Ohne zuverlässige Stromversorgung geht es nicht. Es braucht deshalb Notfallpläne, damit Elektrizität auch dann fliesst, wenn eine Stromfirma Konkurs geht. Doch die geplante «Too big to fail»-Regulierung des Bundes schiesst weit über dieses Ziel hinaus.
Wir haben Glück gehabt. Der Winter war mild, vom Wortungetüm des Jahres 2022 – der Strommangellage – war keine Rede. Man vergisst dabei schnell, dass nach dem Einmarsch in die Ukraine der Strompreis durch die Decke ging und der Bund einen Rettungsschirm für die Strombranche aufzog. Damals war es beim grössten Schweizer Stromproduzenten, der Axpo, brenzlig geworden. Sie musste an der Börse immer mehr Geld hinterlegen – und fürchtete, die zusätzlichen Milliarden nicht mehr stemmen zu können. Mittlerweile hat sich die Situation beruhigt; die Konzerne fahren hohe Gewinne ein.
Nebulöse Anforderungen
Es sei hier nochmals betont: Dass die Axpo in diesen Schlamassel geraten war und die Eigentümerkantone sich aus der Verantwortung gestohlen hatten, ist ein Armutszeugnis. Beim Konkurrenten Alpiq hatten letztlich die Eigentümer Geld zur Verfügung gestellt, die BKW kam ohne Kratzer durch die Krise.
Nun will der Bund mindestens acht grosse Stromfirmen einem Regime unterstellen, das der «Too big to fail»-Regulierung der Grossbanken abgeguckt wurde. Gewiss, der Bund soll verhindern, dass er erneut für diese Branche einstehen muss. Dass Rettungspakete für die Wirtschaft korrosiv wirken, hat die Annahme der 13. AHV-Rente gezeigt, dürften sich doch viele Stimmbürger gesagt haben: «Es hat doch genug Geld.»
Doch was der Bundesrat jetzt vorschlägt, ist zum einen unnötiges Mikromanagement: Beamte sollen sogar Anforderungsprofile für Geschäftsleiter und Verwaltungsräte definieren, um sicherzustellen, dass diese über einen guten Ruf verfügen. Zum anderen sollen die Firmen über «angemessene» Liquidität und Eigenkapital verfügen, doch was man darunter genau versteht, bleibt nebulös.
Besser wäre es, der Bund würde sich auf drei gezielte Verbesserungen konzentrieren:
Erstens ist es richtig, dass die Firmen Daten zu ihren Handelsstrategien künftig an die Aufsichtsbehörde Elcom liefern, wie dies in der EU bereits Usus ist. Die Probleme tauchten 2022 im Grosshandel auf. Mit den entsprechenden Daten kann sich die Elcom zumindest eine gewisse Übersicht verschaffen, welche Risiken Schweizer Energiekonzerne eingehen.
Zweitens gilt es, der Subsidiarität Sorge zu tragen, dass also immer zunächst die Eigentümer und Gläubiger einstehen, wenn es brennt. Die Eigentümer der Axpo sahen sich 2022 ausserstande, innert nützlicher Frist Liquidität aufzubringen, um die Firma zu unterstützen. Sie sind gut beraten, hier ein Dispositiv zu entwickeln – dann scheint sogar denkbar, dass das Gesetz noch verhindert werden kann.
Drittens schliesslich stellt sich die Frage, was im Strombereich systemrelevant ist. Entscheidend ist für die Schweiz eine unterbruchsfreie Versorgung in Krisenzeiten. Es muss also sichergestellt sein, dass der Strom auch fliesst, wenn ein grosses Stromunternehmen in Schwierigkeiten steckt.
Notfallpläne sind zentral
Hierzu braucht es einen Notfallplan für die Kraftwerke, damit diese weiter am Markt bleiben. Dabei zeigt sich ein entscheidender Unterschied zu den Banken: Der Liquiditätsengpass 2022 hatte damit zu tun, dass der Strompreis an den Grossmärkten nach oben schoss. Höhere Preise versprechen künftig höhere Gewinne, doch kurzfristig muss eine Stromfirma bei der Börse viel Geld hinterlegen. Bei den Banken läutet ein Liquiditätsengpass dagegen das Ende ein, weil immer mehr Kunden Reissaus nehmen.
Die Stromfirmen müssen somit Notfallpläne ausarbeiten, damit der Schweiz in einer Krisensituation nicht der Stecker gezogen wird. Axpo, Alpiq und BKW sind dabei schon weit fortgeschritten, so hört man, doch dieser Teil der Reform soll erst in einer nächsten Stufe kommen. Das ist falsch: Es ist vielmehr der zentrale Teil.
Die Elcom ist heute eine kleine Behörde. Soll sie wirklich zu so etwas wie einer «Finma im Strombereich» ausgebaut werden? Es gibt im Strombereich systemrelevante Funktionen wie das Netz oder grosse Produktionsanlagen, aber keine systemrelevanten Unternehmen. Erstere lassen sich mit einem schlanken Regelwerk schützen, eine Monsterregulierung ist dagegen der falsche Weg.