Cargo Sous Terrain schien nach harscher Kritik von Kantonen und Städten vor dem Aus zu stehen. Nun will die Führungscrew dem futuristischen Röhren-Projekt mit einem abgespeckten Konzept neues Leben einhauchen.
Selten ist ein grosses Infrastrukturprojekt von den Behörden so zerzaust worden wie Cargo Sous Terrain (CST) im vergangenen Jahr. Von einer überhasteten Planung über die Beeinträchtigung des Grundwassers bis hin zum Verkehrskollaps an den Orten, an denen die unterirdische Güterbahn an die Strasse angeschlossen wird, war in den Stellungnahmen der Kantone Zürich, Aargau und Solothurn sowie der betroffenen Gemeinden die Rede.
Besonders hart ging die Stadt Zürich mit dem Pionier-Projekt ins Gericht: Nicht nur bemängelte sie, dass die Unterlagen zur geplanten Infrastruktur die gesetzlichen Anforderungen nicht erfüllten. Auch äusserte sie starke Zweifel, ob der Gütertunnel überhaupt einen Beitrag zur Lösung des Verkehrsproblems leiste.
Schweizer Güterbahn kostet 35 Milliarden Franken
Das futuristische Projekt, das davor eine Hürde nach der anderen überwand, geriet daraufhin in eine tiefe Krise. Von Beginn weg war die Idee, Güter mit einer unterirdischen Güterbahn quer durch die Schweiz zu transportieren, hoch umstritten. Einige hielten sie für visionär, andere für eine Spinnerei. Zumal das geplante, 500 Kilometer lange Tunnelsystem im Endausbau mit 35 Milliarden Franken das teuerste Infrastruktur-Projekt seit der Neat wäre. Nun schienen die Skeptiker recht zu behalten – und schien die unterirdische Röhre kurz vor dem Aus zu stehen.
Mittlerweile hat sich die Firma CST wieder aufgerappelt. Der Personalbestand wurde verkleinert sowie eine grundlegende Überprüfung des Projekts anberaumt. Und seit Oktober 2024 steht dem Projekt mit Christian Späth ein neuer CEO vor. Der Ingenieur, der davor 10 Jahre beim Baukonzern Implenia arbeitete und dort die Tiefbau-Sparte leitete, ist kein Machtmensch vom Typ Alfred Eschers. Vielmehr will der gebürtige Deutsche das Pionier-Projekt mit Realitätssinn und Beharrlichkeit wieder auf Kurs bringen.
Die Kritik am Projekt bezeichnet der 56-Jährige in diversen Punkten als berechtigt: «Man wollte möglichst schnell zu einer Baubewilligung gelangen und hat es unterlassen, den betroffenen Gemeinden und Kantonen zuzuhören und ihre Anliegen in die Projektplanung aufzunehmen.» Das werde man nun nachholen und sich bis zur Festsetzung des Sachplans des Bundes drei Jahre mehr Zeit lassen.
Späth will zudem grundlegende Korrekturen an der Technologie des Logistiksystems vornehmen: Gemäss den bisherigen Plänen sollten die Güter in den unterirdischen Röhren mit unbemannten, autonom fahrenden Fahrzeugen von den Logistikzentren in der Peripherie in die urbanen Zentren transportiert werden – und das rund um die Uhr. «Aufgrund eines Gutachtens der Technischen Universität Karlsruhe sind wir zum Schluss gekommen, dass diese Systemvorstellungen nicht wirtschaftlich sind.»
Als kostentreibendes Hindernis hatte sich nicht zuletzt erwiesen, dass die autonom verkehrenden Fahrzeuge Wärme erzeugen, was den Tunnel auf eine Temperatur von 28 Grad und mehr aufgeheizt hätte. Um zu verhindern, dass damit das Grundwasser oberhalb des Tunnels erwärmt wird, hätte es im Tunnel Schleusen und Lüftungsanlagen gebraucht, die sehr teuer sind.
Statt mit autonomen Fahrzeugen sollen die Güter im Tunnel nun mit einer Seilbahn transportiert werden. Dabei werden im Abstand von jeweils 60 Metern schienengeführte Wagen durch den Tunnel gezogen, auf denen jeweils drei Paletten Platz haben. Insgesamt könnten damit gut 1800 Paletten pro Stunde und Richtung befördert werden. Die Gesamtkapazität des Tunnels entspricht der Ladung von etwa 250 Sattelschleppern.
Die Anlage soll nach dem Sessellift-Prinzip funktionieren: Die Wagen werden von einem umlaufenden Drahtseil gezogen, an den einzelnen Hubs wird die Geschwindigkeit der Fahrzeuge – wie an den Mittelstationen – gedrosselt, um bei Bedarf Waren auszuladen. Am Ziel sollen die Paletten automatisch mit Aufzügen nach oben geschickt werden, wo sie dann aus den Transportboxen ausgeladen werden. Die Feinverteilung in den Städten geschieht dann mit LKW, Lieferfahrzeugen und Lastenvelos.
«Wir nutzen bereits bewährte Technologien, um daraus ein intelligentes und autonomes System zu entwickeln», betont Späth. Ebenfalls soll der Tunnelquerschnitt gegenüber den ursprünglichen Plänen verkleinert werden. Damit sollen sich die Investitionskosten um 30 Prozent und die Betriebskosten um 15 Prozent verringern. «Wir gehen davon aus, mit diesen Korrekturen wettbewerbsfähige Preise für den Warentransport anbieten zu können», ist Späth überzeugt.
Das CST-System hat gegenüber dem Transport auf der Strasse oder Schiene den Vorteil, dass die Güter nicht erst aus den Logistikzentren losgeschickt werden können, wenn ein Lastwagen oder ein Zug voll ist, sondern jederzeit. Auch droht keine Staugefahr, weshalb die Nutzer keine Zeitzuschläge entrichten müssen wie auf der Strasse. Da weniger Kilometer in Lastwagen zurückgelegt werden müssen, gilt es zudem als umweltfreundlich. Transportiert werden sollen im Tunnel alle möglichen Güter, von Haushaltsgegenständen über Kleider und Elektronikgeräte bis hin zu Lebensmitteln.
An der Streckenführung der ersten Teiletappe von Härkingen nach Zürich, für die nach derzeitigen Schätzungen etwa drei Milliarden Franken benötigt werden, will CST keine Anpassungen vornehmen. Weiterhin ist vorgesehen, dass es vom Startpunkt in Gäu im Kanton Solothurn bis zum Flughafen Zürich insgesamt zwölf Hubs geben soll. Und das, obwohl die Stadt Zürich allen drei geplanten Hub-Standorten auf dem Stadtgebiet kritisch gegenübersteht, etwa weil sie Mehrverkehr in Wohngebieten befürchtet oder den Schutz des Grundwassers gefährdet sieht. Er sei weiterhin optimistisch, an diesen Standorten Grundstücke zu finden, welche die Bedürfnisse der Stadt Zürich erfüllen, sagt Späth. Man habe dazu nochmals eine Areal-Evaluation durchgeführt und werde zeitnah mit den städtischen Behörden das Gespräch suchen.
Da sich CST mit der Ausgestaltung des Sachplanes des Bundes mehr Zeit lassen will, dürfte das raumplanerische Verfahren erst 2028 abgeschlossen werden; der Startschuss zum Bau der ersten Teiletappe könnte damit frühestens um 2030 erfolgen. Ursprünglich war geplant, dass der erste Abschnitt bereits 2031 eröffnet werden sollte.
Allerdings müsste bis dahin auch die Finanzierung des Vorhabens stehen. Zwar haben die Hauptaktionäre des Unternehmens – darunter die Detailhändler Coop und Migros etwa, die Post, Swisscom sowie die Versicherungen Mobiliar und Vaudoise – 140 Millionen für die Phase der Projektentwicklung und -planung eingeschossen. Mit diesem Geld kann CST laut Späth in den nächsten Jahren seine Büros in Olten betreiben, wo etwa 30 Mitarbeitende beschäftigt sind. Bis zum Beginn der Bauphase wird dann aber noch eine Zusatzfinanzierung erforderlich sein.
Die grösste Herausforderung steht jedoch erst noch bevor. So muss das Unternehmen Investoren für den Bau der ersten Teilstrecke finden, der gemäss heutigen Schätzungen über drei Milliarden Franken kosten wird. Sicher ist, dass dafür die Hauptaktionäre von CST nicht zur Verfügung stehen werden. Das gesamte Tunnelsystem von St. Gallen nach Genf und von einer Linie nach Basel würde insgesamt über 30 Milliarden Franken kosten.
Bund überprüft Projekt nochmals
Ein weiterer Lackmustest folgt in den kommenden Monaten. Nach der harschen Kritik der Kantone hat CST vom Departement von Verkehrsminister Albert Rösti den Auftrag erhalten, bis im Juni noch einmal die technische Machbarkeit, die Wirtschaftlichkeit und den volkswirtschaftlichen Nutzen des Projekts nachzuweisen. Nur wenn die vom Bund eingesetzten Experten den Bericht positiv beurteilen, sind Bund und Kantone bereit, am Sachplan für den Gütertunnel weiterzuarbeiten.
Als Misstrauensbeweis gegenüber dem Tunnelvorhaben wertet Späth den Überprüfungsauftrag des Uvek nicht. «Der Güterverkehr wird bis 2050 um über 30 Prozent zunehmen. Im Departement von Albert Rösti ist man sich bewusst, dass die bestehende Strassen- und Schieneninfrastruktur den damit verbundenen Mehrverkehr nicht bewältigen kann.» Das Volks-Nein zum Autobahnausbau habe gezeigt, dass die Bevölkerung einen weiteren Ausbau der oberirdischen Transportinfrastruktur ablehnt, so Spät. Als Alternativlösung komme da eigentlich nur der Bau eines neuen Verkehrswegs im Untergrund infrage.