Die Kürzung der Investitionen in den USA ist wegen der Ablehnung von US-Präsident Donald Trump gegenüber Windenergie unvermeidbar. Aktionäre erhalten jedoch zu wenig Klarheit über den Plan B von CEO Markus Krebber.
Geschätzte Leserin, geschätzter Leser
Der Energieversorger RWE kürzt sein Investitionsprogramm bis 2030 um 10 Mrd. €, wie er heute Donnerstag (20.3.) mitteilt. Seit 2024 sollen es nun noch 45 Mrd. € werden. 10 Mrd. € davon hat RWE bereits 2024 investiert. Das Investitionsumfeld sei unsicherer geworden, sagt RWE-CEO Markus Krebber. Relevante Investitionen in US-Offshore-Windparks sehe er nicht mehr bis 2030.
Der Hauptgrund für den Rückzieher bei den Investitionen: US-Präsident Donald Trump hasst Windräder. Mit einem Erlass hat er gleich nach Amtsantritt alle Neugenehmigungen auf dem Gebiet der Zentralregierung gestoppt. Die neue US-Regierung will auch bestehende Genehmigungen prüfen bei Windkraftprojekten, deren Bau noch nicht begonnen hat.
Mehrere grosse Parks vor den US-Küsten hatte RWE geplant. Nun fährt der Konzern die Aktivitäten auf ein Minimum herunter, um die Lizenzen nicht zu verlieren. Strafzahlungen für bestellte Investitionsgüter seien immerhin nicht zu befürchten, sagte Finanzchef Michael Müller. Für Batteriespeicher und Windparks an Land, die meist nicht auf Flächen der Zentralregierung stehen, ist er optimistischer.
RWE kommt nicht von der Stelle
Ich hatte RWE am 14. Oktober zum Kauf empfohlen, ausdrücklich aufgrund des wachsenden Stromverbrauchs in den USA und der Nachfrage von Technologiekonzernen nach grünem Strom für ihre Rechenzentren. Seinerzeit stand der Aktienkurs bei knapp 32 €. Nach dem Verlust von 4% bis Donnerstagmittag liegt der Kurs wieder dort. Es ist nun sinnvoll, diese Empfehlung zu hinterfragen. Auch wenn das Jahresergebnis 2024 und der Ausblick für 2025 die Analystenerwartung durchaus erfüllt haben.
Offene Frage: Was wird mit den frei werdenden Milliarden?
Die Kürzung der Investitionen ist vernünftig (wenn nicht sogar unvermeidlich) angesichts der ablehnenden Haltung von Trump gegen Windkraft. Erklärungsbedürftig und von aussen kaum verständlich ist, wie Krebber trotz der erheblich niedrigeren Investitionen die mittel- und langfristigen Ergebnisziele erreichen will. RWE strebt ein bereinigtes Ergebnis pro Aktie von 3€ für 2027 und 4 € für 2030 an.
Schwierig für Aktionäre ist, dass Krebber und Müller wenig Konkretes darüber sagen, was ihr Plan B für die Kapitalallokation ist. Einfach gefragt: Was macht RWE jetzt mit den nicht mehr für Investitionen einsetzbaren Milliarden?
«Weniger Investitionen führen zu weniger Cashflow und damit auch zu weniger Investitionsmöglichkeiten, bei gleichem Kreditrating», sagt Müller. Wegen der gestiegenen Unsicherheit senkt er das obere Ziel für das Verhältnis von Nettoschulden zum Ebitda von 3 bis 3,5 auf nurmehr 3. «Wir werden schon dieses Jahr nah an die 3 herankommen durch das Fortschreiten von Projekten im Bau wie den Offshore-Windparks in Europa und Onshore-Projekten in den USA.» Die Kürzung der Investitionen soll den Schuldenabbau finanzieren. «Ein grosser Teil dieses Geldes fliesst in weniger Verschuldung», sagte Müller.
Die Dividende für 2024 will RWE nur um 10 Cent oder 10% auf 1.10 € pro Aktie erhöhen. Für das laufende Geschäftsjahr hat das Unternehmen eine prozentual noch geringere Erhöhung um abermals 10 Cent angekündigt.
Zähe Diskussion um neues Aktienrückkaufprogramm droht
Mitte November 2024 hatte der Konzern erstmals ein Aktienrückkaufprogramm angekündigt, im Volumen von 1,5 Mrd. €. Damit erfüllte er eine Forderung vieler RWE-Investoren wie Covalis Capital und Selwood Capital aus London. «Das Aktienrückkaufprogramm wird die Investitionen um 2 Mrd. € verringern», sagt Finanzchef Müller. Das Rückkaufprogramm laufe bis 2026.
Die Investitionen für 2025 sind bereits weitgehend beschlossen. Finanziellen Spielraum hat RWE erst wieder ab 2026, so die Argumentation der Unternehmensführung. «Aktienrückkäufe gehören ganz klar zur Allokationsstrategie», sagte Finanzchef Müller am Rande der Bilanzpressekonferenz. CEO Krebber sprach auch davon, dass der Konzern die Entscheidung der neuen Bundesregierung abwarte, wie viele Gaskraftwerke zur Stabilisierung des Stromnetzes gebaut werden sollen. Hier würde RWE investieren.
Es wäre jedoch trotz der Unsicherheit schon jetzt möglich, den Aktionären mehr Orientierung zu geben. Die Analysten von Bank of America hatten bereits am 20. Februar vorhergesagt, dass RWE 10 Mrd. € neu allozieren könnte. Sie gingen noch von Investitionen im Volumen von 50 Mrd. € bis 2030 aus. Doch auch bei dieser nur halb so grossen Reduktion der Investitionen wie nun angekündigt hielten sie 2 Mrd. € für ein weiteres Aktienrückkaufprogramm für möglich. Diese Erwartung haben Krebber und Müller nun zunächst enttäuscht. Es droht eine monatelange, quälende Diskussion mit jenen Investoren, die eine höhere Ausschüttung fordern.
Anleger sollten das RWE-Management zum Vorbild nehmen
Vorsichtige Investoren sollten wegen der eingetrübten Geschäftsaussichten in den USA ihre Aktien verkaufen. Die Unternehmensführung gibt zu wenig Orientierung darüber, wie es nach dem sinnvollen Kürzen der US-Investitionen weitergehen soll.
Mutige können darauf spekulieren, dass RWE in den kommenden Monaten ein weiteres Aktienrückkaufprogramm ankündigt. Zwingen können die Anleger das Management dazu allerdings nicht: Mehr als 14% der Aktien liegen bei Kommunen in Nordrhein-Westfalen, die in einer Aktionärsvereinigung organisiert sind, und weitere 9% bei der Qatar Investment Authority, die bislang auch wenig Neigung zu Kritik an der Geschäftsführung erkennen lassen hat.
Nicht nur CEO Krebber und Finanzchef Müller haben das gute Recht, bei allzu grosser Unsicherheit nicht zu investieren. Anleger sollten es ihnen gleichtun.
Freundlich grüsst im Namen von Mr Market
Mark Böschen