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Die Universität Bern handelt: Nach antisemitischen Umtrieben wird das Institut für Nahoststudien aufgehoben und neu organisiert. Das ist gut. Doch es löst das Problem nicht.
Auf den ersten Blick wird man sagen: Die Universität Bern greift durch. Ein Mitarbeiter des Instituts für Nahoststudien, der nach dem Anschlag der Hamas vom 7. Oktober mit antisemitischen, gewaltverherrlichenden Tweets von sich reden gemacht hatte, wurde entlassen. Die Fakultät gab eine externe Administrativuntersuchung in Auftrag. Nun wird das Institut aufgelöst und die Leiterin abgemahnt. So wie es der Untersuchungsbericht empfiehlt.
Alles in Ordnung also? Nein. Die Massnahmen, die die Universitätsleitung angeordnet hat, sind ein Paradebeispiel dafür, wie man handeln kann, ohne die grundsätzlichen Probleme anzupacken. Das Institut für Studien zum Nahen Osten und zu muslimischen Gesellschaften wird zwar in der bestehenden Form nicht weitergeführt. Aber es wird weiterbestehen. In neuer Form, aber unter der gleichen Leitung.
Die Institutsleiterin Serena Tolino wird entmachtet, allerdings nur vorübergehend. So lange, bis das Institut neu aufgestellt ist. Obwohl der Untersuchungsbericht schwerwiegende Führungsmängel diagnostiziert und festhält, dass die Probleme aufs Engste mit der Person der Leiterin verknüpft sind. Am Institut, das gaben Studierende und Mitarbeiter zu Protokoll, herrsche ein Klima ideologischer Intoleranz, die Stimmung sei polarisiert. Die wissenschaftliche Tätigkeit sei stark politisch geprägt: propalästinensisch und gegen Israel, alternative Forschungsansätze würden nicht gepflegt.
Unterdrücker und Unterdrückte
Damit ist das Problem benannt, das weit über die Universität Bern hinaus von Bedeutung ist: ein Konzept, das Forschung als anwaltschaftliche Tätigkeit im Dienst der Entrechteten dieser Welt begreift. Die postkoloniale Theorie teilt die Welt ein in Weiss und Schwarz, Unterdrücker und Unterdrückte. Und sie versteht Universitäten nicht mehr als Institutionen, die sich um Wissen und Erkenntnis bemühen, sondern als Akteure im politischen Kampf – in einem höheren Sinn legitimiert durch das Siegel der Wissenschaft.
Am Anfang der Wissenschaft stehen für die Vertreter der Postkolonialen Studien allerdings keine Fragen, sondern Gewissheiten. Zum Beispiel die, dass Weisse immer privilegiert und deshalb auch rassistisch sind. Oder dass Vernunft ein von weissen Männern erfundenes Konstrukt zur Unterdrückung all dessen sei, was sich dem Machtanspruch der Weissen nicht fügen will.
Zu den Dogmen der Postkolonialisten gehört es, dass die Aufgabe einer kritischen Wissenschaft darin bestehe, Rassismus sichtbar zu machen, auch wo er nicht auf den ersten Blick zu erkennen ist. Und dass Juden zu den weissen Unterdrückern gehörten und grundsätzlich Täter seien, nicht Opfer. Das also, was am Berner Nahostinstitut als Mehrheitsmeinung gilt. Aber nicht nur dort. Im Fachbereich «Urban Studies» der Uni Basel gelten die gleichen Standards.
Glaube statt Wissenschaft
In den USA vergiften diese Kampfbegriffe seit Jahren die Debatte über Hautfarbe, Gender und die Folgen des Kolonialismus. Im Zug der wissenschaftlichen Globalisierung haben sie auch die Schweiz erreicht und prägen das Klima an den akademischen Institutionen, die sich als fortschrittlich verstehen.
Im Untersuchungsbericht zu den Verhältnissen an der Uni Bern ist der «postkoloniale Wandel», den Serena Tolino in Lehre und Forschung herbeigeführt hat, ausdrücklich benannt. Allerdings ohne dass der Postkolonialismus als das qualifiziert würde, was er ist: eine Theorie, die nicht von wissenschaftlichen Standards geprägt ist, sondern von Glaubenssätzen.
Wissenschaft zeichnet sich dadurch aus, dass sie ihre Grundlagen kritisch reflektiert. In der Berner Islamwissenschaft ist davon ebenso wenig zu spüren wie bei den Basler «Urban Studies», denen ein interner Untersuchungsbericht vergangene Woche einen Persilschein ausgestellt hat. Wo Wissenschaft und politischer Aktivismus so unauflöslich ineinander verschlungen sind, ist das Problem nicht mit ein paar administrativen Massnahmen zu lösen. Der Ungeist sitzt zu tief.