
Auch diese Statistik ist insofern unvollständig, als natürliche Personen mit Staatsangehörigkeit in der Schweiz oder eines EWR-Mitgliedstaats sowie Personen, die über einen befristeten oder unbefristeten Aufenthaltstitel der Schweiz oder eines EWR-Mitgliedstaats verfügen, vom Einlageverbot und der Meldepflicht ausgeschlossen sind. Die 12,9 Milliarden Franken können deshalb nicht mit der Höhe aller in der Schweiz gehaltenen Gelder mit russischem Ursprung gleichgesetzt werden.
Zu den Gründen für den massiven Rückgang der russischen Einlagen gibt es keine gesicherten Informationen. Die Betroffenen haben das Recht, ihr Geld von den Schweizer Banken abzuziehen. Die Banken können ihrerseits solche Geschäftsbeziehungen aus Risikoüberlegungen schliessen.
Die Bankiervereinigung erklärte auf Anfrage, man verfüge über keine eigenständigen Datenquellen zu den Kunden der Mitglieder beziehungsweise den von ihnen verwalteten Kundenvermögen. Deshalb seien auch keine Aussagen über die Hintergründe der Entwicklung möglich. Die Schweizer Banken hielten sich jedoch strikt an alle geltenden Gesetze und Massnahmen, einschliesslich der Sanktionen von schweizerischen, internationalen und supranationalen Gremien.