Die Eidgenössische Finanzkontrolle kritisiert die Hochschule für ein Projekt auf dem Hönggerberg. Diese will wenig falsch gemacht haben. Schuld an den jüngsten Mehrkosten sei vor allem die Teuerung.
Der Neubau soll erst Anfang 2030 in Betrieb gehen, doch schon jetzt wird die ETH Zürich dafür kritisiert: Das Physikgebäude auf dem Campus Hönggerberg der Hochschule wird deutlich teurer als angenommen. Ursprünglich hätte der hochspezialisierte Bau nicht mehr als 287,5 Millionen Franken kosten sollen. Doch dann kam eines zum anderen. Laut jüngster Prognose beläuft sich das Projekt auf 387 Millionen Franken. Das sind 48 Millionen oder rund 14 Prozent mehr als bei der Kreditvergabe 2021 geplant. So steht es in einem Prüfungsbericht der Eidgenössischen Finanzkontrolle (EFK), der am Montag publiziert wurde.
Das reichte für eine fette Schlagzeile: «Die Kosten explodieren: Kritik an ETH-Luxusbau» titelte «20 Minuten» am Dienstag auf Seite 1 der Printausgabe. Die Botschaft der Gratiszeitung ist klar: Der Bund muss sparen – und die mit Bundesmitteln finanzierte Hochschule leistet sich einen «Luxustempel», der erst noch Dutzende von Millionen Franken mehr verschlingt als geplant. Ist dieser Vorwurf gerechtfertigt?
«Unvorhersehbare Entwicklung»
Ein Blick in den Prüfungsbericht der Finanzkontrolle zeigt: Jein. Zum einen hält die EFK selber fest: «Die Kostensteigerung ist primär bedingt durch die eingetretene Teuerung» seit Beginn der Bauarbeiten. Diese begannen im Herbst 2022, also ein halbes Jahr nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine, der die Kosten solcher Immobilienprojekte in unerwartetem Ausmass in die Höhe trieb.
Die ETH stellt sich auf den Standpunkt, dass die damals projektierten Mittel von 339 Millionen Franken «ohne diese unvorhersehbare Entwicklung» ausreichen würden. Die Hochschule hat am Dienstag auf ihrer Website eigens einen Artikel dazu publiziert («Teuerung verteuert Bauprojekt»). Ulrich Weidmann, der ETH-Vizepräsident für Infrastruktur und Nachhaltigkeit, zeigt sich in dieser Stellungnahme zuversichtlich: Der Bau werde teurer als erwartet, sagt Weidmann, aber heute sei die Kostensituation verlässlich.
Zudem reicht die Geschichte des Neubaus auf dem Campus Hönggerberg viel weiter zurück als die Verwerfungen im Zuge des Ukraine-Krieges. Der Wettbewerb für Architekturbüros fand 2016 statt. Damals gab es kein Sparprogramm des Bundes, von dem die Hochschule betroffen gewesen wäre. Die These von «20 Minuten» ist also ziemlich zugespitzt.
Verschlimmbesserung in Millionenhöhe
Ganz so einfach, wie der Titel der ETH-Stellungnahme vermuten liesse, ist es allerdings nicht. Markus Zingg von der Finanzkontrolle weist auf Anfrage darauf hin, dass der Neubau des Physikgebäudes bereits vor der Kreditvergabe durch den Bund im Jahr 2021 eine markante Kostensteigerung erfahren habe. Im Bericht der EFK steht über diese Phase geschrieben: «Das intern festgelegte Kostendach wurde nicht eingehalten, sondern musste mehrfach nach oben korrigiert werden.» Die Schulleitung der ETH habe diese Steigerungen akzeptiert, obwohl sie den ursprünglichen Kostenrahmen zuvor als verpflichtende Obergrenze für die Projektleitung festgelegt habe, schreibt die EFK in ihrem Bericht.
Und so standen damals nicht 287,5 Millionen Franken zu Buche, sondern 339 Millionen, ein Plus von mehr als 50 Millionen Franken. Der grösste Teil dieses Zuschlags wiederum (32,5 Millionen Franken) war nicht auf die damalige Teuerung zurückzuführen, sondern ergab sich laut EFK aus dem Versuch der Bauherrin, die Wirtschaftlichkeit des Siegerprojekts der Zürcher Architekten ILG Santer zu verbessern. Der Schuss ging nach hinten los. Die Fläche des geplanten Neubaus musste wegen dieser Übung vergrössert werden, das Kostendach konnte definitiv nicht eingehalten werden.
Die ETH wiederum konzediert in ihrer Stellungnahme, dass die Jury architektonische und städtebauliche Aspekte stärker gewichtet habe als ökonomische Überlegungen sowie Fragen nach den Betriebskosten des künftigen Gebäudes. Finanzkontrolle und Hochschule sind sich einig: Die ETH hat sich damals für das teuerste Projekt entschieden. Wahrscheinlich ist der Bau von ILG Santer auch der spektakulärste, der 2016 zur Wahl stand.
Aber im Lichte der heutigen Betrachtung ist er nicht unbedingt der beste – zumal die Kontrolleure des Bundes auf weitere Risiken im Umfang von über 15 Millionen Franken gestossen sind, die laut EFK ebenfalls nicht der Teuerung angelastet werden können.
Die ETH Zürich gelobt Besserung. Heute gewichte man Kosten, Funktionalität und Wirtschaftlichkeit bei allen Bauprojekten viel stärker, sagt Ulrich Weidmann in der Stellungnahme auf der Website der Hochschule. Laut dem Statement schreiten die Bauarbeiten gut voran. Im Mai soll der tiefste Punkt der Baugrube erreicht sein. Es ist ein wichtiger Schritt bei Grossprojekten: Man weiss nie, ob im Untergrund noch weitere Überraschungen lauern, die die Baukosten erneut in die Höhe treiben könnten.