Präsident Putin reagiert mit einer Militärübung auf westliche Gedankenspiele zu Bodentruppen für die Ukraine. Moskaus Propaganda-Apparat hat dabei die Öffentlichkeit im Westen im Blick.
Der russische Präsident Wladimir Putin und seine Entourage haben seit dem Beginn des Kriegs gegen die Ukraine immer wieder demonstrativ in Erinnerung gerufen, dass Russland eine Atommacht ist. Vor Jahresfrist entspann sich sogar eine vorwiegend akademische Debatte über den Nutzen eines präventiven Atomschlags gegen ein Nato-Land. Propagandisten fordern regelmässig die Führung dazu auf, es dem «kollektiven Westen» endlich zu zeigen. Sie ergötzen sich an der Vorstellung eines zerstörten Paris oder der gänzlich ausgelöschten Britischen Inseln.
Westliche Gesellschaften damit einzuschüchtern, ist mindestens so sehr Ziel, wie der russischen Öffentlichkeit die eigene Entschlossenheit vorzuführen. Beides steckt auch hinter einer Ankündigung des russischen Verteidigungsministeriums vom Montag, einen Tag vor dem offiziellen Beginn von Putins fünfter Amtszeit. Am 9. Mai wird zudem mit viel Pomp des Sieges über das nationalsozialistische Deutschland gedacht – ein Feiertag, der im Kontext des Ukraine-Krieges zusätzlich martialisch aufgeladen ist.
Aber die neuste Ankündigung geht über frühere hinaus. Die Raketenverbände des südlichen Militärkreises – dieser grenzt an das Kriegsgebiet in der Ukraine an – würden auf Befehl Putins zusammen mit der Luftwaffe und der Kriegsmarine in Kürze Manöver durchführen, mit denen die Bereitschaft der nichtstrategischen Atomwaffen erhöht werden solle. Deren Einsatz soll dabei geübt werden. Explizit verstehen das Verteidigungsministerium und der Kreml diese Übungen als Reaktion auf «provokative Äusserungen und Drohungen» einzelner westlicher Politiker. Sie sind also eine Warnung, zumal Übungen mit taktischen Atomwaffen selten sind.
Ärger über Macron und Cameron
Putins Sprecher Dmitri Peskow bekräftigte gegenüber russischen Journalisten, gemeint seien Stellungnahmen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron, britischer und amerikanischer Politiker. Macron hatte wiederholt davon gesprochen, der Einsatz westlicher Bodentruppen in der Ukraine zur Abwehr der russischen Aggression dürfe nicht ausgeschlossen werden.
Vergangene Woche hatten Aussagen des britischen Aussenministers David Cameron, mit denen er den Einsatz britischer Waffensysteme gegen Ziele auf russischem Territorium billigte, in Moskau für Aufregung gesorgt. Die Sprecherin des russischen Aussenministeriums hatte daraufhin «zerstörerische Vergeltung» auf Ziele in Westeuropa angedroht. Am Montag wurden die Botschafter Grossbritanniens und Frankreichs in Moskau ins Aussenministerium zitiert.
Aus russischer Sicht heizt der Westen auf unverantwortliche Weise den Krieg in der Ukraine an und riskiert damit einen direkten Zusammenstoss mit den vorrückenden russischen Truppen. Russische Kriegspropagandisten beklagen, Russland reagiere immer nur auf die immer weitreichendere Beteiligung des Westens am Krieg, und auch diese Reaktionen seien viel zu harmlos. Angriffe auf Ziele in der Ukraine beeindruckten im Westen niemanden. Russland müsse selbst proaktiv handeln.
Warnung vor Apokalypse
Die europäische Bevölkerung werde erst realisieren, worauf sie sich eingelassen habe, wenn sie selbst mit Zerstörung und Leid konfrontiert sei, heisst es in nationalistischen Telegram-Kanälen. Die Militärübungen mit nichtstrategischen, also taktischen Atomwaffen begrüssten die Propagandisten ausdrücklich als Warnsignal; auch einem Atomtest könnten sie etwas abgewinnen.
Noch einen Schritt weiter ging der frühere russische Präsident Dmitri Medwedew. Sollte die Nato tatsächlich Truppen in die – wie er schrieb – «frühere Ukraine» entsenden, führe das zum direkten Kriegseintritt dieser Staaten. Die «total degradierte herrschende Klasse im Westen» werde sich dann nicht im Capitol, im Élysée-Palast oder an 10 Downing Street verstecken können; eine Katastrophe für die ganze Welt werde eintreten.






