Ein Schweizer könnte im Mittelpunkt einer Straftat in Kroatien stehen: Er überfüllt einen Transporter mit syrischen Flüchtlingen und versucht später vor der Polizei zu flüchten. Der Unfall wirft Fragen zu Schleppertätigkeiten im Zusammenhang mit der Schweiz auf.
Es geschah um 3 Uhr in der Nacht auf Montag, auf einer Landstrasse der Ortschaft Malino in Kroatien. Der Aufprall auf einen Kandelaber war heftig. Aus dem schwarzen Mercedes-Van flog der Motor heraus und prallte gegen die Wand eines Hauses.
Am Steuer des Transporters mit Schweizer Nummernschild sass ein Schweizer Staatsbürger. So schreibt es der kroatische Staatssender HRT. Im Auto sassen mindestens fünfzehn Personen, so viele werden nach dem Unfall als verletzt gemeldet. Platz hatte es im Wagen nur für acht.
Auf der Westbalkan-Route
Wenige Minuten vor dem Unfall war der Van kroatischen Polizisten aufgefallen, weil er offensichtlich überfüllt war. Malino befindet sich an der Grenze zu Bosnien-Herzegowina – und damit auf der Westbalkan-Route, einer der meistbefahrenen Strassen für Flüchtlinge, die nach Westeuropa gelangen wollen.
Die Patrouille war deswegen unterwegs: um illegale Einreisen nach Kroatien zu verhindern. Mit Blaulicht und Sirene wollte sie den Schweizer Wagen für eine Kontrolle anhalten. Doch statt zu bremsen, gab der Fahrer Gas.
Die Flucht scheiterte schon nach wenigen Minuten und endete an einer Strassenlaterne. Sechs Rettungsteams mussten die Verletzten bergen, unter ihnen waren auch Kinder. Einige mussten am Montag auf Intensivstationen gepflegt werden. Ein Kind wurde notfallmässig am Kopf operiert. Der Schlepper hatte syrische Migranten in den Wagen gepfercht. Sie werden vorerst in der Obhut der Behörden in Kroatien bleiben.
Zwei Personen aus dem Kanton Bern
Das gilt auch für den Schweizer Fahrer und seine Begleiterin. Der Schlepper befindet sich in Untersuchungshaft. Die mutmassliche Komplizin hatte nach dem Unfall versucht zu fliehen. Die Polizei setzte sie allerdings fest. Auch sie befindet sich in Spitalpflege.
Wie der «Blick» am Dienstag schreibt, soll es sich bei dem Schlepper und seiner Begleiterin um zwei Personen aus dem Kanton Bern handeln: einen 34-jährigen Schweizer mit indischen Wurzeln und eine 26-jährige Brasilianerin. Bereits davor hatte «20 Minuten» berichtet, dass ein Mann und eine Frau am vergangenen Donnerstag den schwarzen Mercedes bei einer Autogarage gemietet hätten. Sie hatten sich als Paar ausgegeben, das mit der Familie einen Ausflug machen wollte. Der Wagen sollte am Montag wieder zurückgebracht werden.
Dass es sich bei den Mietern und den Schleppern um die gleichen Personen handelt, ist nicht bestätigt – auch wenn übereinstimmende Details aus Medienberichten darauf schliessen lassen. Das Schleppergeschäft zählt zum Menschenhandel und wird von Kriminellen gesteuert. Die mafiösen Organisationen engagieren Fahrer, die Migranten aus Syrien, der Türkei, Afghanistan oder dem Irak nach Westeuropa schleusen. Dabei tauschen sie Fahrzeuge aus, nehmen Flüchtlinge auf Teilstrecken mit, übergeben sie wieder neuen Schleppern.
Die Schweiz spiele in diesem Kontext vor allem als Transitland eine Rolle, schreibt das Bundesamt für Polizei (Fedpol) auf Anfrage. Die monatlichen Zahlen des Bundesamts für Zoll und Grenzsicherheit (BAZG) zeigen, dass seit Anfang Jahr mehrheitlich Syrerinnen und Syrer nach irregulärer Einreise angehalten wurden. In den meisten Fällen reisten sie über die Grenzen im Süden der Schweiz ein. Wie die Tessiner Kantonspolizei auf Anfrage mitteilt, wurden im vergangenen Jahr im Tessin 28 Schlepper festgenommen.
Bis zu 3300 illegale Einreisen pro Monat
Seit Januar schwankten die Zahlen der gesamten illegalen Einreisen monatlich zwischen einem Minimum von rund 1500 und einem Maximum von 3300 Fällen. Die Schleppertätigkeiten wurden monatlich auf 18 bis 27 Fälle beziffert, wobei es vorderhand um Verdachtsfälle geht. Die Polizei und das Staatssekretariat für Migration (SEM) überprüfen diese anschliessend. Im gesamten Jahr 2023 waren es rund 390 Verdachtsfälle, in den beiden Jahren davor je rund 480.
Die Abnahme hat auch mit den verschärften Massnahmen an den deutschen Grenzen zu tun. Seit rund einem Jahr führt Deutschland an Übergängen zu Österreich, der Schweiz, Polen und Tschechien wieder Kontrollen durch. Diese sollen nun nochmals verlängert sowie auf Frankreich, Luxemburg, die Niederlande, Belgien und Dänemark ausgeweitet werden.