Zur Bundestagswahl geht der Wahl-O-Mat wieder online. Wähler können damit herausfinden, welche Partei ihre Ansichten am besten widerspiegelt. Das Programm erfreut sich grosser Beliebtheit, steht jedoch auch immer wieder in der Kritik.
Am 23. Februar wählt Deutschland einen neuen Bundestag. Während sich die Parteien im finalen Wahlkampf befinden, fragen sich viele Wählerinnen und Wähler: Welcher Partei gebe ich meine Stimme? Für diese Frage soll der Wahl-O-Mat der Bundeszentrale für politische Bildung (BPB) die passenden Antworten liefern. Seit Donnerstag ist das Online-Tool wieder verfügbar.
Mit dem Wahl-O-Maten können Nutzer herausfinden, welche Partei am besten zu ihren politischen Ansichten passt. Dazu benötigt es jedoch etwas Zeit. Das Programm liefert 38 politische Thesen – von internationalen Konflikten über Krankenkassen bis hin zu Schuldenbremse und Frauenquote.
Die Nutzer beantworten die Thesen mit «stimme zu», «neutral» oder «stimme nicht zu». Anschliessend wählen sie die Parteien, mit denen sie ihre Standpunkte vergleichen möchten. Zur Auswahl stehen alle 28 Parteien, die bei der Bundestagswahl 2025 antreten. Der Wahl-O-Mat wertet die Antworten aus und zeigt an, bei welchen Parteien die grösste Übereinstimmung liegt.
Das Vorbild stammt aus den Niederlanden
Mittlerweile gibt es unzählige Alternativen wie den Real-O-Mat, den Wahl-Swiper, den Wahl-Kompass oder den Agrar-O-Mat. Doch keines dieser Tools blickt auf eine so lange Geschichte zurück wie der Wahl-O-Mat. Seit 2002 hilft es den Menschen bei der politischen Orientierung. Die Bundeszentrale für politische Bildung (BPB) entwickelte es zusammen mit Politikwissenschaftern, Journalisten und Jugendlichen. Das Ziel: Politik verständlich machen – besonders für junge, unentschlossene Wähler. Als Vorbild dienten der BPB ähnliche Wahlkampfentscheidungshilfen aus den Niederlanden, insbesondere der Stem-Wijzer, der bereits 1989 entstand.
Der Wahl-O-Mat wurde erstmals zur Bundestagswahl 2002 eingesetzt. Damals wurde er mehr als 3,6 Millionen Mal genutzt. Seither begleitet er die Wähler bei Landtags- und Bundestagswahlen sowie bei den Wahlen für das Europäische Parlament. Mittlerweile ist er ein fester Bestandteil des Wahlkampfs und gewinnt mit jeder Wahl an Popularität. Bei der Bundestagswahl 2021 wurde er mehr als 21 Millionen Mal aufgerufen – ein Rekord. Dieser könnte in diesem Jahr gebrochen werden. Seit der Wahl-O-Mat am Donnerstag online ging, wurde er in den ersten 24 Stunden bereits über neun Millionen Mal genutzt, wie ein Sprecher der Bundeszentrale dem Redaktionsnetzwerk Deutschland mitteilte. Doch wie verlässlich ist das Tool?
Parteien zogen schon vor Gericht
Trotz seinem Erfolg gibt es immer wieder Kritik. Besonders kleinere Parteien bemängelten, dass sie benachteiligt würden, weil sich viele Nutzer oftmals auf die grossen Parteien konzentrierten. Die proeuropäische Kleinpartei Volt klagte 2019 beim Verwaltungsgericht Köln und forderte mehr Chancengleichheit. Die damalige Version des Tools erlaubte lediglich den Vergleich mit acht Parteien. Das Gericht gab Volt recht. Der Wahl-O-Mat benachteilige mit dieser Einschränkung kleinere und weniger bekannte Parteien, urteilten die Kölner Richter. Seitdem können die Nutzer im Programm alle Parteien miteinander vergleichen.
Und auch der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) sorgte 2020 für Kontroversen. Der Wahl-O-Mat schloss die Partei aus, weil sie die dänische Minderheit vertritt. Das Tool betrachtete sie als «nicht relevant». Das Bundesverfassungsgericht entschied jedoch, dass die Ausgrenzung des SSW rechtswidrig war und dass er wieder in den Wahl-O-Maten aufgenommen werden müsse.
Der Entscheid führte wiederum zu der Frage, wer überhaupt berechtigt ist, den SSW zu wählen. Sein Programm richtet sich an die dänische und die friesische Minderheit in Schleswig-Holstein. Da der SSW nur im Bundesland Schleswig-Holstein antritt, bleibt das Stimmenpotenzial der Partei begrenzt. Viele Wähler können sie daher nicht in ihre Entscheidungen einbeziehen, obwohl der Wahl-O-Mat die Partei ihnen trotzdem vorschlägt.
Fokus auf Wahlprogramme statt Kandidaten
Ein weiterer, häufig genannter Kritikpunkt: Der Wahl-O-Mat ignoriert das politische Personal. Er orientiere sich ausschliesslich an den Wahlprogrammen der Parteien und berücksichtige keine Spitzenkandidaten. Doch für viele Wähler zählen Persönlichkeiten mehr als Parteiprogramme. Zudem reduziere das Tool komplexe Themen wie Kriege auf einfache Ja- und Nein-Fragen.
Auch die Rolle der BPB als Betreiber des Wahl-O-Maten wirft oft Fragen auf. Kaum eine Behörde beeinflusst die politische Meinungsbildung in Deutschland so stark wie die BPB. Doch als staatliche Institution untersteht sie dem Bundesinnenministerium – und agiert somit nicht unabhängig. Kritiker zweifeln an ihrer weltanschaulichen Neutralität und werfen ihr vor, dass sie gewisse politische Positionen bevorzuge.
Die BPB argumentiert, der Wahl-O-Mat sei lediglich ein «Steinchen im Mosaik» in der Wahlentscheidung. Auf der Website heisst es, das Tool gebe keine Wahlempfehlung, sondern diene als Informationsangebot für Wahlen und Politik.
Anders gesagt: Der Wahl-O-Mat bietet Orientierung, ersetzt aber keine eigene Recherche. Wer eine fundierte Wahlentscheidung treffen will, kommt um eine Auseinandersetzung mit den Kandidaten nicht herum.