Das Rally am Anleihemarkt schwächt sich zwar vorübergehend ab. Aber Chinas Staatsführung muss sich dennoch um die Finanzmarktstabilität der weltweit zweitgrössten Volkswirtschaft sorgen.
Die chinesische Zentralbank will mit Stresstests prüfen, ob die Banken und Finanzinstitute der Volksrepublik grössere Schwankungen am Markt für Staatsanleihen verkraften können. Das berichteten die staatlichen chinesischen Medien diese Woche.
Hintergrund ist die seit Monaten anhaltende Sorge der Finanzpolitiker der zweitgrössten Volkswirtschaft der Welt, dass sich die Volatilität am Anleihemarkt zu einer Liquiditätskrise im Bankensystem ausweiten und die Finanzstabilität Chinas gefährden könnte.
Die Führung in Peking hat sich wiederholt kritisch über das Ausmass der Anleihekäufe geäussert, die die Renditen stark gedrückt haben. Die Behörden wollen mit ihren Tests herausfinden, wie die Banken auf einen plötzlichen Anstieg der Renditen um zweistellige Basispunkte reagieren.
Handel mit Anleihen bricht ein
Bis Anfang August hatte ein ausgeprägtes Rally bei zehnjährigen Staatsanleihen zu Rekordtiefständen bei den Renditen geführt. Zuletzt brach der Handel mit diesen Anleihen jedoch ein, nachdem der chinesische Staat Regularien überarbeitet, Druck ausgeübt und die Banken sogar öffentlich kritisiert hatte.
Bloomberg hatte berichtet, dass chinesische Aufsichtsbehörden Geschäftsbanken etwa in der Provinz Jiangxi angewiesen hätten, ihre Käufe von Staatsanleihen nicht abzuwickeln. Bestätigt ist das nicht, die Informationspolitik im abgeschotteten chinesischen Finanzsystem ist wie gewohnt dürftig.
Am Montag behielt die Zentralbank ihren Leitzins bei und reduzierte die Liquidität am Markt – auch das dürfte das Rally am Anleihemarkt weiter abkühlen. Die Kurse lang laufender Staatsanleihen fielen zu Wochenbeginn auf den tiefsten Stand seit rund einem Monat.
Die Bewegung am Markt ist nach Ansicht von Experten allerdings nicht vorbei: «Anleger sollten sich darauf einstellen, dass die Volatilität in China während der Stresstests der Behörden weiter zunehmen wird», sagte Zhaopeng Xing, Anlagestratege bei der Australia & New Zealand Banking Group, laut Bloomberg.
Verbesserte Kreditvergabe
Die Anleihekurse entwickeln sich umgekehrt zu den Renditen. Eine Erholung der Renditen verschafft beispielsweise chinesischen Versicherungen, die massiv in den Anleihemarkt investiert haben, finanziellen Spielraum.
Experten gehen davon aus, dass die chinesische Zentralbank die Finanzinstitute auch dazu bewegen will, Kredite an die Realwirtschaft zu vergeben, statt Geld in Anleihen zu parkieren. Zuletzt war die Kreditvergabe im Land rückläufig. Die chinesische Wirtschaft kämpft derzeit mit einem verlangsamten Wachstum und einer insgesamt schwächeren konjunkturellen Dynamik.
Die Versicherungen haben grosse Summen in den chinesischen Anleihemarkt gepumpt, da es in China derzeit an attraktiven Anlagemöglichkeiten mangelt.
Dies liegt zum einen am Zusammenbruch des Immobilienmarktes, der vor der Krise rund 25 Prozent zur chinesischen Wirtschaftsleistung beigetragen hatte. Zum anderen befindet sich der Aktienmarkt seit mehreren Jahren in einer Krise und erholt sich nur mühsam von seinen Tiefständen. Zudem haben sich die Konjunkturaussichten weiter eingetrübt. Als Geldanlage kommt daher neben Staatsanleihen fast nur Gold infrage.
Die chinesische Zentralbank ist – ungewöhnlich für das autoritäre politische System der Volksrepublik – bemüht, einige ihrer Schritte öffentlich zu erklären. Zentralbankchef Pan Gongsheng sagte am Wochenende in einem Interview mit dem Staatssender CCTV, die Volksrepublik wolle an einer «unterstützenden Geldpolitik festhalten, das Kreditwachstum fördern und die Finanzierungskosten allmählich senken». Solche öffentlichen Äusserungen sollen das Vertrauen in Chinas Finanzstabilität stärken.