Die Ankündigung des US-Präsidenten, Grönland in amerikanischen Besitz zu bringen, wirft ein dringliches Licht auf eine Filmreihe in Bern.
Schlittenhunde sprinten durch eine endlos erscheinende Eislandschaft. Sie ziehen zwei in Robbenfell gehüllte Inuit auf einem Holzschlitten, einem von diesen hängt lässig eine Tabakpfeife aus dem Mundwinkel. Die beiden Männer sind auf der Jagd, und die Kamera begleitet sie kreuz und quer über das gefrorene Meer vor der Küste Grönlands.
Der dänische Dokumentarist und Ethnograf Leo Hansen hat die Aufnahmen in den 1930er Jahren gedreht. Es sind erstaunlich scharfe Bilder von Eisbären, Robben und Walrossen, die sich nicht vor zeitgenössischen Tierfilmproduktionen verstecken müssen. Ganz im Gegenteil, inzwischen dürfte es ungleich schwerer sein, diese Tiere so vor die Kamera zu bekommen.
Das Weiss der Leinwand und das Weiss der Landschaft lassen sich kaum unterscheiden. Heute sieht man diese Bilder und fragt sich unweigerlich, ob es diese Landschaften noch gibt oder ob sie längst weggeschmolzen sind und jene Rohstoffe freigelegt haben, nach denen es Donald Trump so dürstet.
Dessen vieldiskutierte Ankündigung, Grönland in amerikanischen Besitz zu bringen, wirft ein dringliches Licht auf die Filmreihe «Grönland im Film. Zu Hause bei den fernsten Dingen», die bis Ende Februar im Kino Rex in Bern im Zusammenspiel mit einer Ausstellung im Alpinen Museum der Schweiz zu sehen ist.
Der Wunsch nach Autonomie
Die Kolonialisierung und die Ausbeutung von Kalaallit Nunaat, jenem Gebiet, zu dem die grösste Insel der Erde im Arktischen und Atlantischen Ozean gehört, spielen eine entscheidende Rolle in den gezeigten Filmen.
Das sieht man beispielsweise in einer Dokumentation wie «Sumé – The Sound of a Revolution», die sich zugleich mit der Geschichte der gleichnamigen Rockband befasst und auch deren politisches Engagement für eine grönländische Autonomie von der dänischen Krone in einen grösseren gesellschaftlichen Zusammenhang bringt.
Da die Autonomiebestrebungen in verschiedenen Etappen seit dem Zweiten Weltkrieg virulent geblieben sind, prägen sie viele Filme. Aber auch die Schneelandschaftsbilder Leo Hansens oder ein dänisches Melodram wie «Qivitoq», in dem eine Dänin mit dem Leben in Grönland konfrontiert wird, zeigen, wie sehr die grönländische Kultur seit langer Zeit unter dem Joch ihrer drohenden Auslöschung leidet.
Nicht nur berichten die meisten der gezeigten Filme von kolonialer Herrschaft, die Bilder selbst sind koloniale Projektionen. Manchmal sind die Filmemacher Dänen, manchmal Kanadier, die Filmsprache erinnert an Hollywood oder Lars von Trier. Man denkt auch an den im Deutschen Reich produzierten «S.O.S. Eisberg» von Arnold Fanck, eine der letzten Co-Produktionen von Deutschland und den USA, bevor die Nationalsozialisten die Macht übernahmen.
Darin sieht man unter anderem Leni Riefenstahl in einem der Dramaturgie nach klassischen Bergfilm, die Deutschen treiben auf Eisschollen durchs Meer und retten sich vor der unwirtlichen Natur. Der Film ist nicht Teil des Programms, wahrscheinlich ist das gut so, auch wenn er ein vielsagendes Licht auf die heute auch von den Horrorfilmen Hollywoods ausgenutzte Exotik der nördlichen Eislandschaften geworfen hätte. Erstaunlich jedenfalls, wie wenig sich verändert hat.
Dass ein Film wie Hlynur Palmasons «Godland» Teil der Reihe ist, spricht da Bände. Schliesslich erzählt dieser von der dänischen Kolonialisierung Islands, nicht Grönlands. Lässt sich Grönland also nur mehr über eine kritische Betrachtung der dänischen Expansionspolitik des vergangenen Jahrhunderts verstehen? Oder gibt es schlicht keine anderen Filme?
Wozu das Kino in der Lage ist
Die Schau bemüht sich durchaus, Filme zu zeigen, in denen Inuit zu Wort kommen und ihren Blick auf das Leben in Grönland zeigen können. Eine solche Ausnahme stellt etwa das Kino von Zacharias Kunuk dar, dessen «The Journals of Knud Rasmussen» die Begegnung mit den dänischen Forschern Anfang der 1920er Jahre aus der Sicht eines Inuit-Schamanen und seiner rebellischen Tochter erzählt.
Dieser Perspektivwechsel offenbart, wozu das Kino in der Lage ist, wenn es tatsächlich «zu Hause bei den fernsten Dingen» agiert. Dann führen die Filme vor Augen, wie wenig in den politischen Debatten und imperialen Ansprüchen an die in einem Gebiet lebenden Menschen gedacht wird. Drohen sie in den Nachrichten über die Ankündigung des US-Präsidenten in einer kaum zu greifenden Abstraktion zu versinken, erschrickt man in den Filmen fast über ihre körperliche und emotionale Präsenz.
Das gilt auch für die ethnografischen Filme der Reihe wie «The Wedding of Palo» von Friedrich Dalsheim. Die Begegnung mit fremden Welten und das Hinterfragen des eigenen Blicks auf diese Welten, darum geht es letztlich, wenn man Grönland im Kino sieht. Trump indessen gab unlängst bekannt, dass Billy Wilders «Sunset Boulevard» sein Lieblingsfilm sei, ein Film, der auch viel mit falschen Bildern zu tun hat, die man sich so macht. «Sunset Boulevard», so lautet passenderweise auch der Name eines dänischen Fast-Food-Restaurants in Nuuk, der Hauptstadt Grönlands.