In drei Jahren sollen in Crans-Montana die Schweizer Skistars um Medaillen fahren wie an den legendären Weltmeisterschaften 1987. Noch aber fehlt etwas Entscheidendes: der Vertrag mit der FIS. Gelingt keine Einigung, könnte es zum Fiasko kommen.
Ein Frühlingsfest, pardon: ein Skifest war das zum Auftakt des Wochenendes in Crans-Montana. Lara Gut-Behrami eröffnete es mit einer Schnapszahl, ihrem 44. Weltcup-Sieg, dem vierten in Folge, dem siebenten in dieser Saison. Auf Platz zwei: Jasmine Flury, vor einem Jahr Abfahrts-Weltmeisterin.
Beide Schweizerinnen waren im Ziel überrascht, dass sie vorne lagen, denn wirklich gut angefühlt habe es sich nicht, meinten sie. Und doch standen sie am Ende auf dem Podest in dieser Rennwoche, die mit vielen Diskussionen begonnen hatte. Bei den zweistelligen Temperaturen war der Schnee noch weicher als ohnehin üblich am sonnigen Hang in Crans-Montana, Sinn und Unsinn des Zielsprungs gaben zu reden. Schliesslich wurde das Ziel um vier Tore nach oben versetzt – und der Sprung war damit kein Thema mehr.
Lara Gut-Behrami takes the lead on home snow with an incredible run 🙌⛷️#fisalpine pic.twitter.com/7V2fDKL4ZH
— Eurosport (@eurosport) February 16, 2024
Und so endete der erste Renntag, wie sich das die Schweizer auch für die Ski-Weltmeisterschaften 2027 erhoffen. Exakt 40 Jahre nach den magischen Schweizer Festspielen von 1987 sollen auf dem Walliser Hochplateau wieder die Besten der Welt gekürt werden. Damals waren acht von zehn Goldmedaillen an die einheimischen Fahrerinnen und Fahrer um Maria Walliser und Pirmin Zurbriggen gegangen.
Den Zuschlag für die WM erhielt Crans-Montana vor fast zwei Jahren. Die Vorbereitungen laufen; das Organisationskomitee verhandelt mit den einzelnen Hotels, fixiert Sicherheitsanpassungen an den Pisten, plant mit einem 75-Millionen-Franken-Budget.
Alles gut also – wäre da nicht ein klitzekleines Detail: Der WM-Vertrag zwischen dem Weltverband FIS mit seinem Präsidenten Johan Eliasch, dem austragenden Verband Swiss Ski sowie dem Organisationskomitee ist bis heute nicht unterschrieben.
Wer soll den Vertrag unterschreiben?
Bei Swiss Ski hat der Fall «oberste Priorität», wie Diego Züger sagt, der CEO Commercial. «Wir sind in den Verhandlungen weit fortgeschritten, auch finanziell herrscht Einigkeit. Doch weil die FIS während der Verhandlungen die Bedingungen geändert hat, haben wir beim letzten Punkt noch keine Lösung.» Bei diesem geht es um Verantwortlichkeiten und die Haftungsfrage.
Die FIS schickt auf Nachfrage der NZZ eine schriftliche Stellungnahme zum Fall, die sie auch auf ihrer Website publiziert. Sie schreibt, Swiss Ski habe bei der Bewerbung erklärt, dass der Verband bereits finanzielle Garantien vom Bund, vom Kanton Wallis und von der Vereinigung der Gemeinden von Crans-Montana erhalten habe. Nun halte Swiss Ski aber fest, dass es nicht möglich sei, diese Garantien ohne Referenden zu geben. Die Angaben während der Kandidatur seien also falsch gewesen.
Swiss Ski weist die Anschuldigung, die in der Kandidaturphase abgegebenen Versprechungen nicht einzuhalten, «in aller Form» zurück. Diverse Vorwürfe im Statement der FIS würden nicht der Wahrheit entsprechen. «Swiss Ski liegen seit Beginn fixe Zusagen von Bund, vom Kanton und von den Gemeinden über Unterstützungsbeiträge vor, deren Höhe längst vereinbart ist. An diesen Rahmenbedingungen hat sich seither nichts verändert.»
In #CransMontana, an unforgettable skiing festival awaits you from 16 to 18 February during the 2024 Audi #FIS Alpine Ski World Cup Women ⛷ 🎊
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— Crans-Montana (@cransmontana) January 26, 2024
Bis zu Eliaschs Präsidentschaft war es so, dass die WM-Kandidaten rund ein halbes Jahr vor der Vergabe der Titelkämpfe den Vertrag von der FIS zugestellt bekommen hatten und dann Fragen einreichen oder Feedback geben konnten. Am Tag der Wahl waren die Bedingungen bekannt, der Vertrag wurde von den drei Parteien unterschrieben. So war es auch gewesen, als Swiss Ski mit Crans-Montana bereits für die WM 2025 kandidiert hatte; das Austragungsrecht ging schliesslich an den österreichischen Ort Saalbach.
Swiss Ski hält fest, dass beim Zuschlag für die WM 2027 an Crans-Montana im Mai 2022 der Vertrag aber nicht vorgelegen sei. Als er später gekommen sei, seien die Bedingungen nicht dieselben gewesen wie bei vergangenen Austragungen üblich.
Was passiert, wenn sich die Parteien nicht einigen? Dann habe die FIS keine Alternative, als die WM 2027 einem anderen Kandidaten zuzusprechen, schreibt der Weltverband. Ein happiges Statement, ja eine Drohung.
Didier Défago drängt auf eine rasche Lösung
Bis eine Lösung gefunden wird, hat die Lage Auswirkungen auf operativer Ebene. «Wir können zum Beispiel keine Partnerschaften fixieren», sagt der Olympiasieger von 2010, Didier Défago, der als Geschäftsführer der WM 2027 fungiert und auf den Vertrag drängt. «Wir haben einen Event zu organisieren und müssen die offenen Punkte unbedingt so rasch wie möglich klären.»
Für die Freestyle-WM 2025 im Engadin gibt es dieses Problem nicht, dort hat der FIS-Chef Eliasch unterschrieben. Das sei nicht zu vergleichen, schreibt die FIS, den Verpflichtungen des viel kleineren Anlasses komme Swiss Ski problemlos nach. Bei den Alpinen ist einerseits mehr Geld im Spiel. Anderseits ist der Gedanke nicht allzu weit hergeholt, dass Eliaschs Haltung auch andere Gründe haben könnte. Die Beziehung zwischen ihm und dem Swiss-Ski-Präsidenten Urs Lehmann ist angespannt. Die beiden waren 2021 Konkurrenten bei der Wahl des FIS-Präsidiums, seither gerieten sie mehrmals aneinander; manchmal hat man den Eindruck, es gehe um einen Machtkampf.
Wie letztmals im Januar, als die FIS Lehmann in einem Statement des «unethischen Verhaltens» bezichtigte. In der Diskussion um die Planung des Weltcup-Kalenders und um Nachholrennen hatte Lehmann gesagt, das Problem sei, dass der Kalender nur von einer einzigen Person von zu Hause aus gemacht werde. Womit er vermutlich auf Eliasch anspielte.
In der Zusammenarbeit mit der FIS gibt es weitere Konfliktherde wie den neuen Vertrag über die zentralisierten Medien- und Vermarktungsrechte im Weltcup, den Eliasch im letzten Sommer unterschrieben hat. Swiss Ski steht mit den anderen Nationalverbänden in Gesprächen mit der FIS.
🎿Crans-Montana organisera les Championnats du Monde de ski alpin en 2027! 🏆La FIS a attribué l’organisation de cet événement, 40 ans après l’édition mémorable de 1987
👉https://t.co/Xl8MgQUpwv#cransmontana #fisalpine #cransmontana2027 #valais #wallis #inlovewithswitzerland pic.twitter.com/wyYzn9JHeb— Crans-Montana (@cransmontana) May 25, 2022
Kein Weltcup-Final als Hauptprobe
Doch noch einmal zurück nach Crans-Montana. Défago und sein OK treiben die Arbeit trotz fehlendem Vertrag voran. «Ich nehme Tag für Tag und gehe in die Richtung, die ich für richtig halte.»
Für sein Team beginnen die Weltmeisterschaften bereits, wenn es in den kommenden zwei Jahren die Weltcup-Rennen von Crans durchführt. Im nächsten Winter sollen zwei Speed-Rennen der Männer stattfinden; 2026 – auch als Test für die Logistik und die Organisation – je zwei Frauen- und Männerrennen an vier aufeinanderfolgenden Tagen.
Normalerweise trägt der WM-Ort ein Jahr vor dem Anlass den Weltcup-Final als Hauptprobe aus. Für Crans-Montana war das keine realistische Option. Durch die Sonnenlage des Gebiets wird die Piste so stark aufgewärmt, dass Mitte März rund zehn Skirennen kaum durchführbar wären.
Wenn das Wetter bloss das einzige Problem wäre.