Niklas Hartweg kämpft an den WM in Lenzerheide um Medaillen. Seine Eltern gehören zu den grössten Förderern des Schweizer Biathlons. Über eine Familie und ihre Liebe zum Sport.
Manchmal schlägt das Leben den richtigen Pfad fast beiläufig ein. Niklas Hartweg betrieb als Kind mehrere Sportarten, von Triathlon über Langlauf bis zu Ski alpin. Irgendwann spürte er, dass ihm der Ausdauersport gut liegt, sein Körper die Kälte besser mag als die Hitze – so gewann Biathlon das Ausscheidungsrennen um das Bewegungstalent.
Nun ist Niklas Hartweg 24-jährig und zählt an den Weltmeisterschaften in seinem Wohnort Lenzerheide zu den Medaillenkandidaten. Er ist eines der Gesichter des Aufschwungs, der durch seine Eltern überhaupt erst möglich wurde. Denn Michael und Carola Hartweg gehören zu den grössten Förderern des hiesigen Biathlon-Sports; das war schon so, lange bevor Niklas Ambitionen entwickelte.
Die Privatinvestitionen der Hartwegs im zweistelligen Millionenbereich ermöglichten in Lenzerheide eine so moderne Biathlon-Anlage, dass Bewerbungen für Grossanlässe machbar wurden. Sie schufen zudem einen Stützpunkt, an dem die Athleten leben und trainieren können sowie eine Stiftung, die insbesondere junge Biathleten unterstützt. Wer ist die deutsche Familie, die den Schweizer Biathlon auf Kurs gebracht hat?
In London vermisste die Familie den Wintersport
Carola und Michael Hartweg lernten sich während des Studiums beim Triathlon-Training kennen. Der Sport zieht sich wie ein roter Faden durch die Familiengeschichte, die Begeisterung darüber scheint grenzenlos: Im Gespräch mit ihnen über den Sport in all seinen Facetten – von der Förderung des Nachwuchses über «Muuvr», die Fitness-App der Hartwegs, die Karrieren der Kinder bis zum eigenen Plausch beim Sporttreiben – kann man sich verlieren. 2007 zog die Familie in die Schweiz, nachdem sie zuvor zweieinhalb Jahre in London gelebt hatte.
Den Biathlon verfolgten sie zunächst nur am Fernsehen; in Deutschland ist er eine der beliebtesten TV-Sportarten. Erst in den Skiferien im Wallis nahmen die älteren Kinder Julia und Niklas an einem Schnupperwettkampf teil – und mochten die Sportart sofort. Nur die jüngste Tochter interessiert sich nicht für den Ausdauersport, sie reitet. Ihr zuliebe versuchte die Familie das Thema Biathlon am Familientisch in Wollerau zu vermeiden. So erzählen es die Eltern.
Das war gar nicht so einfach, denn der Biathlon nahm plötzlich sehr viel Platz ein. 2015 verkaufte der Mitgründer Michael Hartweg seine Anteile am Fintech-Unternehmen Leonteq für ein Vermögen. Zu jener Zeit beschlossen er und seine Frau, sich beim Projekt eines Biathlon-Zentrums in Lenzerheide zu engagieren, das mit der Finanzierung kämpfte.
Befruchtende Zusammenarbeit
Für Michael und Carola Hartweg war es das erste grosse gemeinsame Projekt neben der Familie, sie sprechen von einem «intensiven Leidenschaftsprojekt», bei dem sie sich ergänzten. Sie schauten sich Anlagen und Betriebskonzepte im Ausland an, tauschten sich mit dem Weltverband IBU aus. Alles, was den Bau betraf, übernahm Carola Hartweg: das Gebäude zu planen, zu überwachen, mitzuentwerfen. Um das Netzwerk, die Finanzen und das Politische kümmerte sich Michael Hartweg.
Mit seiner Begeisterung steckt Hartweg die Menschen an, er hat ein Gespür dafür, die richtigen Leute einzubeziehen. «Er hat so viele Ideen, dass er gar nicht alles umsetzen kann», sagt Carola Hartweg. Doch dann nimmt sie sich der detaillierten Umsetzung an, «und dann funktioniert es perfekt», sagt ihr Mann über sie.
Aus der Privatwirtschaft sind die beiden gewohnt, Pläne schnell umzusetzen. Das funktioniert so nicht mehr, wenn Gemeinden oder Verbände im Spiel sind. «Wir haben in den letzten zehn, zwölf Jahren manchmal gehört: ‹Ihr seid zu schnell›», sagt Carola Hartweg. Völlig normal, sagt der Swiss-Ski-Präsident Urs Lehmann: «Die beiden sind Vollblutunternehmer.»
Nach einigem Hin und Her verkaufen die Hartwegs 2021 die Biathlon-Arena an Swiss Ski. Das Loslassen sei ihnen besser gelungen als erwartet, sagen sie: «Das setzt wieder Zeit und Energien für anderes frei.» Beide sind noch Stiftungsräte in der selbstgegründeten Stiftung Mission Biathlon. Carola Hartweg ist zudem die Präsidentin des Biathlon-Stützpunktes Ostschweiz (BSO), das als Leistungszentrum für den Schweizer Nachwuchs fungiert. Zurzeit profitieren dort rund dreissig Talente von einer idealen Infrastruktur. Beim BSO angehängt ist zudem eine Trainingsgruppe von Athletinnen und Athleten, die es nicht in ein Swiss-Ski-Kader geschafft haben.
Für den eigenen Sohn Niklas Hartweg war das nicht nötig. Er entwickelte sich parallel zum Aufschwung des hiesigen Biathlon-Sports zum Weltklasseathleten, schaffte es 2022 zum ersten Mal auf ein Weltcup-Podest. Der Modellathlet fürchtete aber kurzzeitig um die vielleicht einmalige Chance von Heim-Titelkämpfen. In einem Trainingslager im Juni 2024 stürzte er beim Mountainbiken und zog sich Bänderrisse in der rechten Schulter zu. Er wurde operiert und fiel kurzzeitig in ein Loch. Doch die Heilung verlief besser als erwartet, auch spürte er keinen Rückstand nach einem Sommer ohne Schiesstraining. Im Januar wurde er im Weltcup bereits wieder Vierter.
Während der Sohn Niklas 2024 in der Reha schuftete, wollte es auch sein Vater sportlich noch einmal wissen. Er erhielt die Chance, den Ironman auf Hawaii zu absolvieren. Doch das Jahr war randvoll mit anderen Projekten, zeitlich war er besonders im Startup «Muuvr» stark gefordert, so dass er jede Lücke nutzen musste, um zu trainieren – manchmal bedeutete das stundenlang im strömenden Regen. «Ein bisschen absurd» nennen Carola und Michael Hartweg das vergangene Jahr mit einem Mammutprogramm. Ihr Ziel für 2025 besteht nun darin, weniger Projekte zu haben.
Doch die Reise nach Hawaii wollten die Hartwegs unbedingt machen, für die Familie schloss sich dort ein Kreis: 28 Jahre zuvor hatten Michael und Carola Hartweg beim Ironman auf Hawaii erfahren, dass Carola mit ihrer ersten Tochter schwanger war.
Irgendwann einmal in den vergangenen zehn Jahren entfuhr Michael Hartweg der Spruch: «Die Schweiz ist eine Biathlon-Nation, sie weiss es nur noch nicht.» Weiss sie es denn nun? Die beiden schmunzeln. Sie sind zufrieden, wenn sie sehen, wozu sie beigetragen haben. Doch dort, wo sie den Biathlon sehen, ist dieser noch nicht ganz. Wer weiss – vielleicht in zehn Jahren, bei einer nächsten WM in der Schweiz?