Die Bahn setzt im internationalen Verkehr auf Tages- statt Nachtzüge. Auch ein Entscheid von Bundesrat Albert Rösti spielt dabei eine Rolle.
Die SBB verfügen heute über keine Hochgeschwindigkeitszüge. Die Giruno-Triebzüge von Stadler Rail erreichen «nur» eine Geschwindigkeit von bis zu 250 km/h, was für die Neubaustrecken in Frankreich oder Italien zu wenig ist. Die SBB sind deshalb auf ihre ausländischen Partnerbahnen angewiesen. Das soll sich nun ändern: Die Bundesbahnen prüfen, für den grenzüberschreitenden Fernverkehr auch Hochgeschwindigkeitszüge zu beschaffen. Dies kündigten sie am Donnerstag an ihrer Bilanzmedienkonferenz in Bern an. Die SBB wollen sich demnächst mit Herstellern über die Modalitäten austauschen.
Die Nachfrage im internationalen Personenverkehr wächst stark. Auf etlichen Strecken ist die Bahn dank Hochgeschwindigkeitsstrecken in EU-Staaten gegenüber dem Flugzeug konkurrenzfähig oder sogar besser. Zudem seien die Reisenden bereit, länger im Zug zu sein, sagte die Verwaltungsratspräsidentin Monika Ribar – bis zu sechs Stunden. Die SBB wollen deshalb die grenzüberschreitenden Verbindungen weiter ausbauen. Drei Wunschdestinationen sind London, Rom und Barcelona. Die letzten zwei Ziele waren in der Debatte um neue Nachtzüge wiederholt ein Thema.
Die SBB streben nun Direktverbindungen nach Rom und Barcelona an, wie es sie schon früher gab, aber nicht mehr mit Nachtzügen. «Wir legen den Fokus auf den Tagesverkehr», sagte der SBB-Chef Vincent Ducrot. Mit Hochgeschwindigkeitszügen wird es etwa möglich, die Fahrzeit von Zürich nach Rom auf unter sieben Stunden zu senken. Zudem sind Nachtzüge aus der Schweiz gemäss den SBB nicht rentabel zu betreiben, im Gegensatz zu Tageszügen.
Rösti streicht Subventionen für Nachtzüge
Der Bund sah zwar vor, Nachtzüge ab dem laufenden Jahr mit maximal 30 Millionen Franken zu subventionieren, über das neue CO2-Gesetz. Bundesrat Albert Rösti (SVP) hat die Subventionen wegen der Finanzlage jedoch auf Eis gelegt. Dennoch wollen die SBB zumindest einen saisonalen neuen Nachtzug anbieten, nach Kopenhagen und Malmö – gemäss Ducrot schon ab dem kommenden Jahr. Dies soll in Zusammenarbeit mit der privaten Bahngesellschaft RDC erfolgen, sagte eine Sprecherin auf Anfrage. Diese betreibt bereits einen Nacht- und Autozug von Lörrach nach Hamburg. Zudem wollen die SBB Billette für die Nachtzüge bald auch über ihre App verkaufen.
Längerfristig wollen die SBB auch eine neue Verbindung mit Hochgeschwindigkeitszügen nach London einführen. Eine Studie hat gezeigt, dass die Verbindung technisch machbar, jedoch anspruchsvoll ist. Das Marktpotenzial sei vorhanden, sagte Ducrot. Da Grossbritannien nicht Mitglied des Schengenraums mit der EU sei, brauche es geschlossene Terminals für das Check-in in Zürich, Basel und Genf. Dies sei herausfordernd. Die SBB rechnen damit, dass das neue Angebot frühestens im nächsten Jahrzehnt möglich ist.
Mit dem angepassten Landverkehrsabkommen sehen die Schweiz und die EU vor, den internationalen Personenverkehr zu öffnen, unter Bedingungen. Stimmen das Parlament und das Volk den neuen und revidierten Verträgen mit der Europäischen Union zu, könnten die SBB künftig in Eigenregie ins Ausland anfahren – wie auch ausländische Anbieter in der Schweiz. Für die SBB würden jedoch weiterhin Kooperationen mit Partnerbahnen im Vordergrund stehen, sagte Monika Ribar. Sie hoffen, sich mit Zügen für den Hochgeschwindigkeitsverkehr (HGV) auf Augenhöhe einbringen zu können.
Mit den HGV-Zügen werden die SBB für den internationalen Verkehr im Vergleich zu Nachbarbahnen über eine wenig einheitliche Flotte verfügen. Das macht den Unterhalt teurer und den Einsatz komplizierter. Die SBB haben bereits 19 Neigezüge des Typs ETR 610 und die Zahl der Giruno-Triebzüge wächst bis 2026 auf 41 Stück. Zudem planen sie, im Rahmen einer Ausschreibung für die Genfer S-Bahn Fernverkehrstriebzüge zu beschaffen, die nach Frankreich fahren können, wie die «Schweizer Eisenbahn-Revue» berichtete. Auch die Fernverkehrs-Doppelstockzüge des Typs FV Dosto sind eigens für Einsätze nach Deutschland ausgelegt, fahren aber nur im nationalen Verkehr.
Staatshilfe für defizitären Güterverkehr
Während der Personenverkehr boomt, bleibt der nationale Güterverkehr das Sorgenkind der SBB. Die Verkehrsleistung ging 2024 gegenüber dem Vorjahr um 8,4 Prozent zurück; das Defizit verdoppelte sich beinahe auf rund 76 Millionen Franken. Die SBB führen den Rückgang auf die Bau- und Chemiebranche zurück. Das Marktumfeld sei schwierig, sagte Monika Ribar.
Die SBB bauen deshalb im laufenden Jahr 80 Vollzeitstellen ab. Zugleich wollen sie mit einem neuen Produktionsmodell und der Automatisierung die Kosten im Verkehr mit einzelnen Wagen und Wagengruppen (WLV) senken. Auch die Kunden sollen ihren Beitrag leisten, indem alle kostendeckende Preise bezahlen. Gemäss den SBB führt dies im Schnitt zu Erhöhungen um 20 Prozent – für manche Verlader sind diese noch höher, weshalb der Unmut gross ist. Mit wichtigen Kunden wie der Migros sind die Verhandlungen jedoch auf gutem Weg.
Die SBB glaubten an den Güterverkehr in der Schweiz, sagte Ribar. Aber der WLV-Verkehr müsse neu gedacht werden. Hoffnungen setzten die Bundesbahnen auf die Gesetzesrevision, die den Güterverkehr mit einzelnen Wagen und Wagengruppen modernisieren und befristet fördern will. Am Donnerstag hat nach dem Ständerat auch der Nationalrat der Vorlage zugestimmt.
Ein Rückweisungsantrag der SVP war bereits am Dienstag chancenlos. Der SVP-Nationalrat Benjamin Giezendanner kritisierte, es fehle eine längerfristige Strategie für SBB Cargo. Die Befürworter mahnten, ohne die Anpassungen verliere der Güterverkehr stark an Volumen. «Das Gesamtkonzept verhindert, dass wir in den nächsten Jahren 650 000 zusätzliche Lastwagenfahrten haben», sagte Bundesrat Rösti. Das könne sich die Schweiz nicht leisten.
Röstis Konzept sieht vor, dass der Bund einmalig 180 Millionen Franken beisteuert, um die digitale, automatische Kupplung einzuführen. Zudem will der Bundesrat den WLV-Verkehr während acht Jahren befristet fördern. Weiter ist ein unbefristeter Verlade- und Umschlagsbonus von jährlich 60 Millionen Franken geplant, der die Preiserhöhungen der SBB abfedern soll. Die Mittel kommen aus der Schwerverkehrsabgabe, die der Bund dem Fonds für die Bahninfrastruktur entzieht.
Auf gewisse Leistungen verzichten die SBB im Güterverkehr künftig jedoch, wie Vincent Ducrot am Donnerstag bestätigte. Sie führen für ausländische Partnerbahnen in der Schweiz keine internationalen Güterzüge mehr. Die SBB ziehen damit die Konsequenzen aus der folgenschweren Entgleisung im Gotthard-Basistunnel im August 2023. Dabei handelte es sich um einen Güterzug der Deutschen Bahn, für den auf dem Schweizer Abschnitt SBB Cargo verantwortlich war. Die SBB stellten lediglich den Lokführer, doch es entstand ein Schaden von rund 150 Millionen Franken.
Neuer Passagierrekord, mehr Gewinn
Die SBB konnten am Donnerstag für das vergangene Jahr erneut einen Passagierrekord verkünden. Täglich fuhren rund 1,4 Millionen Reisende mit den Zügen. Dank dem Personenverkehr sowie den Immobilien und dem Energiebereich erzielten die Bundesbahnen im Vergleich zum Vorjahr mit 275 Millionen Franken einen leicht höheren Gewinn. Die Verschuldung stieg auf 12,1 Milliarden Franken. Die SBB betrachten den Gewinn als zu tief, um die hohen Schulden abzubauen und zu investieren. Die Zufriedenheit der Kunden und des Personals stieg ebenfalls. Trotz dem Passagierrekord und rund 20 000 Baustellen waren die Züge so pünktlich wie noch nie. Die guten Zahlen dämpfen allerdings die längeren Fahrzeiten in der Westschweiz, die die SBB Anfang Dezember eingeführt haben. (gaf)
In einer ersten Version des Artikels hiess, die SBB dürften den geplanten Nachtzug nach Kopenhagen und Malmö in Kooperation mit den ÖBB anbieten. Die SBB wollen diesen jedoch mit der privaten Bahngesellschaft RDC betreiben.