Der Prozess gegen Woislaw Torden zeugt von den Abgründen der Menschheit. Und davon, dass manchmal doch die Gerechtigkeit siegt.
Ein Dorf in der Provinz Luhansk im September 2014. Russische Milizen führen seit einem halben Jahr einen Krieg im Donbass. An einer Kreuzung weht eine ukrainische Flagge. Ein Lastwagen des ukrainischen Freiwilligenbataillons Ajdar nähert sich, hält an. Die Soldaten denken, dass es sich um einen Checkpoint handelt. In Wahrheit ist es eine Falle.
Die Kreuzung wird von russischen Neonazis kontrolliert. Sie schiessen aus dem Hinterhalt auf die unvorbereiteten Ukrainer, eine Rakete trifft den Lastwagen. Mehrere Verwundete werden von den Russen erschossen, verstümmelt. Einer der russischen Nazis ritzt einem der getöteten Soldaten ein achtgliedriges Hakenkreuz in die Wange. Es ist das Emblem der rechtsextremen Rusitsch-Miliz.
Beim Angriff werden 22 Ukrainer getötet und 4 verletzt. Die Russen machen Fotos von den Leichen und Verwundeten und verbreiten diese später im Internet. Einer der Täter: Jan Petrowski, der sich heute Woislaw Torden nennt.
Propagandavideos als Beweis
Im Frühjahr 2025 steht Woislaw Torden – 38, blonde lange Haare, muskulöse Statur – vor dem Bezirksgericht in Helsinki, angeklagt wegen fünf Kriegsverbrechen. Laut der Anklage führte Torden die Rusitsch-Kämpfer beim Angriff im September 2014 als Hilfskommandant an. Die Staatsanwaltschaft fordert eine lebenslange Gefängnisstrafe.
Torden wurde im Juli 2023 am Flughafen von Helsinki festgenommen, als er mit seiner Frau nach Nizza fliegen wollte. Finnland lehnte ein ukrainisches Auslieferungsersuchen ab, mit der Begründung, dass Torden keinen fairen Prozess erhalten würde und die Bedingungen in den ukrainischen Gefängnissen schlecht seien.
Im Prozess beteuert Torden seine Unschuld und bestreitet alle Anklagepunkte. Die achtgliedrigen Hakenkreuze an seinem Handgelenk und seinem Oberarm – das gleiche Symbol, welches im Gesicht eines der Opfer gefunden wurde – hat er im Gerichtssaal unter einem langärmligen T-Shirt versteckt.
In Videos, die nach dem Massaker veröffentlicht wurden, sind die Symbole deutlich zu sehen. Vor der Kamera prahlt Torden mit den Kriegsverbrechen. In einem Ausschnitt, das der finnische Sender Yle veröffentlicht hat, stellt er sich als Hilfskommandant der Rusitsch vor. Er sagt: «Ukrainische Nationalisten muss man ohne Skrupel zerstören. Sie sind unser schlimmster Feind.» In einem anderen Video sagt er: «Es gibt keine Gnade, es gibt keine Gefangenen.»
Urteil mit Signalwirkung
Ende März spricht das Gericht Torden in vier Anklagepunkten schuldig und verurteilt ihn zu einer lebenslangen Gefängnisstrafe. Bemerkenswert ist, dass das Gericht Torden wegen der Tötung eines Ukrainers und der Verstümmelung einer Leiche mit dem Emblem der Rusitsch verurteilt hat, obwohl es zum Schluss kam, dass Torden die Männer nicht selbst erschossen beziehungsweise verstümmelt hatte.
Wegen seiner Führungsfunktion sei er dennoch für die Taten verantwortlich, denn er habe sie nicht verhindert, folgern die Richter. Sie verurteilen Torden zudem für die Aufnahme und Verbreitung von erniedrigenden Bildern von getöteten Soldaten und für die Videos, in denen er sich mit der Gnadenlosigkeit der Rusitsch brüstet. Nicht erwiesen werden konnte, wer den eigentlichen Hinterhalt organisiert hatte, denn vor Ort waren neben der Rusitsch noch andere russische Milizen.
Es ist das erste Mal, dass ein finnisches Gericht über Kriegsverbrechen in Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine zu urteilen hat. Das Urteil hat Signalwirkung, denn es zeigt, dass russische Kriegsverbrecher auch ausserhalb der Ukraine für ihre Taten belangt werden können. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Torben hat angekündigt, den Gerichtsentscheid weiterzuziehen.