Wo wird gekämpft? Wie ist die humanitäre Lage im Gazastreifen? Wie wirkt sich der Konflikt auf die Region aus? Die wichtigsten Antworten zum Gazakrieg.
Die Lage im Nahen Osten hat sich mit dem 7. Oktober dramatisch verändert. Der Krieg prägt die gesamte Region – vom Gazastreifen über Libanon bis nach Iran. Inmitten all der Schlagzeilen und Schreckensmeldungen den Überblick zu behalten, ist schwierig. Die folgenden Grafiken sollen Aufschluss geben über den Stand des Krieges, seine Folgen sowie die Auswirkungen auf das Leben der Menschen auf beiden Seiten des Konflikts.
Seit Anfang Dezember stossen die israelischen Streitkräfte (IDF) im mittleren und südlichen Gazastreifen vor. Dort finden derzeit die heftigsten Kämpfe zwischen Israel und der Hamas statt. Besonders die Stadt Khan Yunis steht im Fokus. Dort befinden sich mutmasslich die obersten Hamas-Kader wie auch die mehr als 100 israelischen Geiseln, die nach wie vor in der Gewalt der Terroristen sind.
Im südlichen Gazastreifen sucht auch ein grosser Teil der 2,3 Millionen Einwohner der Enklave Zuflucht. Israels Armee hat sie wiederholt dazu aufgerufen, die «humanitäre Zone» al-Mawasi an der Küste aufzusuchen. Es handelt sich um ein Gebiet von 8,5 Quadratkilometern mit kaum vorhandener Infrastruktur. Viele Menschen halten sich deshalb in den Städten Rafah und Khan Yunis auf.
Zuvor waren Israels Streitkräfte ab dem 27. Oktober im nördlichen Teil des Gebiets vorgerückt. Nach heftigen Kämpfen teilten sie am 6. Januar mit, dass die militärischen Kapazitäten der Hamas in dem Gebiet zerschlagen seien. Mehrere IDF-Bataillone wurden inzwischen von dort abgezogen. Laut Berichten sind bereits palästinensische Milizen in den Norden zurückgekehrt. Es gibt nach wie vor Feuergefechte und Luftangriffe.
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Nach dem Hamas-Angriff vom 7. Oktober, bei dem die Terroristen 1200 Menschen töteten und mehr als 240 Geiseln nahmen, setzte sich Israel zwei Hauptziele: die Zerschlagung der Hamas und ihrer militärischen Kapazitäten sowie die Befreiung aller Geiseln.
Bisher hat die Armee nach eigenen Angaben mehr als 30 000 Waffen und 1500 Tunneleingänge entdeckt, 700 Raketenabschussrampen zerstört und 9000 Terroristen getötet. Unabhängig überprüfen lassen sich diese Angaben nicht. Das Ausmass der gefundenen militärischen Infrastruktur, insbesondere des Tunnelsystems, übersteigt laut der Armee alle Erwartungen.
Israel hat seit dem 7. Oktober mehrere hochrangige Hamas-Mitglieder getötet. Am 2. Januar etwa kam Saleh al-Aruri, die Nummer zwei im Hamas-Politbüro, bei einem mutmasslich israelischen Drohnenangriff in der libanesischen Hauptstadt Beirut ums Leben.
Trotzdem bleibt die oberste Führungsriege der Hamas weitgehend intakt. Hamas-Chef Ismail Haniya weilt mit anderen hohen Vertretern des Politbüros im Exil in Katar. Die hinter dem Angriff vom 7. Oktober steckenden führenden Köpfe verstecken sich im Gazastreifen. Es handelt sich um Yahya Sinwar, den lokalen Hamas-Chef, sowie Mohammed Deif und Marwan Issa, die Anführer des militärischen Armes der Hamas, der Kassam-Brigaden.
Auch die militärische Infrastruktur der Hamas ist noch nicht zerschlagen. Der Raketenbeschuss hält weiter an. Laut den IDF wurden in den vergangenen drei Monaten rund 9000 Raketen auf Israel abgeschossen. Israel hat derweil nach eigenen Angaben mehr als 30 000 Ziele im Gazastreifen bekämpft. Seit Beginn der Bodenoffensive sind 194 israelische Soldaten gefallen, mehr als 2500 wurden verletzt.
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Beim Angriff vom 7. Oktober hatte die Hamas mehr als 240 Geiseln in den Gazastreifen entführt. Derzeit befinden sich noch 132 Geiseln im Gazastreifen. Davon sind laut der israelischen Armee 27 tot. Manche dürften infolge der israelischen Bombardements ums Leben gekommen sein, andere wurden wohl von der Hamas ermordet. Elf weitere Geiseln wurden tot geborgen, darunter drei Männer, die am 15. Dezember versehentlich vom israelischen Militär erschossen wurden.
Das israelische Militär konnte bisher erst eine Geisel befreien. Ende Oktober liess die Hamas vier Frauen aus «humanitären Gründen» frei. Im Rahmen einer zwischen Israel und der Hamas vereinbarten Waffenruhe kamen Ende November und Anfang Dezember 110 Geiseln frei. Der Druck auf die israelische Regierung, alles für die Freilassung der Geiseln zu unternehmen, ist enorm.
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Gemäss einer Auswertung von Satellitendaten durch amerikanische Wissenschafter wurden bisher zwischen 143 000 und 177 000 Gebäude im Gazastreifen beschädigt oder zerstört. Dies entspräche 50 bis 60 Prozent aller Häuser in dem Gebiet. Ein Grossteil der Zerstörung ist auf israelische Luftangriffe und Artilleriebeschuss zurückzuführen. Israel wirft der Hamas vor, systematisch zivile Einrichtungen wie Schulen, Moscheen oder Spitäler für ihre Kriegsführung zu nutzen und Zivilisten als menschliche Schutzschilde zu missbrauchen.
Andere Gebäude wurden durch gezielte Sprengungen zerstört, etwa das Parlamentsgebäude oder der Justizpalast. Unter den gesprengten Gebäuden sind auch zivile Einrichtungen, etwa Schulen der Uno oder Fakultätsgebäude von Universitäten.
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Nach Angaben der Uno wurden 85 Prozent der Bevölkerung – 1,9 Millionen Menschen – innerhalb des Gazastreifens vertrieben. Viele mussten schon mehrmals vor den Kämpfen flüchten. Die von der Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde im Gazastreifen gibt an, dass mehr als 24 000 Menschen im Krieg getötet worden seien – ein Prozent der Gesamtbevölkerung. Davon seien 70 Prozent Frauen oder Kinder. Die Zählung unterscheidet nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern der Hamas oder anderer Terrorgruppen.
Im ganzen Gebiet sind laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) nur noch 15 von 36 Spitälern teilweise in Betrieb. Sie sind hoffnungslos überlastet. Derweil breiten sich in den überfüllten Flüchtlingslagern Infektionskrankheiten wie Durchfall, Gelbsucht, Hepatitis A und Atemwegserkrankungen aus. Laut der WHO teilen sich 4500 Menschen eine Dusche und 220 eine Toilette.
Ausserdem herrscht im Gazastreifen eine Hungerkrise. Die Uno verwendet zur Messung des Hungers ein Fünf-Phasen-Modell. Demnach ist die gesamte Bevölkerung von Gaza von akuter Ernährungsunsicherheit entsprechend der Phase 3 (Krise) oder schlimmer betroffen. 26 Prozent – mehr als eine halbe Million Menschen – leiden an extremem Hunger.
Auch grosse Teile der Wasserversorgung sind zusammengebrochen. Entsalzungsanlagen mussten aus Mangel an Treibstoff und Ersatzteilen oder aufgrund von Kriegsschäden geschlossen werden. Nur noch eine von drei Wasserleitungen aus Israel ist in Betrieb. Viele Menschen sehen sich gezwungen, kontaminiertes Brackwasser mit erhöhtem Salzgehalt zu trinken.
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Die Bevölkerung im Gazastreifen wird primär über die beiden Grenzübergänge Rafah und Kerem Shalom mit humanitären Hilfsgütern versorgt. Derzeit gelangen durchschnittlich 100 Lastwagen pro Tag in das Gebiet, die jeweils von Israel inspiziert werden. Sie liefern Nahrungsmittel, Medikamente, Trinkwasser, aber auch Kleider, Zelte und Decken. Laut der Uno brauchte es aber mindestens 200 Lastwagen pro Tag, um die Grundbedürfnisse der Bevölkerung zu decken. Vor dem Krieg fuhren täglich 500 Lastwagen in den Gazastreifen.
Die jordanische und die französische Luftwaffe haben zudem Hilfsgüter über Gaza abgeworfen. Im Dezember haben sich Israel und Zypern geeinigt, einen Hilfskorridor über dem Mittelmeer einzurichten. Bis jetzt ist unklar, ob und wann dieser realisiert wird. Israel selbst liefert bis anhin keine Hilfsgüter.
Die Verteilung der Hilfsgüter im Gazastreifen gestaltet sich wegen der anhaltenden Kämpfe schwierig, gerade im Norden. Viele Menschen haben keine Internet- oder Telefonverbindung. Immer wieder kommt es vor, dass hungrige Menschen Essenspakete von fahrenden Lastwagen entwenden. Israel beschuldigt zudem die Hamas, Hilfsgüter zu stehlen.
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Sicherheitsexperten befürchten, dass sich der Krieg im Gazastreifen zu einem grösseren regionalen Konflikt ausweiten könnte. Bereits ist es an anderen Schauplätzen in der Region zu gewaltsamen Auseinandersetzungen und Angriffen gekommen.
Zwar deutet vieles darauf hin, dass der militärische Flügel der Hamas den Angriff vom 7. Oktober in Eigenregie durchführte. Trotzdem war die Terrorgruppe bei ihrer Aufrüstung auf die Unterstützung von Verbündeten angewiesen. Zentral ist dabei die von Iran geführte «Achse des Widerstands». Dazu gehören etwa die libanesische Schiiten-Miliz Hizbullah, die jemenitischen Huthi sowie diverse proiranische Milizen in Syrien und im Irak.
Am Dienstag (16. Januar) hat erstmals auch Iran Raketen abgefeuert. Getroffen wurden Ziele in Syrien und im Irak. Der Angriff auf die irakische Stadt Erbil habe einer Einrichtung des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad gegolten. Bestätigt wurde das bisher nicht.
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Mitarbeit: Jessica Eberhart, Andrin Engel.