Der bayrische Agrarkonzern Baywa hat sich mit Wind- und Solaranlagen verspekuliert. Jetzt übernimmt der bisherige Juniorpartner aus der Schweiz die Zügel. Doch das Geschäftsgebaren der Firma wirft Fragen auf.
Es riecht neu, edel und teuer. Vorne eine Lounge mit Sofas, im hinteren Bereich eine Theke mit einer Kaffeemaschine, die jeden Barista neidisch machen würde. Die Monitoren an den Wänden zeigen Luftaufnahmen von rotierenden Windrädern und funkelnden Solarpanels.
Willkommen im Entrée der Firma Energy Infrastructure Partners (EIP) am Zürcher Paradeplatz. Das neoklassizistische Gebäude wurde eben renoviert, schräg gegenüber befindet sich der frühere Hauptsitz der Credit Suisse. Auch die EIP trug einst Credit Suisse im Namen, die Firma wurde als Joint Venture mit der Grossbank gegründet. Als diese immer stärker ins Schlingern geriet, übernahmen EIP-Co-Gründer Roland Dörig und seine Partner 2022 sämtliche Anteile.
Diese Woche schloss Dörig einen weiteren wichtigen Deal. EIP sichert sich die Mehrheit am deutschen Energieunternehmen Baywa-Re, an dem sie seit 2021 mit 49 Prozent beteiligt war. Baywa-Re war bislang Teil des bayrischen Agrarkonzerns Baywa, eines Milliardenmolochs, der nach einer aggressiven Expansionstour um seine Existenz kämpft.
Schuldenberg von 5,5 Milliarden Euro
Baywa war lange der Stolz des Freistaates, im Aufsichtsrat teilen sich die Honoratioren aus Politik und Wirtschaft die Macht und die Tantiemen. 1923 als Bayerische Warenvermittlung gegründet, stieg die frühere Genossenschaft zum grössten Agrarhändler Europas auf. Die Tochter Baywa-Re baut auf der ganzen Welt schlüsselfertige Wind- und Solarparks.
Als 2023 die Zinsen stiegen und die Strompreise fielen, fanden diese keine Abnehmer mehr. Sie wurden zu einem Klotz am Bein. Baywa türmte einen Schuldenberg von 5,5 Milliarden Euro auf. Nur dank Notkrediten der Banken konnte die Pleite verhindert werden.
In der Münchner Konzernzentrale herrscht Dauerkrise. In Zürich ist nichts davon zu spüren, im Gegenteil. EIP-Chef Roland Dörig scheint ziemlich sicher zu sein, mit Baywa-Re das grosse Los gezogen zu haben. Wie kann das sein?
Aufwertungen trotz Gewinneinbruch
In Bayern gilt als ausgemacht, dass die Energietochter der wichtigste Grund dafür ist, dass die Mutter derart ins Straucheln geriet. Letztes Jahr musste diese 222 Millionen Euro abschreiben, zum Grossteil war Baywa-Re dafür verantwortlich. Im Jahr 2023 verzeichneten 46 der 64 Tochtergesellschaften von Baywa-Re Verluste, wie dem Geschäftsbericht der Baywa zu entnehmen ist. Der Gewinn der Energiefirma brach 2023 um 95 Prozent ein, der Economic Profit – ein Mass, ob eine Firma nach Abzug der Kapitalkosten Geld verdient – war sogar negativ.
Ein solcher Einbruch, so würde man annehmen, schmälert auch den Wert der Beteiligung der EIP an Baywa. Weit gefehlt. Die Jahresberichte ihrer Fonds sind zwar nicht öffentlich. Die Firma ist verschlossen wie eine Auster, wenn es um Zahlen geht. Doch die Geschäftsberichte einzelner Beteiligungen liegen im luxemburgischen Handelsregister. Dort finden sich erstaunliche Informationen.
Demnach wertete die EIP ihre Baywa-Re-Beteiligung im Jahr 2023 nicht etwa ab, sondern um 35 Prozent auf. 530 Millionen Euro hatte sie 2021 für ihren Anteil von 49 Prozent bezahlt, nun wurde dieser mit knapp 800 Millionen Euro in den Büchern geführt.
Begründet wird die Aufwertung im Bericht unter anderem mit dem besseren Ausblick und dem geplanten Verkauf des Handelsgeschäfts mit Solarpanels, das unter der Konkurrenz durch chinesische Billigware litt. Dass ein erst geplanter Verkauf zu einer Aufwertung führt, hält ein befragter Fachmann für einen sehr mutigen Schritt.
Ein EIP-Sprecher verweist hingegen auf das Wachstum bei neuen Energieprojekten, die zu höheren künftigen Erträgen führten. Zudem habe sich das Risikoprofil der Projekte verbessert. Die Bewertung habe eine unabhängige Drittfirma vorgenommen.
Managementgebühren schiessen in die Höhe
Die Aufwertung der Baywa-Re-Anteile schlug auch auf die Entschädigung für EIP durch. Die leistungsabhängigen Gebühren stiegen 2023 von 6 auf 39 Millionen Euro, hinzu kamen Rückstellungen von 45 Millionen Euro für solche Performance-Fees. Unter dem Strich ergibt dies einen Kostenanteil (TER) von 5,8 Prozent an den Investitionen. Dies liegt weit über den Kosten von handelsüblichen Fonds. Sogar Hedge-Funds oder Private-Equity-Funds sind günstiger.
Die im Geschäftsbericht genannten Zahlen seien nicht zum Nennwert zu nehmen, sagt ein EIP-Sprecher. Bis anhin habe EIP keine leistungsabhängigen Gebühren erhalten, diese würden erst bei einem Exit, einem Verkauf des Investments, fällig. Selbst dann würden die leistungsabhängigen Gebühren aber nur fliessen, wenn die Investoren eine festgesetzte Minimalrendite erzielten.
Mit der Übernahme der Mehrheit an Baywa-Re stellt sich die Bewertungsfrage nun neu. EIP schiesst 150 Millionen Euro ein, um den Anteil auf 65 Prozent aufzustocken. Rechnet man dies hoch, ergibt sich für die Firma ein Gesamtwert, der rund einen Drittel unter jenem nach der Aufwertung von 2023 liegt. Mit anderen Worten: Der damalige Wertzuwachs hat sich in Luft aufgelöst. Der Verkauf des Handelsgeschäfts mit Solarpanels ist noch immer nicht abgeschlossen. Konsequenterweise müsste EIP nun abwerten.
Die Entwicklungen im Jahr 2024 würden in die neue Bewertung einfliessen, sagt der EIP-Sprecher. Der Jahresbericht für 2024 liegt noch nicht vor.
Schweizer Pensionskassen beteiligt
Im Risiko stehen auch Pensionskassen. EIP nimmt für sich in Anspruch, Schweizer Pensionskassen Investitionen in Energieinfrastruktur erst ermöglicht zu haben. Vom Investment in Baywa-Re stammten allerdings nur rund 5 Prozent von Schweizer Pensionskassen, betont der EIP-Sprecher. Zum Grossteil stamme das Geld von institutionellen Investoren aus dem Ausland.
EIP wollte schon seit vergangenem Sommer eine Mehrheit an Baywa-Re übernehmen, scheiterte aber am Widerstand der Gläubigerbanken. Warum diese nun einlenkten, bleibt offen. Für die Baywa ist der Deal ein weiterer Tiefschlag. Sie verzichtet auf Darlehen in der Höhe von 350 Millionen Euro. Dadurch rutscht ihr Eigenkapital erneut in den negativen Bereich. Sie muss nun eine weitere Aktionärsversammlung einberufen.
Für Baywa-Re ist hingegen der Kapitalbedarf bis 2028 gesichert. Die Schweizer gewinnen Zeit, die Firma neu aufzustellen. Sie stehen nun voll in der Verantwortung, Rückschläge lassen sich nicht mehr mit dem trägen Hauptaktionär begründen.
Name Baywa-Re soll verschwinden
Der EIP-Chef Roland Dörig will Wind- und Solarkraftwerke künftig nicht mehr nur bauen und weiterverkaufen, sondern auch selber betreiben. Dank langfristigen Verträgen sollen die Stromverkäufe einen stabilen Cashflow garantieren. Als Abnehmer gelten Tech-Giganten wie Google oder Meta, die für ihre Datenzentren saubere Energie benötigen.
Der Aufsichtsrat von Baywa-Re soll ausgewechselt werden. Bisher gehörten dem Gremium neben Dörig von Schweizer Seite die Sulzer-Chefin Suzanne Thoma und der Ex-FDP-Ständerat und IT-Unternehmer Ruedi Noser an. Ob sie bleiben, ist offen. Auch der Name Baywa-Re soll verschwinden, nichts soll an die unrühmliche Vergangenheit unter bayrischer Obhut erinnern.
Die Wette läuft. Schaffen es die Schweizer, aus den Trümmern des Baywa-Imperiums eine Geldmaschine zu formen? Die Schmach für die Bayern wäre gross, ihr Managementversagen würde offensichtlich. Immerhin bleiben sie dank einer Minderheitsbeteiligung im Beifahrersitz.