Mit dem Vorschlag, Schwarztee heisse Milch und Salz zuzufügen, hat eine amerikanische Chemikerin in Grossbritannien Empörung geerntet – und hektische diplomatische Interventionen provoziert.
Eigentlich wussten es die Britinnen und Briten schon immer: Seit der Unabhängigkeit 1776 sind die USA zwar zur Supermacht aufgestiegen, gewisse zivilisatorische Rückschritte hat dies aber nicht aufzuhalten vermocht. Die jüngste kulturelle Entgleisung in der einstigen Kolonie hat die Briten daher zwar nicht überrascht, aber trotzdem empört. Der Vorfall drohte gar eine diplomatische Verstimmung auszulösen und zwang die amerikanische Botschafterin in London zu einer ebenso dringlichen wie humorvollen Intervention.
Neumodische Methoden
Ausgelöst hatte die Turbulenzen Michelle Francl, eine Chemieprofessorin am Bryn Mawr College in Pennsylvania. Sie hatte es gewagt, in einem Buch Ratschläge zur Zubereitung des perfekten Schwarztees zu erteilen. Das war an und für sich bereits ein Affront. Denn kommen Britinnen und Briten nach den Strapazen des Tages nach Hause, setzen sie als Erstes den Teekessel auf. Niemand – und schon gar keine Amerikanerin – braucht ihnen zu erklären, wie man eine Tasse Tee zubereitet.
Die Professorin schlug in ihrem Werk «Steeped: The Chemistry of Tea» auch noch neumodische Methoden vor. Mutig mischte sie sich in die Milchdebatte ein und kam zu dem Schluss, es sei besser, die Milch nach dem Tee und heiss in die Tasse zu giessen (gemäss englischer Tradition wird kalte Milch zugefügt). Weiter empfiehlt die Professorin eine Zitrone zur Bekämpfung von «Schaum» sowie das ausgiebige Tunken und Quetschen des Teebeutels.
Vor allem aber schlägt Francl vor, dem Heissgetränk eine Prise Salz zuzufügen, was den Geschmack weniger bitter machen könne. Ein solcher Ratschlag konnte aus britischer Sicht nur aus dem Mund einer Amerikanerin kommen, deren aufständische Vorfahren bereits im Jahr 1773 in Boston Teeblätter in salziges Meerwasser geworfen hatten.
Von Skepsis bis Ekel
Das rechte Boulevardblatt «Daily Mail» titelte, die Theorien der Professorin hätten die Briten bis «zum Siedepunkt» verärgert. Der TV-Sender ITV liess gesalzenen Tee von der Bevölkerung testen, die mit Skepsis bis Ekel reagierte. Auch der linke «Guardian» giftelte in einem (später überarbeiteten) Artikel: «Eine Professorin aus dem Land, in dem man Tee mit lauwarmem Hahnenwasser zubereitet, behauptet, das Rezept für eine perfekte ‹cuppa› (Tasse Tee) gefunden zu haben.»
Der Unmut unterzog die «special relationship» einer ernsthaften Belastungsprobe – und veranlasste die amerikanische Botschafterin in London, Jane Hartley, zu einer dringlichen Intervention: «Wir versichern dem guten britischen Volk, dass die undenkbare Idee, Salz in das britische Nationalgetränk zu streuen, nicht offizielle Politik der USA ist.»
An important statement on the latest tea controversy. 🇺🇸🇬🇧 pic.twitter.com/HZFfSCl9sD
— U.S. Embassy London (@USAinUK) January 24, 2024
Schnippisch fügte sie in der offiziellen Stellungnahme freilich hinzu, dass die Mitarbeiter der amerikanischen Botschaft den Tee weiterhin nach der korrekten Art zubereiten würden: nämlich in der Mikrowelle.
Militärberater wissen Rat
Bereits vor vier Jahren belastete der Teestreit das britisch-amerikanische Verhältnis. Damals veranlasste ein höchst eigenwilliges Teerezept einer amerikanischen Tiktok-Nutzerin die britische Botschafterin in Washington zu einer Klarstellung. Dame Karen Pierce bot in einem Video ihre Militärberater auf, um die amerikanische Bevölkerung abschliessend über die korrekte Art der Teezubereitung aufzuklären.
I see there’s huge interest in how to make a British cup of tea. ☕️
So I’ve called in my military advisers to get this in the record. pic.twitter.com/Xc22BicwS6
— Dame Karen Pierce (@KarenPierceUK) June 22, 2020
Um eine Tasse Tee zu kochen, brauche man keinesfalls eine Mikrowelle, erklärte ein britischer Fallschirmjäger, sondern bloss eine Flamme, einen Teebeutel und etwas Zucker. Der Soldat bewies, dass die Briten selbst beim Tee zu einem gewissen Pragmatismus fähig sind. So sei es im Feld auch erlaubt, dem Gebräu statt frische Milch Milchpulver zuzufügen.