Die Sicherheitslage in Europa dominiert das Treffen des deutschen Kanzlers mit dem chinesischen Staats- und Parteichef. Aber natürlich hat Scholz auch die Interessen deutscher Firmen im Auge.
Der Krieg in der Ukraine war das beherrschende Thema beim Treffen des deutschen Kanzlers Olaf Scholz mit dem chinesischen Staats- und Parteichef Xi Jinping am Dienstag in Peking. Gleich zu Beginn des Gesprächs im Staatsgästehaus Diaoyutai verwies Scholz auf die gefährlichen Folgen des Konflikts.
«Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine sowie die Aufrüstung Russlands haben ganz erhebliche negative Auswirkungen auf die Sicherheit in Europa», sagte der Bundeskanzler. Mittelbar beschädigten die Auswirkungen des Krieges aber die gesamte internationale Ordnung, fuhr Scholz weiter.
Xi gilt als enger Verbündeter des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Dieser will laut russischen Medienberichten im Mai erneut China besuchen. Experten gehen davon aus, dass es für den Westen nahezu unmöglich sein wird, einen Keil zwischen Peking und Moskau zu treiben. Dass Xi ernsthaft auf Putin einwirkt und ihn dazu bringt, seine Truppen aus der Ukraine zurückzuziehen, ist deshalb unwahrscheinlich.
Peking kommt wohl nicht an Schweizer Friedenskonferenz
China profitiert wirtschaftlich von dem bewaffneten Konflikt, Russland ist auf Hilfen aus dem Reich der Mitte angewiesen. Die USA und Europa werfen Peking vor, Moskau mit sogenannten Dual-Use-Gütern zu versorgen, die sowohl zivil als auch militärisch genutzt werden können. Scholz gab Xi zu verstehen, dass Berlin solche Lieferungen nicht dulde.
Bei seinem letzten China-Besuch im November 2022 hatte Scholz deutlich gemacht, dass mit dem Einsatz von Nuklearwaffen nicht einmal gedroht werden dürfe. Bereits bevor er jetzt in die Volksrepublik reiste, erklärte er, dass sowohl China als auch Russland an der im Juni geplanten Friedenskonferenz für die Ukraine in der Schweiz teilnehmen sollten.
Wenig verwunderlich beliess es Xi in seiner Reaktion auf die Ermahnungen des Bundeskanzlers bei den bekannten und allgemeinen chinesischen Positionen. Es dürfe «kein Öl ins Feuer» gegossen werden, stattdessen sollten die «Bedingungen für die Wiederherstellung von Frieden und Stabilität» geschaffen werden, sagte Xi.
Peking mache sich für eine Friedenskonferenz stark, an der Russland und die Ukraine teilnähmen, sagte Chinas Staatschef. Da von russischer Seite bis anhin keine Zusage für eine Teilnahme vorliegt – und sie wohl auch nicht mehr kommen wird –, darf dies als Absage Chinas für eine Teilnahme an der Konferenz in der Schweiz gelten.
Begleitet von grosser Wirtschaftsdelegation
Scholz war am Sonntag zu dem dreitägigen Besuch in China eingetroffen, der ihn nach Chongqing, Schanghai und schliesslich Peking führte. Begleitet wird er von Umweltministerin Steffi Lemke, Verkehrsminister Volker Wissing und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir. Ausserdem gehören elf CEO deutscher Konzerne zur Delegation. Mit dabei sind unter anderem der Siemens-Chef Roland Busch und der Mercedes-Benz-CEO Ola Källenius.
Kaum ein anderes Land ist wirtschaftlich derart von China abhängig wie Deutschland. Allein 2023 haben deutsche Unternehmen im Reich der Mitte zwölf Milliarden Dollar investiert. Bei Konzernen wie BASF oder VW trägt das China-Geschäft inzwischen in erheblichem Mass zum Gesamtumsatz bei.
Scholz wollte bei seinem China-Besuch denn auch deutsche Arbeitsplätze sichern, indem er auf Missstände beim Marktzugang für deutsche Unternehmen hinwies. So werden ausländische Firmen bei Teilnahmen an öffentlichen Ausschreibungen benachteiligt, Pekings neue Gesetze zur nationalen Sicherheit engen die Spielräume der Firmen ebenfalls ein.
Scholz knüpft an Merkels China-Politik an
Mit seinem Werben für deutsche Wirtschaftsinteressen knüpft Scholz direkt an die China-Politik der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel an. «Die Kontinuität zu Angela Merkel ist in der Tat offensichtlich und zeigt sich in Formaten und Inhalten des China-Besuchs», sagt Dirk Schmidt, China-Experte an der Universität Trier.
Schmidt nennt unter anderem die Begleitung durch eine hochrangige Wirtschaftsdelegation und die Besuche von Scholz bei Niederlassungen deutscher Firmen in China als Parallelen zu Merkels China-Politik.
Da China mit Blick auf seine ins Taumeln geratene Wirtschaft mehr denn je auf Investitionen aus dem Ausland angewiesen ist, befindet sich Deutschland in einer Position der Stärke bei der Durchsetzung seiner Interessen. «Diese sollte Deutschland noch mehr nutzen», sagt Maximilian Butek, Delegierter der deutschen Wirtschaft in Schanghai.
Keine Treffen mit Bürgerrechtlern
An anderer Stelle weicht Scholz – gezwungenermassen – aber von Merkels Kurs ab. Die Kanzlerin hatte bei ihren China-Besuchen stets Bürgerrechtler und andere Vertreter der Zivilgesellschaft getroffen. Ausserdem trug sie hinter den Kulissen dazu bei, dass Liu Xia, die Ehefrau des verstorbenen Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo, 2018 nach Deutschland ausreisen durfte.
Treffen von ausländischen Politikern mit chinesischen Bürgerrechtlern sind heute kaum mehr möglich, die Risiken sind zu gross. So wurden in der Vergangenheit schon chinesische Menschenrechtsanwälte auf dem Weg zu Treffen mit ausländischen Politikern festgenommen, anschliessend verschwanden sie.
Vor ziemlich genau einem Jahr traf es den Menschenrechtsanwalt Yu Wensheng und seine Ehefrau Xu Yan. Die beiden waren auf dem Weg zu einem Treffen in der EU-Delegation in Peking festgenommen worden und sind seitdem verschwunden.