Die Fassade macht das Design des Gebäudes aus – ihre Gestaltung dauerte Jahre.
In den letzten Tagen dürfte einigen Passantinnen und Passanten eine Baustelle am Bahnhof Stadelhofen aufgefallen sein: Dort entsteht der Neubau des Hauses zum Falken, gestaltet vom Stararchitekten Santiago Calatrava. Der Bau wird die Gegend prägen – unter anderem wegen der aussergewöhnlichen Fassade.
Deren Installation war am Montag auf der Baustelle des Hauses zum Falken zu beobachten. Ein bisschen gleicht die Installation einer Bastelarbeit: Am Rohbau sind bei jedem Stock nach aussen Vorrichtungen aus Metall angebracht, damit die Fassadenteile aus Glas nur noch eingesetzt werden müssen. Fast wie bei einem riesigen Modellbaubogen.
Allerdings: Die Fassaden am Rohbau des neuen Hauses zum Falken zu befestigen, ist hochkomplex. Das war am Montag auf der Baustelle des Baus zu beobachten. Die Fassade besteht aus 260 Einzelteilen, die wiederum aus mehreren Scheiben zusammengesetzt wurden. Jedes Fassadenteil ist ein Unikat, jede der 1700 Scheiben hat unterschiedliche Masse. So passt sich die Fassade der ovalen Form des Gebäudes an, das von Beobachtern auch schon als «Hochseeschiff» bezeichnet wurde.
Im alten Haus zum Falken war einst das Café Mandarin untergebracht. In den Neubau, den der Stararchitekt Santiago Calatrava gestaltet hat, wird die Confiserie Bachmann einziehen. In den drei Etagen darüber richtet das Spital Zollikerberg Praxen der Frauen-Permanence und der plastischen Chirurgie ein, dazu kommen Büros. In den drei Untergeschossen entstehen 800 Veloabstellplätze der Stadt Zürich – sie sollen die chaotische Situation am Bahnhof Stadelhofen lösen, wo bisher zu wenig Veloplätze verfügbar waren.
Doch bevor das Gebäude bezugsbereit ist, müssen die Fassadenteile montiert werden. Dafür sind jeweils sechs Personen notwendig, die den Kran steuern und die Teile an den Metallvorrichtungen befestigen. Ein Gerüst gibt es für die Montage nicht – es würde zur runden, etwas schrägen Form des Gebäudes nicht passen.
Weil die Montage ohne Gerüst gefährlicher ist, sind die Monteure während der Arbeit über ein Stahlseil gesichert – wie beim Klettern. Dafür haben sie eine besondere Ausbildung absolviert. Einmal gesichert und eingerichtet, arbeiten die Monteure jeweils eine Viertelstunde an einem Fassadenteil.
Die Herstellung der Fassadenteile dauerte deutlich länger: Nachdem das Büro Calatrava das Haus als Modell gebaut hatte, bildeten Fassadenbauer die einzelnen Teile mittels 3-D-Animation nach. Mithilfe dieser Animationen wurden dann die echten Fassadenteile gebaut, was wiederum mehrere Stunden dauerte. Alles in allem: ein Prozess, der mehrere Jahre in Anspruch nahm.
«Die Fassade ist Kunst»
Das ist aussergewöhnlich, wird die Fassade eines Gebäudes doch meist recht spät geplant. Doch die Fassade des neuen Calatrava-Hauses prägt das Gebäude. Gerrit Teufel, der leitende Architekt, sagt. «Die Fassade ist ein Kunstwerk in sich.»
Die Scheiben der Fassaden sind mit kleinen Punkten gesprenkelt, die von aussen betrachtet weiss, von innen schwarz sind. Dadurch soll das Gebäude aus jeder Perspektive anders aussehen: Frontal sieht, wer zum Haus zum Falken blickt, einfach eine Fensterfront. Wer seitlich zum Gebäude blickt, erblickt zusätzlich die weissen Streifen des Metallrahmens zwischen den einzelnen Gläsern. Wer am Haus vorbeigeht, soll eine Art Schimmern wahrnehmen.
Ausserdem, erklärt der Architekt Teufel weiter, hätten die Punkte eine energetische Funktion: Sonnenlicht soll durch die weissen Punkte reflektiert werden, damit das Gebäude weniger stark erwärmt wird. Und schliesslich sorgen die Punkte dafür, dass Vögel die Scheiben sehen und ausweichen können.
Mit dem Design des Hauses zum Falken knüpft der Architekt Calatrava gestalterisch an den Bahnhof Stadelhofen an, den er 1990 ebenfalls gestaltet hat. Die Formen des Neubaus, die an Schiffe erinnern, sind auch dort zu finden. Ausserdem prägen Metallträger in ähnlichen Formen wie am Bahnhof das neue Haus zum Falken. Calatrava sagte zur NZZ: «Der Bahnhof Stadelhofen ist für mich ein besonderer Ort. Von hier aus ging es weiter nach Lyon, Lissabon und New York.»
Santiago Calatrava, der an der ETH studiert hat, baute nach dem Bahnhof Stadelhofen bekannte Gebäude wie den U-Bahnhof über dem Ground Zero, der sich nach oben hin öffnet und einem Vogel mit ausgebreiteten Flügeln ähnelt.
Schwierige Baustelle
Die jüngste Calatrava-Baustelle am Stadelhofen bietet neben den Fassadenteilen weitere Herausforderungen. Der Baubeginn war anspruchsvoll: Es musste gelingen, die Baugrube trocken zu halten. Denn der Grundwasserspiegel beim Bahnhof Stadelhofen ist hoch, und das neue Haus zum Falken wird drei Untergeschosse haben – eine schwierige Kombination.
Dazu kommt, dass das Haus zum Falken zwischen Bahn- und Tramgleisen gebaut wird. Das bedeutet, dass viele Kabel in der Nähe sind, die nicht beschädigt werden dürfen. Diese Kabel zu schützen, war aufwendig: Es musste ein Dach aus Holz darüber gebaut werden.
Doch diese Hindernisse hat das Bauteam bis jetzt alle gemeistert. Nun steht die Montage der restlichen Fassadenteile an. Die sollte bis Mitte März abgeschlossen sein, dann folgt der Innenausbau. Im Frühling sollen die ersten Stockwerke an die Mieter übergeben werden, die ihre Geschosse jeweils noch weiter ausbauen werden. Im Herbst wird die Stadt Zürich die drei Untergeschosse übernehmen, um sie zu einer Velogarage auszubauen. Wann genau das Gebäude bezugsbereit sein wird, ist noch unklar.