Das Pariser Musée Guimet zeigt edles Ming-Kunsthandwerk aus einer bedeutenden chinesischen Privatsammlung.
Alain Delon sah stets hinreissend aus, selbst als er 1963 für den Film «Les Félins» Chauffeur und Lakai spielte und nicht mit einer Pistole, sondern mit Kehrblech und Handfeger bewaffnet war. In dem Psychothriller, im deutschsprachigen Raum «Wie Raubkatzen» betitelt, kümmert er sich mit hochgekrempeltem weissem Hemd und schwarzer Krawatte um zerbrochenes chinesisches Ming-Porzellan. Über dem Scherbenhaufen hockend, fragt er die Dame des Hauses, die ihn herbeigerufen hat: «Kitten oder wegwerfen?» Seine lächelnd vorgebrachte erste Option lässt die Hausherrin kalt: Die kostbare, weil relativ seltene Vase landet im Müll.
Noch rarer als Porzellane der Ming-Epoche, benannt nach der gleichnamigen chinesischen Dynastie, die im 14. Jahrhundert aufstieg und im 17. Jahrhundert unterging, sind ihre Goldschmiedearbeiten. Bemerkenswert sind derlei Werke schon deshalb, weil sie stürmische Zeiten überdauert haben, in denen Gold oft eingeschmolzen wurde, um es neuen Zwecken zuzuführen.
Mit den Kaisern dieses Herrscherhauses sind die Mauer gegen Einfälle der Mongolen, die Verbotene Stadt, eine wirtschaftliche Blütezeit, aber auch viele kulturelle Höhepunkte verbunden. Jetzt sind die raren Goldpreziosen aus der Ming-Zeit in einer überschaubaren, aber hochkarätigen Ausstellung des Musée Guimet in Paris zu sehen.
Drachen und Pflaumen
Das französische Nationalmuseum für asiatische Kunst hat dafür mit dem Xi’an Qujiang Museum of Fine Arts kooperiert. Xi’an, die gut tausend Kilometer südwestlich von Peking gelegene Hauptstadt der Provinz Shaanxi, war eine Wiege chinesischer Kultur und einst Kapitale des Reichs. Das private Kunstmuseum gilt als Juwel der Universitäts- und Handelsstadt. Die dort beherbergten Werke stammen aus der Sammlung Dong Bo Zhai des Hongkonger Unternehmers Peter Viem Kwok, der auch ein Stifter des Musée Guimet ist.
Bereits vor über einem Jahrzehnt hat die Genfer Fondation Baur Werke aus der Kollektion von Peter Viem Kwok gezeigt. In Frankreich, wo der gebürtige Vietnamese zum Offizier der Ehrenlegion ernannt wurde, war er zunächst vor allem für seine Investitionen in den Weinbau etwa bei Saint-Émilion und Pomerol bekannt geworden. In Paris ist er auch schon als Mäzen des städtischen Musée Cernuschi für Kunst des Fernen Ostens in Erscheinung getreten.
Die exquisite Pariser Schau dürfte besonders Frauenherzen höherschlagen lassen, denn ein Schwerpunkt liegt auf Goldschmuck wie Armreifen, Ringen, Ohrringen und -gehängen oder Haarnadeln. Das zumeist mattschimmernde Material stammt aus Minen des Südwestens von China. Was diese entzückenden Arbeiten, darunter auch wieder ans Licht geholte Grabbeilagen, zu etwas Besonderem macht, sind die ausserordentlich kleinen und feinen, hineingetriebenen Dekore sowie ihre filigranen, also drahtartigen Verzierungen.
Oft setzen Edelsteine farbliche und schillernde Akzente, darunter Rubine und Saphire. Pflanzen, vor allem Blüten, etwa der Pflaume oder des Lotus, und Tiere wie Schmetterlinge, Fledermäuse, Krabben und natürlich Drachen sind hier die Motive. Die Werke, um 1600 entstanden, erinnern bisweilen an die geschwungenen Linien des späteren europäischen Rokoko und Jugendstils, Geometrisierendes hingegen, wie es in der islamischen Kunst bekannt ist, tritt weit weniger ausgeprägt in Erscheinung.
Im Zeitalter der Ming-Dynastie wurde vorwiegend mit Silber bezahlt. Bronze, Jade und Seide dienten dagegen der Herstellung luxuriöser Gebrauchsgüter und dekorativer Produkte. Gold aber war der Anfertigung von Luxuswaren wie Prunkgeschirr und Schmuck vorbehalten. Anfangs waren solche Preziosen für den kaiserlichen Hof und die Aristokratie bestimmt.
Globaler Handel
Die günstigen ökonomischen Bedingungen, als aus dem zunächst von Landwirtschaft und Fischfang geprägten chinesischen Reich eine See- und Handelsmacht wurde, liessen den Kreis der Kaufleute und damit der Abnehmer für Goldarbeiten anwachsen. Wer auf sich hielt und seinen sozialen Status demonstrieren wollte, deckte seine Tafel mit goldenen Karaffen und bedachte die Ehefrauen mit Schmuck aus Gold.
In der Ming-Zeit unternahmen die Chinesen Expeditionen mit einer leistungsfähigen Hochseeflotte, die asiatische, afrikanische und arabische Küsten ansteuerte. Zur selben Zeit führten die von Europa ausgehenden Erkundungen und Entdeckungen, allen voran jene von Kolumbus, da Gama und Magellan, zu geradezu globalisierten Verbindungen, die sich nicht nur auf Edelmetallhandel beschränkten, sondern etwa auch den Austausch von exotischen Gewürzen mit einbezogen.
Die Pariser Ausstellung reflektiert dieses goldene Zeitalter und erläutert den politischen, ökonomischen und sozialen Kontext der imperialen chinesischen Reichtümer. Deren Herstellung brachte einen eigenen Wirtschaftszweig hervor. Man erfährt viel zu Fragen von Material und Bearbeitung sowie der oft versteckten Symbolik, die einem ganz bestimmten Kodex folgte.
Darin spiegelte sich vorab das Interesse der Ming-Kaiser, die Wurzeln einer inzwischen verwässerten «ursprünglichen» chinesischen Kultur freizulegen. Das betraf neben Gebräuchen und Riten vor allem auch Gepflogenheiten bezüglich Kleidung und deren Accessoires. Eine Maxime lautete: «Tragt Schmuck aus Gold und mit Perlen verzierter Jade, um Licht zu verbreiten!»
«L’Or des Ming. Fastes et beautés de la Chine impériale (XIVe–XVIIe siècle)», Musée Guimet, Paris, bis 13. Januar. Der englische und französische Katalog kostet 35 Euro.