Die Young Boys erhalten beim 0:0 im Letzigrund erstmals in dieser Saison kein Gegentor. Joël Monteiro dürfte für seine Aktion lange gesperrt werden – es ist das vielleicht letzte Kapitel in einem turbulenten Jahr für den eingebürgerten Stürmer.
Und wenn man denkt, man habe schon alles gesehen im Fussball, sorgt Joël Monteiro für eine einzigartige Aktion. Der YB-Offensivspieler warf am Samstagabend in der Schlussphase des Spiels gegen den FC Zürich einer seiner Schuhe in Richtung Mirlind Kryeziu – und traf den FCZ-Verteidiger aus über zehn Metern.
Kryeziu sagte dem TV-Sender «blue Sport»: «Auf einmal spüre ich an der Schulter und am Kinn etwas. Dann schaue ich zu Boden und sehe einen Schuh.» Er nutzte die Gelegenheit zu einer theatralischen Einlage, die nicht notwendig gewesen wäre. Selten hat es in der Geschichte des Fussballs eine derart logische Rote Karte gegeben.
Der Schuhwerfer Monteiro dürfte lange gesperrt werden. Und wenn man möchte, könnte man behaupten, der Platzverweis sei ein Sinnbild für die kriselnden und nervösen Young Boys. In 13 Super-League-Partien wurden schon fünf Spieler von ihnen des Feldes verwiesen. Monteiro gilt allerdings nicht als Hitzkopf, in zuvor 210 Pflichtspielen hat er keine Rote Karte erhalten. Seine Handlung am Samstag beim 0:0 zwischen dem FCZ und YB war so spektakulär wie dämlich – aber sie war auch die Folge eines Fehlentscheids des Spielleiters.
Denn der Schuh lag als Wurfgeschoss nur deshalb so praktisch zur Verfügung, weil er zuvor in einem Zweikampf von Kryeziu von den Füssen des YB-Spielers getreten worden war. Es war ein klares Foulspiel, das womöglich ausserhalb des Strafraums stattfand, aber vom Schiedsrichter Urs Schnyder seltsamerweise nicht geahndet wurde. Monteiros Frust führte zum Schuhwurf, wobei er sofort realisierte, was für eine Dummheit er da begangen hatte.
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An guten Tagen ist Monteiro kaum zu bremsen
Joël Monteiro stand in diesem Jahr ohnehin schon oft in den Schlagzeilen. Im Frühling galt er, der erst relativ spät und über Umwege den Durchbruch geschafft hatte, wegen starker Leistungen auf einmal sogar als Schweizer Sturmhoffnung für die EM. Der Nationaltrainer Murat Yakin hatte ihn mehrmals gelobt, er sagte: «Er bringt mit seiner Schnelligkeit, Kraft, Dynamik und Torgefährlichkeit ein interessantes Profil mit.» Als der gebürtige Portugiese dann kurz vor der Endrunde eingebürgert worden war, durfte er zwar ein paar Tage am Trainingscamp der Schweizer Auswahl teilnehmen, schaffte den Sprung ins EM-Kader aber nicht.
Unterdessen ist Monteiro nach zwei Kurzeinsätzen gegen Spanien (1:4) und Serbien (0:2) Schweizer Nationalspieler. Die Erwartungen an ihn sind gestiegen, er gilt aber immer noch als Fussballer, der im Abschluss zu wenig effizient ist – so treffsicher wie als Schuhwerfer ist er selten. In dieser Saison gelangen ihm vier Tore in der Liga, drei davon beim 4:1 in Winterthur Ende September. Und er erzielte zwei Tore im Hinspiel des Champions-League-Play-off gegen Galatasaray Istanbul (3:2).
An guten Tagen ist Monteiro kaum zu bremsen, kürzlich bewies er auch in der Champions League gegen Inter Mailand (0:1) mit einer starken Aktion seine Klasse und hatte Pech mit einem Pfostenschuss. In Zürich war er am Samstag der auffälligste Spieler auf dem Rasen, aber bei einer Gelegenheit zu eigensinnig.
Monteiro ist der einzige Spieler im YB-Kader, der in allen 20 Spielen in dieser Saison eingesetzt wurde. Mit 25 Jahren steht er vor einer interessanten Zukunft, aber fürs Erste hat er die personellen Sorgen seiner von Verletzungen geplagten Young Boys verschärft, bei denen unter anderen sechs Verteidiger ausfallen. Immerhin wird Monteiro am Mittwoch in der Champions League in Gelsenkirchen gegen Schachtar Donezk eingesetzt werden können.
Beim FCZ wollte der abwanderungswillige Condé nicht auf der Ersatzbank Platz nehmen
Beim 0:0 im Letzigrund standen die Young Boys dem Sieg lange näher als der FCZ, der vor Spielbeginn doppelt so viele Punkte auf dem Konto hatte wie der Gegner. Und die Berner erhielten erstmals in dieser Saison kein Gegentor. Mit dem Interimstrainer Joël Magnin hat sich YB ein wenig stabilisiert, ohne gleich wieder wie ein Serienmeister aufzutreten. Der FCZ verteidigte mit dem 0:0 die Tabellenführung, war aber zu wenig überzeugend, um als Titelfavorit gehandelt zu werden. Aber wer ist das schon?
Jahrelang hiess das Motto in der Super League ja: Irgendein Team wird Zweiter werden. Das war in den acht Basler Meisterjahren so, zuletzt holten die Young Boys sechs Titel in sieben Jahren. Wer letzte Saison Zweiter wurde: Lugano.
In der durchaus unterhaltsamen aktuellen Saison lautet nun das Motto: Irgendein Team wird Erster werden. Lugano – oder doch Servette? Und warum nicht Basel oder der FCZ? Oder startet YB eine monumentale Aufholjagd? Vorstellbar ist fast alles. Praktisch nach jedem Spieltag steht ein anderes Team auf Rang 1. Diese Beliebigkeit sorgt für Spannung. Der FCZ hatte bereits vor drei Jahren unerwartet zum Höhenflug angesetzt, der am Ende zum sensationellen Titelgewinn führte.
Im FCZ ist erneut viel Energie vorhanden, positive und negative. Am Samstag weigerte sich der unzufriedene und abwanderungswillige Cheick Condé, der Chef im Mittelfeld, auf der Ersatzbank Platz zu nehmen – und verfolgte das Spiel auf der Tribüne. Nach dem Match sagte der FCZ-Trainer Ricardo Moniz, er dulde dieses Verhalten nicht. «Cheick wollte nicht akzeptieren, dass er Ersatz ist. Er wurde laut und verliess die Kabine.»
Moniz gab Condé den Ratschlag, mit dieser Einstellung Tennisspieler zu werden – und sagte, er werde das Gespräch mit den Klubverantwortlichen suchen: «Das gibt knallharte Konsequenzen. Cheick hat sich selber aussortiert.»
Vor einem Jahr war der FCZ auch Leader
Die Lage im FCZ bleibt fragil. Und was womöglich vergessen geht angesichts der turbulenten Monate im Klub mit vielen personellen Wechseln auf allen Ebenen: Auch vor einem Jahr lag der FCZ – erneut überraschend – an der Tabellenspitze. Ende November gewann er zu Hause 3:1 gegen den Meister YB. Die NZZ schrieb von bester Unterhaltung und titelte: «Lauernde Katze schlägt stattlichen Hofhund: Der Sieg im Spitzenkampf könnte wegweisend sein für den nächsten Meister-Coup des FC Zürich».
Monteiro wurde damals erst in der Schlussphase eingewechselt. Und der YB-Trainer Raphael Wicky meinte nach der Niederlage trotzig: «Meine Mannschaft besitzt alle Waffen für das Meisterrennen im Frühling.» Während sich das mit dem Zürcher Meister-Coup als kolossale Fehlprognose erwies, behielt Wicky Recht. Er wurde zwar Anfang März 2024 entlassen, obwohl YB auf Rang 1 stand. Aber Joël Monteiro war danach mit sechs Toren innerhalb von sechs Wochen unter dem Interimstrainer Magnin einer der Gründe für den erneuten Berner Titelgewinn.