Die parlamentarische Aufsicht hat grundsätzliche Fragen zur Beteiligung des Kantons an der verantwortlichen Firma Abraxas.
Seit Jahren befasst sich die Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Kantonsrats mit dem Projekt zur Beschaffung einer neuen IT-Fachapplikation für den Justizvollzug. 2018 wurde der Auftrag an die auf Anwendungen für öffentliche Verwaltungen spezialisierte Firma Abraxas Informatik AG vergeben. Er ist seither begleitet von technischen Schwierigkeiten und Verzögerungen.
Schon vor einem Jahr bezeichnete die parlamentarische Aufsicht den Vorgang als «grosses Ärgernis». Sie beurteilte auch die Leitung des Projekts durch die Direktion der Justiz und des Innern als ungenügend. Seither machte im letzten Dezember Abraxas bekannt, dass sie das Handtuch werfe und diese Produktsparte verkaufe.
In ihrem jüngsten, am Donnerstag veröffentlichten Bericht, schreibt die GPK nun von einem «Scheitern mit Ansage». Es sei unverständlich, dass der Regierungsrat so lange an diesem kriselnden IT-Projekt festgehalten habe. Die GPK hat beschlossen, den Ausstieg der Abraxas aus dem Fachbereich Justiz genauer zu untersuchen.
Dass eine Anbieterin, an welcher der Kanton Zürich mit 42 Prozent massgeblich beteiligt ist, ein so essenzielles Geschäftsfeld gänzlich aufgeben könne, werfe grundsätzliche Fragen auf, hält sie in einer Medienmitteilung fest.
Zu hohe Zielsetzungen
Worin die Probleme im einzelnen bestehen, können Aussenstehende und IT-Laien kaum durchschauen. Im GPK-Bericht ist von einem Wechsel in der technologischen Umsetzung die Rede, der zu Verzögerungen führte. Ausserdem habe die Abraxas mit teilweise fehlendem Fachpersonal und grundsätzlichen Problemen in der Software-Architektur zu kämpfen.
Auf Anfrage fasst GPK-Präsident Jean-Philippe Pinto (Mitte) seine Einschätzung so zusammen: «Zu komplex, zu gross, zu hohe Zielsetzungen».
Doch lag es eher am Ungenügen der Abraxas oder an der Projektführung der Justizdirektion? «Wahrscheinlich an beidem», sagt Pinto. Schon 2021 habe die GPK festgestellt, dass das Projekt nicht gut laufe. Seither sei ein wichtiger Meilenstein nicht erreicht worden.
Wie geht es mit der Ablösung der alten Software weiter? Laut Auskunft der Justizdirektion haben die Arbeiten an der Analyse von Alternativen bereits im Spätsommer 2023 begonnen. Sie werden in den nächsten Wochen abgeschlossen, danach werde über das weitere Vorgehen informiert.
Tatsächlich setzte die Justizdirektion, wie aus dem GPK-Bericht hervorgeht, im Juni des letzten Jahres der Abraxas ein Ultimatum: Bis Januar 2024 müsse sie eine «belastbare Planung für den weiteren Projektverlauf» vorlegen. Die Firma kam diesem Termin mit dem Ausstieg zuvor. Gegenüber der GPK sprach Jacqueline Fehr davon, man arbeite an einem Plan B. Die Kommission weiss indes heute noch nicht mehr.
Die GPK rollt in ihrem jährlichen Bericht erneut die leidvolle, bereits bekannte Vorgeschichte auf. Immerhin entsteht dem Kanton unmittelbar kein finanzieller Schaden durch das gescheiterte Projekt. Dagegen hat er sich vertraglich abgesichert.
Im Dezember 2020 strich der Kantonsrat die entsprechenden Mittel aus dem Budget 2021 mit dem Auftrag, den Werkvertrag mit Abraxas nicht zu unterzeichnen, bevor nicht offene Fragen geklärt seien. Ohne Erfolg. Die von der GPK eingeschaltete Finanzkontrolle kam später jedoch zum Schluss, dass das Verhalten der Regierung aus verwaltungs- und kreditrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden sei, weil ein genug grosse Spielraum bestehe.
Ist die Abraxas systemrelevant?
Im letzten Dezember bewilligte der Regierungsrat 4,8 Millionen Franken, um die alte Software weiter betreiben und unterhalten zu können. Die Justizdirektion erteilte der GPK dazu die Auskunft, diese Ausgaben hätten unabhängig vom Abbruch des Projekts bewilligt werden müssen, weil die alten Systeme ohnehin noch in Betrieb gehalten werden müssten.
Auf Nachfrage präzisiert sie, der Betrag beziehe sich auf die Wartung und Pflege beider juristischen Applikationen (Strafverfolgung und den Strafvollzug) für die Jahre 2023 bis 2028. Man gehe davon aus, dass diese in diesem Zeitraum durch eine neue Lösung abgelöst werden können.
Zur jüngsten Entwicklung fand bereits eine Sitzung der GPK mit der Regierungsrätin Jacqueline Fehr (SP) statt. Über den Inhalt und Ergebnisse weiterer Abklärungen will sie jedoch erst später informieren. Die Aufsicht hält in ihrem Bericht aber fest, zu weiteren Gesprächen würden auch Finanzdirektor Ernst Stocker (SVP), der seitens des Kantons für die Beteiligung an Abraxas zuständig ist, sowie eine Vertretung der Abraxas eingeladen.
Steht für die GPK auch die Beteiligung des Kantons an der Abraxas zur Disposition? Soweit wolle er nicht gehen, antwortet ihr Präsident Jean-Philippe Pinto. Es gebe zwischen Kantonsrat und Regierung unterschiedliche Einschätzungen zur Frage, ob die Abraxas systemrelevant sei. Man dürfe nicht vergessen, dass zahlreiche Fachapplikationen in der kantonalen Verwaltung über dieses Unternehmen liefen.
Setzt die GPK für die Abklärungen eigens eine Subkommission ein? Das hängt laut Pinto davon ab, ob der Eindruck entstehe, dass man die Problematik vertieft anschauen müsse. Zuerst gibt das Thema in zehn Tagen am 18. März zu reden, wenn der Bericht im Kantonsrat diskutiert wird.