Die kamerunisch-schweizerische Ausstellungsmacherin wäre nächstes Jahr die erste afrikanische Kuratorin der Kunstbiennale von Venedig geworden. Koyo Kouoh ist mit 57 Jahren überraschend gestorben.
Kunst bestand für Koyo Kouoh nicht einfach aus Objekten, die ausgestellt werden können. Unter Kunst verstand sie etwas Soziales, auch Spirituelles: etwas, das über die blosse Gegenständlichkeit von Kunstwerken weit hinausweist. Indes arrangierte sie sich mit den materiellen Bedingungen von Kunst und den gegebenen Strukturen von Museen und Kunsthallen bestens. Sie war eine erfolgreiche Ausstellungsmacherin.
Zuletzt leitete Koyo Kouoh, selber Expertin für Fotografie, Video und Installationen, als Chefkuratorin das Zeitz Museum of Contemporary Art Africa (Mocaa) in Kapstadt. Diese Institution hat sich seit ihrer Gründung 2017 zum Ziel gesetzt, Gegenwartskunst von Künstlerinnen und Künstlern aus afrikanischen Ländern und schwarzer Kulturen in der ganzen Welt zu sammeln, zu erforschen und auszustellen.
In diesem Museum, dem ersten für zeitgenössische afrikanische Kunst auf dem Kontinent, bot Koyo Kouoh der afrikanischen Kunstszene eine einmalige Plattform. Mit ihrem Kuratorium gab sie Afrika und schwarzer Kunst rund um den Globus eine Stimme und ein Gesicht im internationalen Kunstbetrieb.
16 Jahre in der Schweiz
Ihre Karriere nahm in Dakar in Senegal ihren Anfang. Dort gründete Kouoh Ende der neunziger Jahre die Raw Material Company, ein Zentrum für Wissen und Gesellschaft zur Förderung von Kunst des afrikanischen Kontinents. Als Ausstellungsmacherin war Koyo Kouoh aber auch in Europa tätig, insbesondere in Deutschland, wo sie in den Jahren 2007 und 2012 zum Kuratorenteam der Documenta gehörte. 2020 gewann sie den vom Schweizerischen Bundesamt für Kultur verliehenen Prix Meret Oppenheim.
Im letzten Jahr richtete sie im Kunstmuseum Basel mit «When We See Us – Hundert Jahre panafrikanische figurative Malerei» eine viel beachtete Schau aus. Mit diesem panoptischen Blick auf zeitgenössische Kunst zelebrierte die Kuratorin den Stolz auf die schwarze Kultur rund um den Globus.
Koyo Kouoh war eine Kosmopolitin. Sie lebte in Kapstadt, Dakar und Basel. Geboren wurde sie 1967 in Douala in Kamerun. Im Alter von 13 Jahren kam sie in die Schweiz, wo sie zur Schule ging, Schweizerdeutsch lernte und eine Bankausbildung sowie eine Betriebswirtschaftslehre absolvierte. In Frankreich studierte sie Kulturmanagement. 16 Jahre hatte sie in der Schweiz verbracht, bevor sie sich entschied, nach Dakar zu ziehen: die Stadt der afrikanischen Kunstbiennale Dak’Art.
Für die 61. Kunstbiennale von Venedig im nächsten Jahr war Koyo Kouoh als Kuratorin bestimmt worden. Als erste Afrikanerin in diesem Amt hätte sie wohl mit ihren Ausstellungen in den Giardini und dem Arsenale der Lagunenstadt der afrikanischen Kunst einen ganz neuen Stellenwert auf der globalen Kunstbühne verschafft. Schwarze Kunst stellt immer noch eine viel zu wenig beachtete Parallelwelt zur neueren westlichen Kunstgeschichte dar.
Feministischer Standpunkt
In Ausstellungen wie «Body Talk», die 2015 bis 2016 in Belgien, Frankreich und Schweden gezeigt wurde, befasste sich Kouoh mit Gender-Fragen. Die Arbeit von sechs Künstlerinnen aus Afrika kreiste um Themen wie Körper, Feminismus und Sexualität. Kouohs feministischer Standpunkt hätte sich wohl auch auf der Biennale 2026 in Venedig gespiegelt.
Und wahrscheinlich auch ihre Haltung zum Nahostkonflikt: In einer Rede in München im Oktober 2024 kritisierte Kouoh Deutschlands vermeintlich übertriebene Solidarität mit Israel. Sie monierte, dass im deutschen Kunstbetrieb Menschen mit propalästinensischer Haltung ausgeschlossen würden, was kaum den Tatsachen entspricht.
Koyo Kouoh ist am 10. Mai im Alter von 57 Jahren in einem Basler Spital an einer erst kurz zuvor diagnostizierten Krebserkrankung gestorben.