In den meisten Ländern in Europa gilt eine Rückkehr von Donald Trump ins Weisse Haus als Schreckensszenario. Nicht so in Ungarn und Serbien.
Als der amerikanische Kongress im April der milliardenschweren Militärhilfe für die Ukraine doch noch zustimmte, war die Erleichterung in den europäischen Hauptstädten gross. Getrübt wird sie aber von der Sorge über den künftigen Kurs Washingtons. Im November könnte Donald Trump wieder ins Weisse Haus gewählt werden – mit ungewissen Aussichten für die amerikanische Unterstützung Kiews und damit auch die Sicherheit Europas.
Ideologie und Geopolitik
Trotz der Atempause, die Joe Bidens Präsidentschaft gewährt hat, sind die europäischen Länder nach wie vor ungenügend gerüstet für eine neuerliche Infragestellung des transatlantischen Bündnisses. Und so setzten viele schlicht auf die Hoffnung, dass es doch nicht zu einem Machtwechsel kommt.
Allerdings nicht überall. Zwei europäische Staatsmänner ersehnen Trumps Rückkehr ins Weisse Haus: der ungarische Regierungschef Viktor Orban und Serbiens Präsident Aleksandar Vucic. Die beiden teilen mit Trump die autokratischen Züge und die Weigerung, offen auf Distanz zum russischen Präsidenten Wladimir Putin zu gehen. Wenn auch nicht aus den gleichen Motiven.
President @realDonaldTrump was a president of peace. He commanded respect in the world, and created the conditions for peace. During his presidency there was peace in the Middle East and peace in Ukraine. We need him back more than ever! Thank you for the invitation, Mr.… pic.twitter.com/4nSqwoYxMV
— Orbán Viktor (@PM_ViktorOrban) March 10, 2024
Für Orban geht es vor allem darum, im mächtigsten Amt der Welt einen ideologischen Gesinnungsgenossen zu haben, einen Kämpfer gegen linke Eliten und den woken Zeitgeist, der am Konzept der illiberalen Demokratie nichts Anrüchiges findet.
Freie Hand auf dem Balkan
Auch Serbiens Präsident Vucic sieht sich und sein Land als Bollwerk gegen einen dekadenten Westen. Wichtiger als die ideologische Rückendeckung ist für Vucic aber, mehr Bewegungsfreiheit auf dem Balkan zu erhalten, die er sich von Trumps Wiederwahl erhofft.
Während dessen erster Amtszeit lehnte Washington, im Gegensatz zu anderen westlichen Hauptstädten, die Idee eines Landtausches zwischen Serbien und Kosovo nicht kategorisch ab. Sogar ein ominöser Vorschlag über eine völlige Neuordnung des westlichen Balkans zirkulierte für einige Zeit.
Mit dem transaktionalen «Dealmaker» im Weissen Haus, so die Hoffnung, würden sich für Belgrad neue Räume eröffnen, in Kosovo und darüber hinaus. Aus demselben Grund macht auch der mit Sezession liebäugelnde Führer der bosnischen Serben, Milorad Dodik, aus seiner Präferenz für Trump kein Geheimnis. Joe Biden nannte er einst einen «Serbenhasser».
«Ein Mann des Friedens»
Das dickste Lob für Trump kam aber jüngst von Viktor Orban. Nach seinem Besuch in dessen Anwesen in Florida lobte der ungarische Regierungschef seinen Gastgeber. Während Trumps Amtszeit habe weder in der Ukraine noch im Nahen Osten Krieg geherrscht – und wäre Trump jetzt Präsident, wäre das immer noch der Fall.
Kehre Trump ins Weisse Haus zurück, so Orban, würden die USA «keinen Penny mehr» nach Kiew überweisen. Dann werde der Krieg enden, denn es sei offensichtlich, dass die Ukraine nicht auf eigenen Füssen stehen könne. Gewinne dagegen Joe Biden die Wahl im November, sei das schlecht für die Welt, erklärte der Ministerpräsident gegenüber dem staatlichen ungarischen Fernsehen.
Ein so offener Positionsbezug in der Innenpolitik des wichtigsten Nato-Verbündeten ist erstaunlich – noch dazu von jemandem, der sich stets vehement jede Einmischung von aussen in die ungarische Politik verbittet. Überraschen kann er dennoch nicht. Orban sprach sich bereits im Sommer 2016 und als erster führender Politiker eines EU-Staats für Trump aus. Damals galt in Europa dessen Sieg gegen Hillary Clinton als praktisch ausgeschlossen.
Beträchtliche Soft Power für Ungarn
Im Frühling 2019 erntete er die Früchte dafür mit einem Empfang im Oval Office, nachdem die Obama-Administration die Beziehungen zu Ungarn wegen der demokratiepolitischen Rückschritte unter Orban noch auf das Nötigste beschränkt hatte. Dieser mache seine Aufgabe gut und halte sein Land sicher, lobte dagegen Trump.
Sein einstiger Chefstratege Steve Bannon nannte Orban sogar einen «Trump vor Trump». Kein Wunder, sprach sich der ungarische Regierungschef 2020 für die Wiederwahl Trumps aus und kritisierte gleichzeitig den «moralischen Imperialismus» der Demokraten.
Die Begeisterung für Orban hält im konservativen Lager bis heute an. Erster Programmpunkt seiner jüngsten Amerikareise war ein Auftritt vor dem konservativen Think-Tank Heritage Foundation. Er habe viele Fans hier in den USA, schmeichelte deren Präsident dem ungarischen Regierungschef. Einer ist der bei Trumpisten einflussreiche ehemalige Fox-News-Meinungsmacher Tucker Carlson. 2021 sendete er seine damals quotenstärkste Primetime-Show sogar aus Budapest.
Trump selbst gab sich beim Galadinner zu Ehren Orbans in Mar-a-Lago gewohnt enthusiastisch: Niemand sei besser, smarter oder ein besserer Anführer als Viktor Orban: «He’s fantastic!»
Es ist eine erstaunliche Aufmerksamkeit, die das kleine und auch strategisch nicht sonderlich bedeutende Ungarn in Amerika erhält, wo wohl die Mehrheit der Bevölkerung googeln muss, um herauszufinden, wo das Land sich überhaupt befindet.
Orban ist es gelungen, sich über Europa hinaus als eine Symbolfigur des konservativen Zeitgeistes zu positionieren und Ungarn in diesen Kreisen eine beträchtliche Soft Power zu verschaffen. Bei seinem Motto «Gott, Heimat, Familie» erkennen sich auch diejenigen wieder, die etwa Budapests unkritische Haltung gegenüber China ablehnen.
Hoffnung auf aussenpolitischen Erfolg
Eine Lichtgestalt wie Orban ist der serbische Präsident Vucic für Amerikas Konservative nicht. Aber auch er stösst dort auf Wohlwollen. Seit den Jugoslawienkriegen waren unter keiner amerikanischen Regierung die Beziehungen zwischen Washington und Belgrad so gut wie in den Trump-Jahren.
Neben der weltanschaulichen Nähe war ein wichtiger Grund dafür, dass Trump im ungelösten Streit um Kosovo das Potenzial für einen aussenpolitischen Erfolg sah. Möglich machen sollte dies der damalige Botschafter in Berlin, Richard Grenell, den er als Sondergesandten für den Balkan einsetzte.
Grenells Vermittlungserfolg ging zwar nicht über ein wenig substanzielles Abkommen kurz vor den Wahlen 2020 hinaus. Für Vucic war die damit verbundene Einladung ins Weisse Haus dennoch ein aussenpolitischer Erfolg. Daran möchte er anknüpfen. Denn seit Bidens Wahl hat sich das Verhältnis mit Washington abgekühlt, wenn auch nicht im selben Masse wie im Falle Ungarns.
Paradoxerweise hat das auch mit dem Krieg in der Ukraine zu tun. Aus Angst vor russischen Destabilisierungsversuchen auf dem Balkan versucht der Westen Serbien als engsten Partner Moskaus in der Region an sich zu binden oder Belgrad zumindest nicht völlig vor den Kopf zu stossen.
Vucic investiert seinerseits in westliches Wohlwollen, indem er Militärmaterial exportiert, das auf Umwegen in die Ukraine gelangt. Dadurch verschafft sich der serbische Präsident ganz im Sinne seiner seit Jahren praktizierten Balancepolitik auch unter veränderten geopolitischen Umständen Handlungsräume.
Orban ist zunehmend isoliert
Für Orban gilt das weniger. In Washington ist man zunehmend ungehalten über dessen Kumpanei mit Wladimir Putin, die lange Blockierung von Schwedens Nato-Mitgliedschaft oder das kürzlich geschlossene Sicherheitsabkommen mit China. Bei seinem USA-Besuch im März traf Orban keinen einzigen Vertreter der Regierung Biden.
Stattdessen erklärte Präsident Joe Biden, der ungarische Regierungschef glaube nicht an die Demokratie und versuche eine Diktatur zu errichten. Auch in Europa hat sich Orban mit seinem kremltreuen Kurs isoliert, an den letzten EU-Gipfeln musste er seine Positionen aufgeben, ohne echte Zugeständnisse zu erhalten.
Umso wichtiger sind ihm die Kontakte zu Politikern mit ähnlichen Positionen. Wenn sich Orban für die rasche, nicht von rechtsstaatlichen Reformen abhängige Aufnahme Serbiens in die EU ausspricht, dann auch, weil er in Vucic einen Verbündeten sieht. Je mehr Staaten Teil der Union sind, die jeden Verweis auf rechtsstaatliche Missstände als ungebührende Einmischung in innere Angelegenheiten betrachtet, desto besser.
Eine riskante Wette
Orban setzt auf eine Neuordnung des geopolitischen Kräfteverhältnisses und hofft, Ungarn dank seinen Banden zu autoritären Herrschern einen Startvorteil zu verschaffen. Diese Wette ist aber nicht ohne Risiko. Ungarns Wohlstand ist eng verknüpft mit der EU-Mitgliedschaft, seine Sicherheit mit derjenigen in der Nato.
Orban weiss das und achtet deshalb darauf, es mit den Provokationen nicht zu übertreiben. Kehrt Trump ins Weisse Haus zurück, ist das vor allem auf symbolischer Ebene ein Triumph für Orban. Konkrete Vorteile darüber hinaus hätte es für Ungarn aber nicht – eher im Gegenteil.