Nach ihrer Einigung sind Union, SPD und Grüne optimistisch, dass ihr Schuldenpaket am Dienstag im Bundestag die nötige Zweidrittelmehrheit erhält. Doch reicht es auch am Freitag im Bundesrat? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Vergangene Woche haben sich CDU/CSU und die SPD mit den Grünen auf ein Schuldenpaket geeinigt. Die Einigung ist wichtig, weil die Unionsparteien und die SPD, die voraussichtlich die nächste deutsche Regierung stellen, im Bundestag auf die Zustimmung der Grünen angewiesen sind. Um die im Paket vorgesehenen Änderungen im Grundgesetz zu beschliessen, braucht es sowohl im Bundestag als auch im Bundesrat eine Zweidrittelmehrheit. Vor allem im Bundesrat könnte es knapp werden.
Worauf haben sich Union, SPD und Grüne geeinigt?
Das Grundgesetz soll an mehreren Stellen geändert werden, um drei Dinge zu regeln. Ausgaben für Verteidigung, Zivilschutz, Nachrichtendienste und Cybersicherheit sollen nur noch bis zu einer Grenze von einem Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) – also etwa 44 Milliarden Euro – unter die Schuldenbremse fallen. Alles darüber hinaus kann aus Krediten bezahlt werden.
Weiter soll im Grundgesetz ein Sondervermögen für Investitionen in Infrastruktur und Klimaneutralität verankert werden, das von der Schuldenbremse ausgenommen und mit 500 Milliarden Euro aus Krediten gefüttert werden soll. Davon sollen 100 Milliarden Euro in den Klimaschutz fliessen. Auf Druck der Grünen wurde festgehalten, dass die Gelder für «zusätzliche Investitionen» gedacht sind. Sie wollen so Wahlgeschenke von Union und SPD aus dem normalen Haushalt verhindern. Zudem wurde die Klimaneutralität bis 2045 im Gesetz verankert.
Ausserdem bekämen die Länder mit der Änderung mehr Spielraum für eigene Verschuldung: Zusammen sollen sie künftig Kredite in Höhe von 0,35 Prozent des BIP aufnehmen dürfen.
Was kritisieren die anderen Parteien?
Kritik gibt es unter anderem am Vorhaben von Union und SPD, die Abstimmung zum Schuldenpaket noch im alten Bundestag abzuhalten. Im neu gewählten Bundestag haben Linke und AfD eine Sperrminorität und könnten die für das Paket notwendige Grundgesetzänderung blockieren.
Die beiden Parteien hatten beim Bundesverfassungsgericht mehrere Eilanträge eingereicht. Sie argumentierten, dass dem alten Bundestag die verfassungsrechtliche Legitimation für die Abstimmung fehle. Das Bundesverfassungsgericht lehnte die Anträge am Freitag jedoch als unbegründet ab. Inzwischen wurden weitere Eilanträge eingereicht, die eine Verschiebung der Abstimmung im Bundestag verlangen.
Die Rechtspartei AfD kritisiert zudem die zusätzlichen Gelder für den Klimaschutz. Es würden Milliarden für klimaideologische Projekte verbrannt, für die Generationen teuer bezahlen müssten. Auch die Linke sieht die zusätzlichen Ausgaben für Klimaschutz und Aufrüstung kritisch. Es fehle der soziale Ausgleich.
Die FDP derweil hält die Pläne von Union, SPD und Grünen für fiskalpolitisch verantwortungslos. Die Liberalen kritisieren ausserdem, dass die Klimaneutralität bis 2045 im Grundgesetz verankert werde. Auch das BSW, das wie die FDP im neuen Bundestag nicht mehr vertreten sein wird, sieht das Schuldenpaket kritisch.
Wie geht es im Bundestag weiter?
Das Schuldenpaket hat am Wochenende eine wichtige Hürde genommen. Der Haushaltsausschuss des Bundestages hat den Gesetzesentwurf mit Stimmen von Union, SPD und Grünen beschlossen. Der Ausschuss empfiehlt den Abgeordneten, das Paket zu verabschieden. Am Dienstag erfolgt voraussichtlich die Abstimmung im Bundestag.
Für die Grundgesetzänderung braucht es eine Zweidrittelmehrheit. Stimmen die Fraktionen von Union, SPD und Grünen geschlossen für die Änderung, kommt das Paket sicher durch. Die Parteien verfügen über einen Puffer von 31 Stimmen. Da die Abstimmung noch im alten Bundestag erfolgt, ist es für viele die letzte Abstimmung. Es könnte also sein, dass sich nicht alle Abgeordneten an die Vorgabe der Fraktion halten oder dass nicht alle anwesend sein werden. Der CDU-Chef Friedrich Merz auf jeden Fall denkt, dass es knapp werden könnte. Es müsse noch Überzeugungsarbeit in allen drei Fraktionen geleistet werden, sagte er am Sonntag in der ARD.
Wie sieht die Zustimmung im Bundesrat aus?
Am Freitag tagt der Bundesrat, die Vertretung der Länder. Hier sind 46 der 69 Stimmen notwendig, um die Grundgesetzänderungen zu beschliessen. Landesregierungen, an denen nur CDU/CSU, SPD und Grüne beteiligt sind, kommen auf 41 Stimmen.
Mit 6 Stimmen von den Freien Wählern aus Bayern würde es auch im Bundesrat reichen. Doch die Stimmen sind in Gefahr, weil der dortige Koalitionspartner der CSU dem Paket bis jetzt nicht zustimmen will. Damit Bayern zustimmen kann, muss sich die Koalition aus CSU und Freien Wählern einig sein. Sonst bleibt nur eine Enthaltung, die einer Ablehnung gleichkäme. Am Montag will der CSU-Chef Markus Söder Hubert Aiwanger von den Freien Wählern zur Zustimmung bewegen.
Offen ist, wie sich Landesregierungen mit Beteiligung von FDP, Linken und BSW entscheiden. Die FDP ist in Sachsen-Anhalt und Rheinland-Pfalz beteiligt (je 4 Stimmen), das BSW regiert in Thüringen und Brandenburg mit (ebenfalls je 4 Stimmen). Die Linke ist in Bremen und Mecklenburg-Vorpommern (je 3 Stimmen) Teil der Landesregierungen.
Was passiert, wenn das Schuldenpaket scheitert?
Scheitert das Schuldenpaket, würden die Union und die SPD die Grundlage für ihre Regierungskoalition verlieren. Viele der Vorhaben, über die die beiden Parteien gerade verhandeln, sind ohne zusätzliches Geld nicht finanzierbar. Die beiden Parteien müssten sich also auf Kürzungen im Haushalt einigen.
Ob die SPD unter diesen Voraussetzungen noch bereit wäre, mit der Union zu regieren, ist ungewiss. Eine echte Alternative zu einer schwarz-roten Koalition gibt es nach der Bundestagswahl allerdings nicht, da der CDU-Chef Merz eine Kooperationen mit der AfD und eine Minderheitsregierung ausgeschlossen hat.
Mit Agenturmaterial.