Nach seiner Karriere als Profi-Eishockeyspieler verwirklicht sich Eric Blum heute als Besitzer einer Hutmanufaktur und eines Cafés. Das ist auch ein Ausbruch aus einer Scheinwelt, in der er sich nie vollständig zu Hause gefühlt hat.
Einen Caffè Latte mit Hafer- statt Kuhmilch, einen doppelten Espresso und einen Grüntee. «Kommt sofort», sagt Eric Blum und stellt sich hinter die Kaffeemaschine. Es ist ein ungewohntes Bild. Statt mit Stock und Scheibe hantiert der ehemalige Verteidiger des SC Bern mit Küchenutensilien.
Seit Mitte 2024 betreibt er in Zürich Wiedikon zusammen mit seinem Schwager Luca Blum und Fabian Gass das Café Lalere. Wer die Bedeutung des Namens googelt, stösst ins Leere. «Lalere» steht für die Anfangssilben der Namen der Kinder der drei Partner: Laurin, Leya und Reiwa.
Eric Blum hinter dem Tresen eines Cafés: Das ist ein Bild, das noch gewöhnungsbedürftig ist. Während 21 Jahren war der Zürcher professioneller Eishockeyspieler, man sah ihn vornehmlich unter einem Helm und mit dem Stock in der Hand. Für die SCL Tigers, die Kloten Flyers und den SC Bern spielte er 762 Spiele in der National League. Mit dem SCB holte er dreimal den Titel, dazu war er Teil von Sean Simpsons Nationalteam, das 2013 in Stockholm die erste WM-Silbermedaille für die Schweiz nach 60 Jahren gewann.
Von einem brutalen Check niedergestreckt
Blum war einer der kreativsten Verteidiger auf Schweizer Eis. Ein filigraner Techniker, für den Eishockey nicht Krampf, sondern eine Art Kunst war. Bis zum 14. Februar 2021. Da streckte ihn Fabrice Herzog in einem Match gegen den HC Davos mit einem brutalen Check auf offenem Eis nieder. Als Wiederholungstäter wurde Herzog für acht Partien aus dem Spiel genommen. Blums Karriere hingegen war zu Ende.
Mehr als ein Jahr lang versuchte er die schweren Symptome der Verletzung zu überwinden, immer wieder aber wurde er von den Spätfolgen der Hirnerschütterung gebremst. Schliesslich gab er die Hoffnung auf Heilung auf und beendete seine Karriere. Bis heute verfolgen Blum die Nachwirkungen der schweren Attacke. Strengt er sich zu sehr an, wird ihm zuerst schwindlig, dann übel. Eine Achterbahnfahrt mit seinem Sohn ist nicht möglich. Der Kopf erträgt abrupte Richtungswechsel nicht mehr.
Zum Zeitpunkt von Herzogs Angriff war Eric Blum 35 Jahre alt. Zwei, drei Jahre hätte er bestimmt noch weiterspielen können. Der finanzielle Schaden von Herzogs Attacke war erheblich. Blum hat sich einen Anwalt genommen und ein zivilrechtliches Verfahren angestossen. Bis heute ist der Fall hängig. Selbst heute, fast drei Jahre nach dem Vorfall, fällt es Eric Blum nicht leicht, über die Attacke zu sprechen. «Ich will nichts mehr damit zu tun haben. Die Anwälte sollen das untereinander regeln. Grosse Erwartungen aber habe ich keine mehr. Unser Sozialversicherungssystem ist nicht für Fälle wie den meinen gemacht. Schnell kommt jemand und sagt: Du hast ja genug Geld mit dem Sport verdient.»
Doch Blum denkt nicht nur an sich selbst. Es gebe viele Betroffene, die nicht in einer so populären Sportart wie er aktiv gewesen seien und kein Geld zur Seite hätten legen können. «Sie werden dann von einem Moment auf den anderen aus ihrem Traum gerissen und stehen vor dem Nichts. Ohne Hilfe, ohne Unterstützung.»
Nachdem sein Fall in einem Beitrag des Schweizer Fernsehens thematisiert worden war, meldeten sich Dutzende von Sportlerinnen und Sportlern mit ähnlichen Schicksalen bei ihm. Eine von ihnen ist die ehemalige Skirennfahrerin Leoni Zopp, die ihre Karriere nach einem Sturz auf den Kopf mit 18 Jahren hat beenden müssen. Kurz vor Weihnachten besuchte sie ihn in der Café-Bar in Zürich Wiedikon und tauschte sich länger mit ihm aus. Sie habe bei ihm an der Theke gestanden und hemmungslos geweint.
Eric Blum hat seine Karriere leben können, auch wenn sie das eine oder andere Jahr kürzer war, als es möglich gewesen wäre. Mit dem Eishockey hat er abgeschlossen. Im Stadion sieht man ihn kaum noch. «Was soll ich Spielern zuschauen, mit denen oder gegen die ich zum Grossteil noch gespielt habe?» Er sagt das ruhig und ohne Emotionen. Groll fühle er heute keinen mehr. Es sei mehr die Enttäuschung über das Verhalten, das nachher gekommen sei. Fabrice Herzog spielt mittlerweile für den EV Zug. Bis heute hat er sich nie bei seinem Opfer gemeldet, sich nie bei ihm entschuldigt oder auch nur gefragt, wie es ihm denn mittlerweile gehe.
Eishockey ist ein harter Sport. Angriffe auf den Körper sind Teil des Spiels. Doch sobald die Gesundheit oder gar die Karriere des Gegenübers gefährdet werden, ist eine Grenze überschritten, die nicht überschritten werden sollte. Mitten im Gespräch tritt Blums Schwager Luca an die Bar. Er ist gelernter Schreiner und hat die gesamte Inneneinrichtung dieser kleinen Oase mitten in der Stadt Zürich selbst entworfen und hergestellt. Mit Stolz zeigt er die Struktur des Eichenholzes, aus dem er die Bar, welche den Raum dominiert, gezimmert hat. Dazu fährt seine Hand fast schon liebevoll über die glatte Oberfläche.
Warum aber ein Café? Blum war schon als Eishockeyspieler ein Freigeist, ein Spieler, der über die Bande und die 60 Minuten, die ein Match üblicherweise dauert, hinausgedacht hat. Schon früh suchte er nach Möglichkeiten, sich auch neben dem Eis zu verwirklichen. Er spielte Musik in einer Band, gründete eine Firma, die Hüte entwirft. Er liefert heute bis in die USA nach Nashville, wo Roman Josi persönlich für die Manufaktur seines ehemaligen Nationalmannschaftskollegen wirbt.
Zum Café brachte ihn nicht zuletzt Fabian Gass, der mit ihm in der Band spielte und sein Fachwissen in der jahrelangen Auseinandersetzung mit dem Kaffee und im Austausch mit Arbeitskolleginnen und -kollegen aus aller Welt sammelte. Gass absolvierte den Studiengang The Art and Science of Coffee am Institut für Chemie und Biotechnologie an der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften.
Doch hinter der Geschäftsidee der drei Kollegen steht nicht nur der Wunsch, guten Kaffee anzubieten. Blum sagt: «Wir wollten nie einfach ein weiteres Café schaffen, in dem man sich einen Latte im Pappbecher holt und dann weiterhetzt. Uns schwebte ein Raum der Begegnung vor, in dem Leute für einen Espresso an der Bar zusammen- und ins Gespräch kommen, statt einfach an ihr Tischchen sitzen und in sich selbst abtauchen.»
Blum sagt: «Mein Schwager Luca und ich sind Träumer. Wir leben Ideale, die eigentlich nur schlecht in eine Leistungsgesellschaft wie das professionelle Eishockey passen.» Gleichzeitig treibt sie die Überzeugung an, dass es selbst heute noch Platz für romantische Ideen gibt, die sich nicht allein am Kommerz orientieren.
Eishockeyspieler werden heute mit modernen Gladiatoren verglichen. Blum spricht von einer testosterongeladenen Machowelt, in der es nur bedingt Platz für Ästhetik gebe. Dabei sei Eishockey eigentlich ein ästhetischer Sport, in dem vieles im Fluss sei. «Ich konnte diese Seite meiner Persönlichkeit im Eishockey nur bedingt ausleben. Doch ich habe mich nie allein über den Sport definiert. Hinter jedem Sportler steht auch ein Mensch.»
Ausbruch aus der Scheinwelt
Der Sport ist eine Scheinwelt, in der Schwächen und Bekenntnisse zu diesen nur beschränkt Platz haben. Man läuft Gefahr, etikettiert und in eine Schublade geschoben zu werden. Das habe ihm nicht Mühe, sondern ihn eher müde gemacht. «Das ist ein kleiner, aber bedeutender Unterschied.»
Viele, die ihn nur als Sportler kennen, werden sich möglicherweise fragen: «Was macht der jetzt? Kaffee, Design und Handwerk? Wie kommt der denn auf so etwas?» Blum sagt: «Ich hatte das immer in mir, ich war immer ein Perfektionist. Das war ich früher im Sport, und das bin ich auch heute, wenn ich versuche, einen möglichst schönen Kaffee zu machen.»
Blum spricht von zwei gegensätzlichen Welten, die ihm beide lägen. «Deshalb bin ich selbst nicht überrascht von dem, was ich heute mache. Ich hatte dieses Faible für das Schöne immer in mir.» Im Sport werde man häufig auf etwas reduziert. Diese Einseitigkeit habe ihn zuweilen Energie gekostet.
Eric Blum ist im Reinen mit sich und einem Leben, das am 14. Februar 2021, einem Valentinstag, eine abrupte Wende genommen hat. Er steht nicht mehr auf dem Eis, sondern hinter der Bar und bedient dort Menschen mit Kaffee und einem Lebensgefühl – fern der Hektik des Alltags in der Scheinwelt des Spitzensports. Er hat diese inzwischen weit hinter sich gelassen.