Das Basler Bistum veröffentlicht den Stand seiner Aufarbeitung sexueller Übergriffe während der Amtszeit von Bischof Felix Gmür. Dieser wird für einen Fall aus dem Vatikan ermahnt.
Im vergangenen September hat eine von der römisch-katholischen Kirche in Auftrag gegebene Pilotstudie erschreckende Befunde ans Licht gebracht. Allein in diesem Projekt wurden für die Jahre seit 1950 insgesamt 1002 Missbrauchsfälle in der Schweiz offengelegt. Viel mehr, als die Kirche bis anhin zugegeben hatte. Nun berichtet das Bistum Basel, dem mit Felix Gmür der höchste Bischof der Schweiz vorsteht, über die eingegangenen Meldungen zu sexuellen Übergriffen und deren Bearbeitung während Gmürs Amtszeit.
Während der vergangenen dreizehn Jahre sind laut der Mitteilung vom Dienstag insgesamt 183 Meldungen von mutmasslichen sexuellen Übergriffen eingegangen. 92 davon entfielen auf die Zeit nach Veröffentlichung der Pilotstudie. «Das sind so viele wie zuvor in mehr als zwölf Jahren», heisst es in der Mitteilung.
Einen Fall nicht in Rom gemeldet
58 dieser 92 Meldungen betreffen mutmassliche sexuelle Handlungen mit Kindern. Zwei bezögen sich auf einen Vorfall im 21. Jahrhundert, die anderen datierten weiter zurück. Bei fünf Fällen habe es sich um Oral-, Anal- oder Geschlechtsverkehr gehandelt. «Grossmehrheitlich betroffen sind männliche, minderjährige mutmassliche Opfer bei grossmehrheitlich männlichen Erwachsenen als beschuldigte Person», schreibt das Bistum. 32 Beschuldigte seien zum Zeitpunkt des vorgeworfenen Delikts als Weltpriester oder Diakon tätig gewesen, 13 Mitglieder in einem Orden. Manche Personen seien mehrfach beschuldigt worden.
Ein Fall von mutmasslichen sexuellen Übergriffen eines Aushilfspriesters auf eine Minderjährige brachte Gmür eine Mahnung aus dem Vatikan ein. Gmür hatte im August 2023 Verfahrensfehler eingeräumt, eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft war nicht weiterverfolgt worden, und der Fall sei auch nicht in Rom gemeldet worden. Kirchliche Missbrauchsfälle dem Vatikan zu melden, ist allerdings Vorschrift. Dort liess Gmür den Fall dann doch noch prüfen und bekam nun eine Mahnung wegen mangelnder Vorsicht und wegen Unachtsamkeit. Es habe sich aber kein Anhaltspunkt für die Absicht von Vertuschung oder für mangelnden Respekt «vor der mutmasslichen Betroffenen» finden lassen.
«Ich setze alles daran, dass sich Verfahrensfehler, die insbesondere den Betroffenen zusätzlichen Schaden zufügen, durch die heute geltenden Verfahrensbestimmungen und die standardisierten, unabhängigen Bearbeitungen der Meldungen nicht wiederholen», liess sich Gmür in der Mitteilung des Bistums zitieren.
Bistum will Prävention verbessern
Im vergangenen September waren Rücktrittsforderungen gegen Gmür laut geworden. Renata Asal-Steger, die Präsidentin der Zentralkonferenz der staatskirchlichen Körperschaften, die die Gelder aus der Kirchensteuer verwaltet, drohte Gmür damit, seinem Bistum den Geldhahn zuzudrehen. Druck wirke, sagte Asal-Steger damals dem «Tages-Anzeiger». Auch die gesamtschweizerische Pilotstudie sei nur aufgrund von Druck entstanden. «Wir dürfen jetzt nicht nachlassen», forderte Asal-Steger.
Das Bistum Basel konnte nur insgesamt sieben Meldungen strafrechtlich anzeigen, weil die entsprechenden Delikte nach staatlichem Strafrecht bereits verwirkt oder verjährt sind. Nun will das Bistum die Aufarbeitung, die Intervention und die Prävention verbessern. «Bischof Felix Gmür, der Bischofsrat und die Betroffenenorganisationen befinden sich in einem Lernprozess und bleiben weiterhin im Gespräch», heisst es in der Mitteilung. Zudem stimme eine Tatsache zuversichtlich, dass die Präventionsarbeit Wirkung zeigte: Die Zahl der gemeldeten mutmasslichen Sexualdelikte, deren Tatzeitpunkt in den letzten zwanzig Jahren liege, habe deutlich abgenommen.