Die Vogelgrippe bedroht seltene Tierarten im Zoo. Breitet sie sich aus, müssen ganze Tierbestände getötet werden. Ein neuer Impfstoff bietet zuverlässigen Schutz. Seine Zukunft ist jedoch ungewiss.
Vor zwei Jahren kam es im Tierpark Dählhölzli in Bern zum Albtraum eines jeden Zoo-Tierarztes. Es wurden zwei wilde Graureiher tot aufgefunden. Todesursache: die hochpathogene Vogelgrippe H5N1. Kurz darauf starb ein Zootier, ein Krauskopfpelikan, an dem Virus.
Zum Glück für die anderen Zoovögel kam es nicht zum Schlimmsten: Das Virus verbreitete sich nicht weiter. Denn wenn das geschieht, müssen ganze Tierbestände gekeult, sprich: getötet werden. So passiert beispielsweise diesen Januar im Zoo Stralsund, wo über hundert Vögel getötet wurden.
In Bern musste der Tierarzt Stefan Hoby seine Tiere sofort einstallen und für sechs Monate im Stall behalten. Das bietet zwar kurzfristig guten Schutz, aber langfristig ist das keine artgerechte Haltung. «Für die Tiere ist das eine extreme Stresssituation», sagt Hoby.
Eine neue Lösung
Deshalb wandte er sich damals mit seiner Idee ans Institut für Virologie und Immunologie (IVI) des Bundes: einer Vogelgrippe-Impfung für Zoovögel. Danach ging es schnell. Innert kürzester Zeit entwickelten die Forscher am IVI einen experimentellen Impfstoff gegen die H5N1-Viren, die derzeit in Europa sowie den USA zirkulieren.
In einem Forschungsprojekt wurde dieser Impfstoff seit August 2023 im Tierpark Dählhölzli Bern und im Zoo Basel getestet. Insgesamt wurden 317 Vögel 24 verschiedener Arten geimpft. Am Dienstag wurden die Resultate präsentiert. Und sie sind vielversprechend.
Dass so schnell ein angepasster Impfstoff hergestellt werden konnte, ist kein Zufall. Zehn Jahre Grundlagenforschung am IVI haben die Vorarbeit geleistet. Der Impfstoff basiert auf einem ungefährlichen Trägervirus. Diesem Virus wird ein Antigen des Vogelgrippevirus eingebaut.
Der entstandene Impfstoff wurde den Zoovögeln intramuskulär verimpft. Das verabreichte Virus kann sich zwar nicht vermehren und macht nicht krank, doch die Tiere entwickeln Antikörper gegen den eingebauten Bestandteil des Vogelgrippevirus. Nach 5 Wochen gab es eine Booster-Impfung.
Seit jenem Vorfall vor zwei Jahren gab keine weiteren Erkrankungsfälle von Tieren mit Vogelgrippe in der Umgebung des Berner Zoos. Zwar kann man nicht sagen, wie gut geschützt die geimpften Tiere vor einer Infektion sind. Doch Untersuchungen an Blutproben zeigen, dass alle geimpften Tiere einen ausreichenden Schutz gegen den Ausbruch der Krankheit aufgebaut haben.
Impfen in Badehosen
«Es ist ein absolut sicherer Impfstoff. Wir haben keine Nebenwirkungen beobachtet», sagt Christian Wenker, Tierarzt des Zoo Basel. Dennoch war die Impfkampagne ein komplexes Unterfangen.
Zoovögel einzufangen und ihnen eine Spritze zu verabreichen, ist nicht einfach. «Um einen Flamingo zu impfen, muss man ihn halten wie eine Rock-Gitarre», sagt Wenker. Dafür mussten Tierpfleger teilweise in Badehosen ins Wasser steigen. Doch der Aufwand lohnt sich. Denn die Impfung schützt nicht nur vor der Krankheit, sondern eben auch vor den Massnahmen wie dem Einstallen oder schlimmstenfalls dem Keulen wertvoller Zootiere.
Trotz den positiven Resultaten ist die Zukunft des Impfstoffes ungewiss. Dabei würden die Zootierärzte am liebsten schon im Herbst wieder impfen. Aber es fehlt ein Hersteller, der den Impfstoff kommerziell herstellen könnte, und somit auch eine Zulassung für den Impfstoff. Diese muss durch einen Produzenten beantragt werden.
Die Forscher des IVI sind gegenwärtig auf der Suche nach Investoren, damit aus dem Experiment ein Produkt wird. Doch in der Schweiz gibt es keinen solchen Hersteller, und die Margen im Veterinärbereich sind klein, was die Gewinnaussichten schmälert.
Ein schwieriger Markt
Was die Geldbeschaffung zudem erschwert: In der Zwischenzeit kam ein Impfstoff gegen das H5N1-Virus auf den Markt, der in Frankreich bereits im Einsatz ist. Grosse Mastbetriebe für Enten, die Foie gras produzieren, wurden 2023 gar zur Impfung verpflichtet. Mit einer Sonderbewilligung könnte dieser auch in den Zoos zum Einsatz kommen.
Zur Wirksamkeit des französischen Impfstoffes gibt es bis jetzt noch keine publizierten Daten. Doch beim IVI bleibt man zuversichtlich. «Jetzt braucht es Tests, um die beiden Impfstoffe vergleichen zu können», sagt Gert Zimmer, Virologe am IVI und an der Universität Bern.
Unklar ist beispielsweise, welcher Impfstoff über längere Zeiträume einen besseren Schutz bietet. Enten in Mastbetrieben leben nur drei Monate, Legehennen immerhin über ein Jahr. Flamingos wiederum leben bis zu 80 Jahre. Die Vögel im Tierpark Bern haben auch ein Jahr nach der Impfung noch genügend Antikörper im Blut.
Es wäre also durchaus möglich, dass hier eine Marktlücke für den Impfstoff des IVI existiert. Gert Zimmer ist jedenfalls von den Vorteilen seines Impfstoffes überzeugt. Jetzt braucht es noch ein Unternehmen, das diese Überzeugung teilt.