Candace Owens, Joe Rogan und eben Kanye West und Andrew Tate: In den USA verbreiten Prominente und Publizisten mit Millionenpublikum Verschwörungstheorien.
Spätestens seit dem Angriff der Hamas auf Israel vom 7. Oktober 2023 hat der Antisemitismus auch in den USA einen starken linken Einschlag erhalten. Statt Kritik an der israelischen Regierung zu üben, propagieren Linksintellektuelle und Studenten von Hochschulen wie der Columbia University einen schablonenhaften Antiimperialismus und Antikolonialismus. Sie negieren das Existenzrecht des jüdischen Staates. Extremisten bedrohen jüdische Studenten, auf den Strassen werden Parolen wie «Burn Tel Aviv to the ground» gebrüllt.
Zu diesem neulinken Judenhass kommt ein weiteres Phänomen hinzu, aus einer ganz anderen politischen Ecke: Rechte und libertäre Influencer verbreiten in den sozialen Netzwerken zunehmend antisemitische Stereotype. Und interessanterweise warnen auch Rechtskonservative vor dieser Tendenz. So stellte der einflussreiche konservative Politikwissenschafter und Aktivist Chris Rufo kürzlich fest, rechtslastige Podcaster und Prominente würden Verschwörungstheorien verbreiten, wonach Juden die amerikanischen Medien kontrollierten. Mittels Erpressung würden diese die USA zwingen, Israel zu unterstützen.
Trunken von «christlichem Blut»
Die antisemitische Stimmungsmache, so schreibt Rufo, gefährde Juden an Leib und Leben, sie sei «Gift in der Politik». Als Beispiele nennt Rufo den Musiker und Modemacher Kanye West, den Influencer Andrew Tate oder die Publizistin Candace Owens. Owens ist wiederholt mit antisemitischen Bemerkungen aufgefallen. Sie glaubt, ein zionistisches Medienimperium schütze Kriminelle, und wirft Rabbis vor, sie seien trunken von «christlichem Blut». Kürzlich erklärte die Afroamerikanerin, es gebe vorgefasste Ansichten zum Holocaust, die dazu dienten, Kritik an Israel zu unterdrücken.
Andrew Tate ist wegen Menschenhandel und Zuhälterei angeklagt und steht der Trump-Bewegung nahe. Auf X, wo er über 10 Millionen Menschen erreicht, lobte er die antisemitische Terrororganisation Hamas für ihren «männlichen Geist des Widerstands». Kanye West hat auf X über 33 Millionen Follower, die ihn bei antisemitischen Wutreden sehen oder mit Hakenkreuz-T-Shirts.
«Forscher» und «Historiker» mit kruden Ansichten
Owens, West und Tate sind beileibe nicht die Einzigen, die mit derartigen Aussagen Aufmerksamkeit generieren. Joe Rogan, mit bis zu 39 Millionen Zuschauern pro Sendung der erfolgreichste Podcaster der Gegenwart, hatte am 5. März den, wie er sich nennt, «unabhängigen Forscher» Ian Carroll zu Gast. Carroll macht unter anderem Israel für die Attentate des 11. September 2001 verantwortlich. Er suggeriert zudem, der Milliardär Jeffrey Epstein habe vor seinem Selbstmord in U-Haft für den israelischen Geheimdienst Mossad gearbeitet, um amerikanische Politiker und Financiers mit Sexskandalen zu erpressen.
Einige Tage später empfing Rogan den Holocaustleugner Darryl Cooper. Dieser glaubt, Adolf Hitler sei im Himmel und habe zu Lebzeiten versucht, seinen Antisemitismus zu verbergen. Letztes Jahr identifizierte Cooper den britischen Premierminister Winston Churchill als Hauptschuldigen des Holocaust und des Zweiten Weltkrieges. Diese These verbreitete er in einem Interview mit dem Podcaster und ehemaligen Fox-Moderator Tucker Carlson.
Wie Carlson und Rogan flirten auch andere rechte Podcaster wie Nick Fuentes mit geschichtsrevisionistischen und antisemitischen Verschwörungstheorien. Die Renaissance des Antisemitismus geht einher mit einer Ablehnung der israelfreundlichen Nahostpolitik der USA.
Verschärfter Wettbewerb unter rechten Medien
Eine Untersuchung des demokratischen Medienanalysten Media Matters for America ergab, dass rechte Podcasts den digitalen Mediensektor dominieren. 82 Prozent der Konsumenten folgen auf Plattformen wie Youtube, Spotify, Rumble, Kick, Facebook, Instagram und Tiktok rechtslastigen Angeboten. Neun der zehn grössten Podcasts stehen politisch rechts.
Dies weist auch auf einen verschärften Wettbewerb innerhalb der rechten Podcaster-Szene hin: Wollen sie Gehör und Klicks erhalten, müssen sie sich mit lauteren, radikaleren, extremeren und schockierenderen Positionen von ihren Mitbewerbern abheben. Dafür eignet sich kaum etwas besser als der alte rechte Antisemitismus.
Angesichts des grossen politischen Einflusses, den Podcaster wie Joe Rogan mit ihrem Massenpublikum auf die letzte Präsidentschaftswahl ausübten, ist das umso beunruhigender. Rechte Influencer sind genauso wie linke Aktivisten verantwortlich für ein gesellschaftliches Klima, in dem jüdische Bürger manchenorts die Kippa vorsichtshalber ablegen und sich jüdische Eltern überlegen, an welche Universitäten sie ihre Kinder zum Studium schicken können.