Der deutsche Versorger erfüllt eine Forderung von Investoren und kauft als unterbewertet erachtete eigene Aktien vom Markt. Er kürzt Investitionen in US-Offshore-Windparks. Doch der Hunger von Tech-Konzernen auf Ökostrom für die vielen neuen Rechenzentren bleibt gross.
Die Aktien des Versorgers RWE gehörten am Mittwoch zu den grössten Gewinnern im Dax und stiegen bis zum Mittag um 7,7%. Durch den Kurssprung hat der Kurs das Niveau von Anfang Oktober wieder erreicht. Das ist bemerkenswert, denn RWE will viele Milliarden in Windkraft- und Solarprojekte investieren, vor allem in den USA. Die steigende Wahrscheinlichkeit des nun bestätigten Wahlsiegs von Donald Trump hatte den RWE-Kurs im Oktober zeitweise von mehr als 32 auf weniger als 29 € einknicken lassen. Nun schoss er wieder deutlich über 32 €.
RWE liegt seit Jahresanfang weit hinter den Rivalen
Trump hatte bei seinen Wahlkampfveranstaltungen immer wieder angekündigt, den Bau von Windparks auf See zu stoppen. «Wir werden sicherstellen, dass das an Tag 1 aufhört. Ich werde das in einer Executive Order festschreiben», hatte er im Mai angekündigt.
Die Anleger haben gute Gründe, dennoch auf RWE zu setzen. The Market hält die Titel weiterhin für attraktiv, denn das Unternehmen ist ein verkannter Profiteur des Booms von künstlicher Intelligenz und Rechenzentren. In der Telefonkonferenz für Journalisten zum dritten Quartal bekräftigte RWE-Finanzchef Michael Müller einige Faktoren, die für ein weiter profitabel wachsendes Geschäft des Versorgers sprechen.
In den USA seien die Bedingungen weiter gut, sagt Müller: «Wir haben starke Nachfrage in den USA nach grünem Strom, unter anderem durch Rechenzentren.» Die Tech-Konzerne benötigen diese Rechenzentren, um den Kunden die Nutzung der künstlichen Intelligenz (KI) zu ermöglichen. Unternehmen wie Google und Microsoft haben sich verpflichtet, schon binnen weniger Jahre klimaneutral zu werden. Deshalb brauchen sie grosse Mengen an Ökostrom. Dafür unterzeichnen sie langfristige Lieferverträge (Power Purchase Agreements, PPA) mit Versorgern wie Constellation Energy, Vistra oder eben mit RWE.
Langfristiger Stromliefervertrag mit Facebook-Mutter Meta
«Wir haben dieses Jahr bereits PPA für 2,1 GW abgeschlossen», sagt Müller. «Im August sind weitere Verträge mit Meta und Rivian hinzugekommen.» Der Mutterkonzern von Facebook und Meta setzt stark auf KI. Der Elektroautohersteller Rivian, in den Volkswagen bis zu 5,8 Mrd. € investieren will, benötigt grünen Strom für sein Netz an Ladestationen. Die Verkehrswende ist ein weiterer Faktor, der den Strombedarf steigert und den auch Trump nicht völlig aushebeln kann.
«Allerdings ergeben sich durch den Regierungswechsel Risiken für Windprojekte», räumt Müller ein. Ein geplantes Offshore-Windprojekt vor der US-Ostküste benötigt noch Genehmigungen. Aufgrund der gestiegenen Unsicherheit in diesem Geschäft senkt RWE die Investitionen in den Jahren 2025 und 2026. In jedem der beiden Jahre werde RWE jeweils 7 Mrd. € investieren. Das sind 1 Mrd. € weniger als die rund 8 Mrd. €, die sich aus dem Plan namens Growing Green ergeben hätten: Der sah vor, bis 2030 insgesamt 55 Mrd. € in Erneuerbare-Energie-Projekte zu investieren, 35% davon in den USA. Nun werden es eher 53 Mrd. €: Die nun gestrichenen insgesamt 2 Mrd. € an Investitionen würden in den Folgejahren bis 2030 vermutlich auch nicht nachgeholt, sagt der Finanzchef.
Bleibt das Risiko, dass auch andere Wachstumsgeschäfte wie der Bau und Betrieb neuer Solarkraftwerke und Onshore-Windparks weniger profitabel werden könnten, falls die Trump-Regierung die Förderung dafür streichen sollte, die vor allem im Inflation Reduction Act vorgesehen ist. Müller verwies darauf, dass das Bestandsgeschäft ohnehin nicht betroffen sei. Der Bedarf an Ökostrom sei ungeachtet dieser Unsicherheit gross und werde weiter wachsen.
Aktienrückkauf befriedet anspruchsvolle Investoren
RWE hatte bereits am Dienstagabend ein Aktienrückkaufprogramm im Volumen von 1,5 Mrd. € angekündigt. Eine solche Massnahme hatten Investoren wie Covalis Capital und Selwood Capital aus London seit Monaten befürwortet. Der Rückkauf soll noch im laufenden Jahr beginnen und innerhalb von 18 Monaten abgeschlossen werden, vorbehaltlich einer erneuten Ermächtigung zum Rückkauf eigener Aktien durch die Hauptversammlung am 30. April 2025. Es ist beabsichtigt, die zurückgekauften Aktien einzuziehen. Ausserdem zahlt RWE für 2024 eine Dividende von 1.10 € je Aktie, ein Plus von 0.10 €.
«Mit dem Aktienrückkaufprogramm reagieren wir auf das veränderte regulatorische Umfeld und schaffen Wert für unsere Aktionäre», begründet Müller den lange geforderten Schritt. Die RWE-Führung kommt damit den Anlegern entgegen, die aufgrund des mehrjährigen Investitionsprogramms viel Geduld aufbringen müssen. Die hohen Investitionen und vorübergehend stark gesunkenen Energiepreise lasten schwer auf dem Ergebnis des Konzerns – trotz der langfristig erfreulichen Aussichten.
Solche Rückkäufe würden wegen der niedrigen Aktienbewertung auch aus Sicht des RWE-Managements sinnvoll, liess Konzernchef Markus Krebber Ende September in einem Kamingespräch bei der US-Investmentbank Jefferies erkennen. Der Markt schreibe der Projektpipeline von RWE nur wenig Wert zu, sagte er. Daher sei es attraktiver, den Anteil grüner Energie durch Rückkäufe zu steigern, als das Kapital für neue Kraftwerke auszugeben.
Durch die starke Nachfrage der Tech-Konzerne und durch den angekündigten Aktienrückkauf trotzt die RWE-Führung der Unsicherheit für einen Teil ihres Wachstumsgeschäfts, welche der Wahlsieg Trumps ausgelöst hat. Der jüngst starke Kursanstieg zeigt, dass die Investoren diese Strategie goutieren.