Mehrere Pharmafirmen wollten den Entwickler einer neuen Generation von Abnehmspritzen kaufen. Roche setzt sich durch – und hofft, endlich in den lukrativen Markt einzusteigen.
Roche hat sich Zeit genommen mit dem Einstieg in die Entwicklung neuartiger Medikamente gegen Fettleibigkeit. Doch mittlerweile erhöht der grösste Schweizer Pharmakonzern seinen Einsatz. Er ist bereit, für eine Kollaboration mit der dänischen Biotechfirma Zealand Pharma bis zu 5,3 Milliarden Dollar zu bezahlen.
Die Kooperation stützt sich auf den Wirkstoff Petrelintide, der von den Dänen zurzeit in der zweitletzten Phase der klinischen Entwicklung erprobt wird. Dieser Wirkstoff beruht auf einem anderen Hormon als die zurzeit gängigen GLP-1-Präparate, nämlich auf Amylin.
Präparat mit besserer Verträglichkeit
Diesem Hormon wird eine ähnlich hohe Wirksamkeit, zugleich aber eine deutlich bessere Verträglichkeit zugeschrieben. Bei der bisherigen Erprobung des Medikaments, das wie die Präparate des ebenfalls dänischen Pharmakonzerns Novo Nordisk und des US-Unternehmens Eli Lilly in Spritzenform verabreicht wird, litten Patienten weniger unter Erbrechen.
Der wichtigste Unterschied zu den bereits erhältlichen Medikamenten liegt aber wohl darin, dass dank dem Produkt der Dänen der Sättigungseffekt beim Essen früher eintritt. Damit behandelte Patienten können so wie gewohnt an Mahlzeiten teilnehmen.
Hingegen zeichnen sich die üblichen GLP-1-Präparate dadurch aus, dass sie den Appetit zügeln und so beispielsweise Restaurantbesuche mit Freunden weniger attraktiv machen. Im Moment kontrollieren mit Novo Nordisk und Eli Lilly lediglich zwei Anbieter diesen schnell wachsenden Markt.
Mehrere Tranchen in Milliardenhöhe
Zealand sollen bei Vertragsabschluss, der für das zweite Quartal des laufenden Jahres erwartet wird, 1,4 Milliarden Dollar zufliessen. Weitere 250 Millionen Dollar folgen in den ersten zwei Jahren der Zusammenarbeit.
Zudem hat das Unternehmen Anspruch auf Meilensteinzahlungen von insgesamt 3,6 Milliarden Dollar, falls gewisse Vorgaben in der abschliessenden Phase III der Entwicklung und bei der Vermarktung erfüllt werden.
Die Vereinbarung zwischen den Unternehmen sieht vor, dass Roche die Herstellung des Produkts übernimmt. Die Gewinne aus der Vermarktung in den USA und Europa – immer vorausgesetzt, das Medikament nimmt die Hürde der Zulassung – sollen den beiden Partnern zu gleichen Teilen zufliessen.
Laut Analytikern der Bank of America setzte sich Roche in einem Bieterprozess gegen eine Reihe führender Pharmaunternehmen durch. Das grosse Interesse am Wirkstoff von Zealand überrascht nicht, wurde er von Branchenbeobachtern doch immer wieder als besonders aussichtsreicher Kandidat für die nächste Generation von Medikamenten gegen Übergewicht und Fettleibigkeit genannt.
Hoffnung auf erfolgreiche Kombinationstherapien
Ende Januar vergangenen Jahres hatte Roche mit dem Erwerb des US-Unternehmens Carmot Therapeutics den ersten Vorstoss im Bereich der Behandlung von Fettleibigkeit gewagt. Der Pharmakonzern liess sich diesen Kauf 2,7 Milliarden Dollar kosten.
Einer der Wirkstoffe von Carmot soll nun auch in Kombination mit dem Produkt von Zealand getestet werden. Der Konzernchef von Roche, Thomas Schinecker, betonte seit dem Vollzug der Übernahme von Carmot immer wieder, dass er die Zukunft der Behandlung von Fettleibigkeit in Kombinationstherapien sehe.
Anleger reagierten am Mittwoch erfreut darauf, dass Roche bei Zealand zum Zug kommt. Die Genussscheine der Firma verteuerten sich um 3,6 Prozent auf 307.30 Franken. Der Börsenwert von Zealand stieg sogar um fast 38 Prozent auf umgerechnet 7,3 Milliarden Dollar.