Die ehemalige Spitzenpolitikerin der Republikaner führt seit 2017 einen Rechtsstreit gegen das amerikanische Leitmedium. Der Streit dreht sich vornehmlich um eine falsche Aussage in einem Leitartikel — auf dem Prüfstand steht aber auch die Frage, welche Fehler sich US-Medien leisten können.
Sarah Palin bleibt in ihrem Kampf gegen ein amerikanisches Leitmedium erfolglos. Auch im zweiten Anlauf ist es der ehemaligen republikanischen Spitzenpolitikerin am Dienstag vor einem New Yorker Bundesgericht nicht gelungen, die neun Geschworenen davon zu überzeugen, dass sie 2017 von der Tageszeitung «New York Times» verleumdet worden sei. Die Geschworenen berieten rund zwei Stunden hinter verschlossenen Türen, bevor sie ihr Urteil fällten. Sie bestätigten damit (indirekt) eine Entscheidung aus dem Jahr 2022, die ein Berufungsgericht aufgrund von Formfehlern später kippte.
Der zivilrechtliche Prozess vor dem langjährigen Bundesrichter Jed Rakoff war in der Medienbranche aufmerksam verfolgt worden. Die Fakten waren zwar dank der langen Vorgeschichte wohlbekannt — im Kern drehte sich der Prozess um die Frage, ob Prominente es sich gefallen lassen müssen, wenn Medienerzeugnisse aus Versehen Unwahrheiten über sie verbreiten.
Das Urteil bejaht diesen Grundsatz, der sich auf einem Leiturteil des Supreme Court in Washington aus dem Jahr 1964 abstützt, nun erneut. Und dennoch befürchten viele Medienschaffende, dass die Angriffe auf diese grosszügige Auslegung der in der Verfassung verbrieften Meinungsfreiheit anhalten werden.
Bereits haben zwei der neun Mitglieder des höchsten Gerichts die Bereitschaft signalisiert, den mehr als 60 Jahre alten Richterspruch umstossen zu wollen — die Angst geht deshalb um, dass es den Richtern Clarence Thomas und Samuel Alioto gelingen könnte, die konservative Mehrheit am Supreme Court hinter sich zu scharen, sollte das perfekte rechtliche Vehikel den gesamten Instanzenzug durchlaufen.
Hinzu kommen die zunehmend groben Attacken des neuen, alten Präsidenten gegen führende Medienunternehmen. So verklagte Donald Trump den Fernsehsender CBS auf eine Schadenersatzzahlung von 10 Milliarden Dollar, weil sich das Vorzeigeprogramm «60 Minutes» angeblich «widerrechtlich und illegal» verhalten habe. (Die Klage dreht sich um ein Interview mit Trumps ehemaliger Widersacherin Kamala Harris, das von «60 Minutes» im Wahljahr 2024 aufgehübscht worden sei.)
Obwohl die Klage gegenstandslos scheint, wehrte sich CBS anfänglich nur zögerlich dagegen. Ein Motiv: Das CBS-Mutterhaus Paramount Global ist auf das Wohlwollen der Wettbewerbshüter in der Regierung von Präsident Trump angewiesen, will es wie geplant vom Konkurrent Skydance Media geschluckt werden.
Redaktor sagte im Zeugenstand: «Ich habe es vermasselt»
Sarah Palin sagte in einer ersten Reaktion, sie werde nun nach Hause zu ihrer «wunderbaren Familie» fahren und ihres Weges gehen. Die ehemalige Gouverneurin des Gliedstaates Alaska, die sich 2008 an der Seite von John McCain um das Amt der amerikanischen Vizepräsidentin beworben hatte, wollte vorerst nicht verraten, ob sie das Urteil erneut anfechten werde.
Die «New York Times» wiederum zeigte sich hochzufrieden über die Entscheidung der Geschworenen: Der wichtige Grundsatz der amerikanischen Rechtsprechung, wonach Verlage nicht für unbeabsichtigte Fehler hafteten, sei bestätigt worden, sagte eine Sprecherin.
Im Zentrum der Klage stand ein (ungezeichneter) Leitartikel der «New York Times», in dem die Zeitung im Juni 2017 ein Attentat auf republikanische Abgeordnete im Grossraum Washington kommentiert hatte. Palin trage Mitverantwortung für die zunehmende Brutalität im amerikanischen Politbetrieb, argumentierte die «Times» anfänglich.
Doch das Beispiel, das im Kommentar erwähnt wurde, um diese Aussage zu illustrieren, stimmte so nicht. James Bennet, damals Chef der «Times»-Meinungsseiten, war beim hastigen Redigieren des Textes ein grober Fehler unterlaufen. «Ich habe es vermasselt», sagte ein emotionaler Bennet während des Prozesses in New York. Auch entschuldigte er sich direkt bei Palin. (Heute arbeitet der Meinungsmacher für die Zeitschrift «The Economist»; er verfasst die stark beachtete Kolumne «Lexington».) Am Tag nach der Publikation sah sich die «Times» deshalb gezwungen, eine Korrektur am Meinungsbeitrag anzubringen.
Palin sprach von einer gezielten Attacke
Palin stellte sich in ihrer Schadenersatzklage auf den Standpunkt, dass es sich dabei nicht um ein Missgeschick von Bennet gehandelt habe. Vielmehr habe die «New York Times» eine ehemalige Politikerin demontieren wollen, deren Positionsbezüge den linken Meinungsmachern in Manhattan stets gegen den Strich gegangen seien. Sie sagte, der Kommentar habe ihre politische Karriere zerstört. «Es hat mir einfach den Schwung geraubt», sagte Palin.
Die heute 61 Jahre alte Republikanerin befand sich 2017 bereits im politischen Ruhestand. Ein Comeback-Versuch in ihrer Heimat — die Kandidatur für den einzigen Sitz des Gliedstaates Alaska im nationalen Repräsentantenhaus — missglückte im Jahr 2022.