Moskau will einen internationalen Dialog aus Genf verlegen, wegen der Ukraine-Konferenz. Druckversuche dürften mit der Neutralitätsinitiative noch zunehmen.
Die Russen betrachten die geplante Ukraine-Konferenz auf dem Bürgenstock mit Argwohn. Ein Treffen ohne Russland werde bloss eine weitere Runde fruchtloser Konsultationen bedeuten, hielt die russische Botschaft in Bern in einer Stellungnahme fest. Vor kurzem doppelte die Sprecherin des Aussendepartements, Maria Zakharova, in Moskau nach. Die Schweiz habe in den letzten Monaten «gewisse destruktive Initiativen» wie die internationale Konferenz zur Ukraine gefördert, sagte sie. Das Vorhaben sei komplett realitätsfremd.
Zakharova verwies auch auf die Diskussion um die Konfiszierung von eingefrorenen russischen Staatsvermögen und die Übernahme der EU-Sanktionen. «Wir haben Bern vor über einem Jahr gewarnt, dass die Fortsetzung dieser Politik dazu führen könnte, dass Russland sein Vertrauen in die Schweiz als redliche Vermittlerin verliert.» Leider habe es diese versäumt, die russischen Bedenken zu berücksichtigen.
Alternative zu Genf gesucht
Russland droht deshalb mit Konsequenzen. Man wolle die Genfer Gespräche über den Südkaukasus in ein Land verlegen, das keine Handlungen vornehme, die den Interessen einer beteiligten Partei schaden könnten, sagte Zakharova. Es gebe verschiedene Alternativen. Im Rahmen der Genfer Gespräche diskutieren Russland und Georgien seit dem Jahr 2008 regelmässig über die Folgen des Konflikts, unter der Ägide der OSZE. Die Schweiz vertritt als Schutzmacht die russischen Interessen in Georgien und umgekehrt.
Ein Sprecher des Aussendepartements in Bern nahm auf Anfrage bloss allgemein Stellung. Die Schweiz sei überzeugt, dass nur der Dialog zu dauerhaften Lösungen führe, sagte er. Man setze sich dafür ein, dass Delegationen in Genf oder anderswo unter den bestmöglichen Bedingungen arbeiten könnten.
Es ist nicht das erste Mal, dass Russland öffentlich damit spielt, die Gespräche über den Südkaukasus aus Genf zu verlegen. Schon im Jahr 2022 beharrte es zunächst auf einem «neutralen Ort». Dennoch erfolgten die Gespräche weiterhin in der Rhonestadt, zuletzt Anfang Monat – zum 60. Mal.
Gespräche über Atomwaffenvertrag abgesagt
Auch im November 2022 liess Russland die Schweiz ihre Verärgerung spüren. Auf Insistieren Moskaus sollte der Dialog über den Atomwaffenvertrag New Start mit den USA in Kairo statt in Genf stattfinden. Doch das geplante Treffen in der ägyptischen Hauptstadt fiel aus. Russland habe die Gespräche verschoben, ohne Gründe anzugeben, berichtete die Nachrichtenagentur Reuters. Das Interesse schien ohnehin gering zu sein: Im Februar 2023 gab Präsident Wladimir Putin bekannt, dass Russland die Teilnahme an New Start suspendiere.
Beobachter rechnen damit, dass Russland die Schweiz verstärkt unter Druck setzen wird, sobald die Neutralitätsinitiative in die heisse Phase kommt. Das Organisation Pro Schweiz und die SVP haben vergangene Woche die Unterschriften eingereicht. Das Volksbegehren will verhindern, dass die Schweiz künftig EU-Sanktionen übernehmen kann, wie sie es im Falle Russlands und von weiteren Staaten getan hat. Moskau hat den Schritt wiederholt scharf kritisiert.
Eine Rolle dürfte auch spielen, dass es für russische Diplomaten komplizierter geworden ist, nach Genf zu kommen. Die Schweiz hat ihren Luftraum für Flüge aus Russland gesperrt, nachdem dieses im Februar 2022 die Ukraine angriff – wie auch die EU. Die Vertreter Russlands müssen deshalb über Istanbul fliegen. Zudem habe die Schweiz die Visabestimmungen verschärft, kritisierte der russische Uno-Botschafter in Genf gegenüber der Westschweizer Zeitung «Le Temps».
Die Schweiz hat im Ausnahmefall zwar schon ihren Luftraum geöffnet. Im November 2022 landete etwa ein russisches Regierungsflugzeug mit dem Vizeaussenminister in Genf, der an Verhandlungen teilnahm. Dies ist jedoch aufwendig, da es dafür eine Freigabe aller involvierter Schengen-Staaten braucht.