Die Grossbank gibt am 17. März das Gehalt ihres CEO für das Geschäftsjahr 2024 bekannt. Ermottis Bonus dürfte erneut für Aufregung sorgen. Und der UBS politisch schaden.
«Eine Bank wie die Schweiz», so lautet der aktuelle Werbeslogan der UBS. Mit lokalem Engagement und Volksnähe will sich die globale Grossbank bei der heimischen Bevölkerung beliebt machen. Doch passt auch der Lohn des Bankchefs Sergio Ermotti zur Schweiz?
Das wird die Öffentlichkeit am 17. März erfahren. Dann publiziert die Grossbank ihren Geschäftsbericht und das Salär ihres Chefs. Aufregung ist programmiert. Schon für das Jahr 2023 betrug Ermottis Gehalt 14,4 Millionen Franken – für 9 Monate Arbeit. Für das Geschäftsjahr 2024 könnte sein Lohn die Marke von 20 Millionen Franken überschreiten.
Dabei sorgte Ermottis Gehalt schon vor einem Jahr für Unmut. «Ich kann gewisse Summen nicht nachvollziehen», sagte Finanzministerin Karin Keller-Sutter. Es sei zur Entkoppelung von Wirtschaft und Bevölkerung gekommen, das sei nicht gut. Die Politik konterte am Montag: Der Ständerat hiess eine Motion gut, die Banklöhne bei 3 bis 5 Millionen Franken im Jahr deckeln will.
Abzocker-Debatte wiederbelebt
Schon mit Ermottis Salär für 2023 hat die Grossbank sich selbst einen Bärendienst erwiesen. In der öffentlichen Wahrnehmung wurde die UBS nach der Notübernahme der CS von der Retterin des Finanzplatzes zu einem Problem für das Land. Selbst Ermottis Vorgesetzter, der UBS-Präsident Colm Kelleher, räumte im «Sonntags-Blick» ein, dass mit der Bekanntgabe des CEO-Lohns im Frühjahr 2024 «die Stimmung kippte wie ein Lichtschalter».
Heute macht die UBS vielen Angst. Bundesrat, Finanzmarktaufsicht und Wissenschaft fordern mehr Eigenkapital für die Bank. Ihre Bilanz soll damit sicherer gemacht werden, um eine Situation wie während der Finanzkrise 2008, nach der die UBS vom Staat gerettet werden musste, zu verhindern. Die Kapitalfrage wird nun zwar frühestens Ende 2026 dem Parlament vorgelegt. Doch ein CEO-Lohn in «Abzocker-Dimensionen» bei einer Bank, die in der Not den Staat im Rücken weiss, schadet ihren eigenen Interessen.
Zumal die Debatte über exzessive Managerlöhne zwölf Jahre nach Annahme der Volksinitiative «gegen die Abzockerei» von Thomas Minder wieder auflebt. So sorgte dieses Jahr bereits der Novartis-CEO Vas Narasimhan mit einem Salär von über 19 Millionen Franken für Aufregung. Dann erhielt der Sunrise-Chef André Krause ein Lohnpaket von 15 Millionen Franken. Und jetzt kommt Ermotti.
Würde das Gehalt für seine Arbeit 2023 auf 12 Monate hochgerechnet, betrüge seine 2024er Vergütung bereits mehr als 19 Millionen Franken. Hinzu kommt, dass die UBS bereits eine Erhöhung des maximal möglichen CEO-Gehalts angekündigt hat.
UBS hat Lohnobergrenze angehoben
Bisher betrug die Obergrenze für den Aktienanteil von Ermottis variabler Vergütung das Fünffache seines Grundgehalts. Für 2024 hat die Bank diese Grenze auf das Siebenfache angehoben. Grund: Die Limite für den CEO-Bonus wurde an jene der anderen Konzernleitungsmitglieder angeglichen.
Das bedeutet, dass Ermotti nebst einem Grundsalär von 2,5 Millionen Franken zusätzlich einen variablen Bonus von bis zu 17,5 Millionen Franken bekommen kann. Attestiert ihm der UBS-Verwaltungsrat einen «exzellenten Beitrag» zum Firmenerfolg sowie ein «beispielhaftes Verhalten», dürfte die ihm zugesprochene Vergütung locker die 20 Millionen Franken erreichen.
Das gesamte Lohnpaket besteht neben dem Grundlohn aus drei Teilen: einem jährlich ausgezahlten Bonus in bar, einem Aktienbonus, der in drei Jahren gestaffelt ausgezahlt wird (Long Term Incentive Plan, LTIP), sowie einem weiteren, langfristigen Kapitalbonus, der in fünf Jahren zur Auszahlung kommt (Deferred Contingent Capital Plan, DCCP).
Doch eine Lohnsumme um 20 Millionen Franken trügt. Denn das für Ermotti für das Geschäftsjahr 2024 ausgewiesene Lohnpaket entspricht nicht der Vergütung, die ihm in ein paar Jahren ausgezahlt werden wird. Diese könnte je nach Entwicklung des UBS-Aktienkurses bedeutend höher oder tiefer ausfallen. Das ist problematisch, denn das verzerrt die Zahl, die am 17. März im Vergütungsbericht publiziert wird.
Zumal bei der UBS der Aktienanteil des LTIP nur mit 50 Prozent bewertet wird. Damit könnte die realisierte Vergütung noch viel höher ausfallen, als der maximale Multiplikator suggeriert, gibt der Aktionärsvertreter Vincent Kaufmann von Ethos zu bedenken. «Wird die variable Aktienvergütung zu 100 Prozent ausgezahlt, könnte der CEO gesamthaft über 28 Millionen Franken realisieren», sagt Kaufmann, der Direktor der Anlagestiftung. Ob Ermotti diese Summe tatsächlich bekommen wird, wird aber erst in drei Jahren ersichtlich sein.
Bezahlung für «Performance»
Die UBS betont auf Anfrage, dass 80 Prozent der variablen Vergütung des CEO um bis zu fünf Jahre aufgeschoben seien und dem Verfallsrisiko unterlägen. Das bedeutet, dass die aufgeschobene Vergütung nur ausbezahlt wird, wenn die Bank eine «nachhaltige Performance» erzielt. Die Vergütungsstruktur der UBS gehöre gerade in Bezug auf die Aufschubfristen im Vergleich zur Konkurrenz zu den strengsten.
Doch wieso muss ein Vielfaches des Grundgehalts leistungsgebunden sein? Gemäss dem Finanzprofessor Rüdiger Fahlenbrach der ETH Lausanne soll das Bankenchefs ermuntern, nur Projekte zu verfolgen, die ein gutes Ertrags-Risiko-Profil haben. Wenn die leistungsbezogene Vergütung verzögert ausgezahlt werde, seien die CEO zurückhaltender darin, schlechte Risiken einzugehen, die nur dem kurzfristigen Erfolg dienten, aber langfristig potenziell schädlich für das Unternehmen seien.
Der Risikominderung dient auch der Langfristbonus DCCP. Diesen wird Ermotti in fünf Jahren bekommen, und er macht 30 Prozent seiner variablen Vergütung aus. Dieser Bonus besteht nicht aus Aktien, sondern aus AT1-Anleihen, die verfallen, wenn die Bank in eine Krise gerät. Sofern die UBS aber nicht längere Zeit Verluste schreibt und 2028 noch existiert, ist Ermotti dieser Bonus praktisch sicher. «Bis der Bankchef den DCCP nicht bekommt, muss die Bank sehr grosse Probleme mit der Kapitalisierung haben», sagt Kaufmann.
Banken hätten unterschiedliche Vergütungsphilosophien, sagt Axel May, Lohnexperte bei der Beratungsfirma HCM International, die auch die UBS in Vergütungsfragen berät. Wolle man stärker den Verantwortungsumfang betonen, sei der Anteil fixer Vergütung grösser. «Ist Leistung wichtiger, steigt die variable Komponente», sagt May .
Mit Leistung ist in erster Linie Mehrwert für die Aktionäre gemeint. Denn die beiden Messzahlen, welche die Höhe von Ermottis Aktienbonus massgeblich bestimmen, sind die Rendite auf das harte Kernkapital und die Gesamtrendite für die Aktionäre, der Total Shareholder-Return.
Ermotti hat also Anreize, die Bank möglichst profitabel zu machen und die Aktionäre mit einem steigenden Aktienkurs, Dividenden oder Aktienrückkäufen zu beglücken. Im Februar kündigte die Bank denn auch einen Aktienrückkauf in Höhe von 3 Milliarden Franken an.
Gemäss Kaufmann muss man prüfen, wie sich das auf die variable Vergütung auswirkt. Denn Aktienrückkäufe führen zu einer höheren Eigenkapitalrentabilität. Da diese als Messgrösse für die variable Vergütung diene, sei es für das Management relativ einfach, ohne zusätzlichen operativen Gewinn seine Vergütung zu maximieren.
Wann ist ein Managerlohn zu hoch?
Komplexe Vergütungssysteme können jeden Lohn begründen. Doch viele empfinden die absolute Höhe der Gehälter als exzessiv. «Die höchsten Managerlöhne in der Schweiz tasten sich wieder an die Niveaus vergangener Zeiten heran», sagt Kaufmann.
Im Jahr 2006 – also noch vor der Finanzkrise – bekam der Ex-UBS-Chef Marcel Ospel einen Lohn von über 26 Millionen Franken, der Novartis-Chef Daniel Vasella erhielt 2008 rund 40 Millionen; und der Ex-Credit-Suisse-CEO Brady Dougan brachte es 2010 sogar auf 90 Millionen Franken.
Für Kaufmann stellen solche Löhne ein Reputationsproblem für Management, Aktionäre und Mitarbeiter dar, weil sie völlig losgelöst von den Verhältnissen in der Realwirtschaft seien. «Novartis hat Jahre gebraucht, um die Reputation wieder herzustellen, die durch die Exzesse von Daniel Vasella beschädigt wurde», sagt er.
Je grösser und internationaler und damit komplexer eine Bank, desto grösser sei der variable Vergütungsteil, erklärt Axel May. Auch der Vergleich mit amerikanischen Mitbewerbern sei dann relevanter. Die Vergütungshöhe ist auch ein Signal an den CEO, was man von ihm halte, bemerkt Fahlenbrach, «da will man nicht am unteren Ende sein».
Die UBS kann aber nicht nur auf Schweizer Befindlichkeiten Rücksicht nehmen, sondern muss auch mit der internationalen Konkurrenz mithalten können, um nicht Topkräfte an diese zu verlieren. Doch CEO-Gehälter in den USA bewegten sich in anderen Dimensionen: Der JP-Morgan-Chef Jamie Dimon verdiente zuletzt 36 Millionen Dollar, David Solomon von Goldman Sachs 31 Millionen.
Das verzerrt die Lohnskala. Wobei europäische Bankenchefs deutlich weniger verdienen. Christian Sewing von der Deutschen Bank etwa bekommt rund 9 Millionen Dollar. Die UBS vergleicht das Gehalt ihres CEO also auch mit jenen internationaler Mitbewerber. Konkurrenten sind gemäss eigenem Vergütungsbericht amerikanische Banken wie Goldman Sachs, Morgan Stanley oder JP Morgan, in Europa BNP Paribas und die Deutsche Bank, in der Schweiz einzig die Privatbank Julius Bär.
Kelleher schlägt vor, Aktionäre entscheiden
Es liegt am UBS-Präsidenten Kelleher, diese Faktoren bei der Leistungsbeurteilung für Ermotti abzuwägen. Zusammen mit dem Vergütungsausschuss schlägt er dem Verwaltungsrat Ziele, Beurteilung und Gesamtvergütung des CEO vor. Diese muss der Verwaltungsrat bewilligen und dann der Generalversammlung vorlegen.
«Die Aktionäre sind das letzte Korrektiv», sagt May, sie müssten den Vergütungsbericht bewilligen. Im vergangenen Jahr wurde dieser bei der UBS mit 83 Prozent Ja-Stimmen durchgewinkt, andere Traktanden kamen aber auf 90 Prozent und mehr. Zustimmungsquoten von unter 80 Prozent gelten als Misstrauensvotum. Die Vergütung sei oft ein Ventil für die Unzufriedenheit der Aktionäre, auch mit anderen Themen, sagt May.
An der Generalversammlung am 10. April wird sich zeigen, wie gross die Akzeptanz für Ermottis Lohn bei den Aktionären ist. Diese dürften ihn zwar wieder genehmigen. Doch die Bankchefs müssen sich bewusst sein: Ein Ja der Aktionäre zum Vergütungsbericht ist nicht gleichbedeutend mit «Ein Lohn von 20 Millionen ist in der Schweiz gesellschaftlich akzeptiert». Im Gegenteil: Viele Politiker werden das dankbar aufnehmen und vor ihren Wählern gegen die UBS verwenden.