Eigentlich regelt ein Verteilschlüssel, welcher Kanton wie viele Flüchtlinge aufnehmen muss. Doch die Praxis ist komplizierter. Sie soll künftig klarer werden.
Schon seit Jahren klagen die Kantone, die hohe Zahl von Asylbewerbern bringe sie an den Anschlag. Sie sagen, es fehle an Plätzen, Personal und an Geld. Mit Luzern und dem Aargau befinden sich zwei Kantone im Asylnotstand. Der Kanton Aargau hat den Notstand erst Mitte Januar verlängert.
Einige Kantone kritisierten zudem immer wieder, dass sie überproportional viele Asylbewerber aufnehmen müssten. Deshalb haben die beiden Geschäftsprüfungskommissionen (GPK) des Parlaments im Januar 2023 die Parlamentarische Verwaltungskontrolle (PVK) beauftragt, die Verteilung der Flüchtlinge auf die Kantone zu untersuchen.
Nun hat die GPK des Ständerates (GPK-S) einen entsprechenden Bericht veröffentlicht und darin mehrere Empfehlungen an den Bundesrat gesammelt.
Der Verteilschlüssel
Eigentlich ist das Prozedere ganz einfach: Asylbewerber werden zunächst in einem Bundesasylzentrum (BAZ) untergebracht. Nach spätestens 140 Tagen verteilt das Staatssekretariat für Migration die Flüchtlinge proportional zur Bevölkerungszahl auf die Kantone. Doch hier wird es kompliziert.
Kantone, die ein BAZ beherbergen, müssen weniger zusätzliche Flüchtlinge aufnehmen. Dasselbe gilt für Kantone, die Asylbewerber versorgen, die ausgeschafft werden sollen. Ein Algorithmus des Staatssekretariats für Migration (SEM) verteilt die Flüchtlinge in den BAZ nach diesen und weiteren Kriterien auf die Kantone.
Die GPK-S beurteilt diese Verteilung im Bericht als grundsätzlich positiv, sieht aber Handlungsbedarf. Sie schreibt, dass der Algorithmus regelmässig übersteuert werden müsse, da er nicht alle notwendigen Kriterien berücksichtige. Und weil manche BAZ diese Kriterien anders anwenden als andere, kann ein Kanton mehr Flüchtlinge zugewiesen bekommen als eigentlich vorgesehen.
In einer Mitteilung schreibt die GPK-S dazu, die BAZ müssten die Weisungen des SEM einheitlich anwenden. Im Bericht heisst es allerdings auch, dass die Kantone die geltenden und komplexen Regeln aufgestellt hätten und dass diese einen Ermessensspielraum offen liessen. Folglich ist nicht nur der Bund, sondern sind auch die Kantone selbst für die gegenwärtige Situation verantwortlich.
Empfehlungen an den Bundesrat
Derzeit läuft ein Pilotprojekt der ETH Zürich, welches die Verteilung von Flüchtlingen auf die Kantone optimieren soll. In diesem Projekt werden neben den geltenden Regeln auch weiche Faktoren berücksichtigt, welche die Integration der Flüchtlinge in den Arbeitsmarkt beschleunigen und das Asylsystem damit entlasten sollen.
Die GPK-S empfiehlt dem Bundesrat nun, die Kriterien für die Verteilung zu überprüfen und dabei die Ergebnisse der ETH einzubeziehen. Zudem soll er untersuchen, inwiefern der Algorithmus erweitert werden könnte, damit er alle notwendigen Kriterien berücksichtigt und diese auch transparent ausweist. Doch offenbar könnte es hier weitere Probleme geben: Die Kommission empfiehlt dem Bundesrat deshalb, die bestehenden Informatiksysteme zu erneuern.
Allein mit einer Beschaffung neuer Systeme ist ein Problem allerdings noch nicht gelöst. Das zeigen die Schwierigkeiten in anderen Aufgabenbereichen des Bundes immer wieder. Doch glücklicherweise gäbe es eine günstige Möglichkeit, den Kantonen entgegenzukommen, die speziell belastet sind.
Das SEM analysiert die Situation im Asylwesen jedes Jahr neu, verteilt die Flüchtlinge und spricht die entsprechenden Pauschalen für die Kantone. Beamte sprechen vom «Jährlichkeitsprinzip». Laut dem Bericht ist das allerdings nur «teilweise zweckmässig». Die GPK-S schlägt deshalb vor, dass ein Kanton, der zu viele Flüchtlinge aufgenommen hat, im Folgejahr entlastet wird.
Die Verteilung von Flüchtlingen in der Schweiz dürfte schon bald wieder für Diskussionen sorgen. Spätestens Ende Mai. Dann verstreicht die Frist der GPK-S für den Bundesrat, sich zu den Empfehlungen zu äussern.