Nach Springsteens Brandrede gegen den amerikanischen Präsidenten bei einem Konzert in England schiesst Trump scharf zurück, was der Sänger wiederum nicht auf sich sitzen lässt. Das Gefecht zwischen zwei Multimillionären, die beide für sich beanspruchen, im Namen der einfachen Leute zu sprechen.
Letzte Woche hat Bruce Springsteen bei einem Konzert in der englischen Stadt Manchester die Regierung von Donald Trump scharf kritisiert. «Sie holen die Bewohner ohne ordentliches Gerichtsverfahren von den amerikanischen Strassen und schicken sie als Gefangene in ausländische Haftanstalten», sagte der 75-jährige Sänger vor 20 000 Zuhörern. «Sie fahren die Bürgerrechte zurück, die zu einer gerechteren und vielfältigen Gesellschaft geführt haben. Sie verlassen unsere Verbündeten und tun sich mit Diktatoren zusammen, gegen jene, die für Freiheit kämpfen. Und sie entziehen den Universitäten, die sich ihren ideologischen Forderungen widersetzen, die Mittel.»
Die Mehrheit der gewählten Repräsentanten habe es versäumt, das amerikanische Volk vor den Missbräuchen eines ungeeigneten Präsidenten und einer Schurkenregierung zu schützen, sagte er. In Anspielung auf Elon Musk und die Zerschlagung von USAID sagte Springsteen: «In Amerika finden die reichsten Männer Gefallen daran, die ärmsten Kinder der Welt Krankheit und Tod auszuliefern.»
Trump bezeichnet Springsteen als «dumm wie ein Stein»
Der amerikanische Präsident schoss daraufhin auf seinem sozialen Netzwerk Truth Social scharf zurück. «Ich sehe, dass der stark überschätzte Bruce Springsteen ins Ausland geht, um schlecht über seinen Präsidenten zu sprechen. Ich habe ihn nie gemocht, weder seine Musik noch seine linksradikale Politik, und, am wichtigsten, er hat kein Talent – er ist nur ein aufdringlicher, unausstehlicher Idiot.» Er nannte ihn «dumm wie ein Stein» und «eine vertrocknete Pflaume». Trump beendete seine Tirade mit einer Drohung: «Er soll seinen Mund halten, bis er wieder in den USA ist. Dann werden wir alle sehen, wie es für ihn weitergeht.»
Aber Springsteen hält seinen Mund nicht. Am Samstag wiederholte er bei einem weiteren Konzert in Manchester seine Kritik, sprach vom sich ausbreitenden Autoritarismus in den USA und sagte, das Amerika, das er liebe, sei gegenwärtig in der Hand einer korrupten, inkompetenten und verräterischen Regierung.
Das Weisse Haus reagierte erneut mit einer Gegenattacke. «Die 77 Millionen Amerikaner, die Trump wählten, widersetzen sich elitären und abgehobenen Berühmtheiten wie Bruce Springsteen», sagte ein Sprecher der Regierung. «Bruce kann gerne in Übersee bleiben, während hart arbeitende Amerikaner dank Präsident Trump in den Genuss einer sicheren Grenze und sinkender Inflation kommen.»
Tatsächlich hat der Schlagabtausch insofern auch eine ironische Note, als zwei alte Multimillionäre darum streiten, wer die einfachen Durchschnittsamerikaner vertritt.
Springsteen verliert die Hälfte seiner Fans
Nachdem Trump nebst Springsteen auch Taylor Swift angegriffen hatte, schaltete sich die mächtige Musikergewerkschaft American Federation of Musicians of the United States and Canada (AFM) ein. Die Gewerkschaft werde nicht schweigen, wenn zwei ihrer Mitglieder vom Präsidenten der Vereinigten Staaten herausgegriffen und persönlich attackiert würden, sagte der AFM-Präsident Tino Gagliardi und erinnerte an das Recht der freien Meinungsäusserung.
Die öffentliche Kritik Springsteens ist insofern auffällig, als sich viele Musiker, Künstler und Schauspieler anders als während Trumps erster Amtszeit mit Kritik an der Regierung zurückhalten; vor allem aber ist seine Stellungnahme bemerkenswert, da sich unter seinen Fans auch viele Republikaner finden. Sein Gitarrist Steve Van Zandt sagte kürzlich in einem Interview, dass die Band aufgrund der politischen Parteinahme wahrscheinlich etwa die Hälfte ihres amerikanischen Publikums verliere. Schon der frühere amerikanische Präsident Ronald Reagan hatte sich, wie andere prominente Republikaner nach ihm, positiv über Springsteen geäussert. Viele von Springsteens Stücken, dessen Vater Fabrikarbeiter war, behandeln das Leben und die Sorgen von einfachen Amerikanern, vor allem auch im Rostgürtel, in dem Trump viele Anhänger fand.
Verbreitetes Schwarz-Weiss-Denken
Insofern war Springsteen auch lange eine Art Brückenbauer zwischen den zwei Lagern in der amerikanischen Gesellschaft, die oft kaum noch Kontakt zueinander haben. Er sprach sowohl gebildete, linke Städter wie auch konservative Arbeiter in den ländlichen Regionen an. Noch letzten Herbst äusserte er sich in diesem Sinne gegenüber dem amerikanischen Nachrichtensender ABC: «Die Menschen wissen grösstenteils, wo ich stehe, aber ich will auch einen Raum, in dem die Leute das Gefühl haben, dass sie kommen und mit ihrem Nachbarn zusammen sein können, unabhängig davon, welchen politischen Standpunkt sie vertreten.»
Aber offenbar glaubt er inzwischen nicht mehr an die Möglichkeit dieses Zwischenraums, und auch für viele seiner ehemaligen Fans taugt er nicht mehr als «ehrlicher Makler» oder «Go-between». Spätestens seit seiner Wahlempfehlung für Kamala Harris weht ihm von republikanischer Seite eine steife Brise entgegen, und nun nach der Trump-Kritik erst recht. Insofern ist seine Parteinahme auch ein Symptom für die Polarisierung, die kaum noch Raum für Grautöne lässt.