Eine sorgfältige Budgetplanung ist für angehende Rentnerinnen und Rentner entscheidend, um den gewohnten Lebensstandard im Alter zu sichern. In der Schweiz spielen dabei verschiedene Faktoren eine wichtige Rolle.
Wovor fürchtet man sich, wenn man an die Zeit nach der Pensionierung denkt? Vor Armut, davor, den Rappen zu spalten – und davor, auf gewohnte Freiheiten und Annehmlichkeiten verzichten zu müssen.
Menschen im Rentenalter verfügen im Durchschnitt über ein geringeres Einkommen als Erwerbstätige. Dementsprechend ist die Armutsquote der über 65-Jährigen mit 15,2% deutlich höher als die der 18- bis 64-Jährigen mit 6,5%.
Das überrascht kaum: Der Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand gehört zu den tiefgreifendsten Einschnitten im modernen Leben – oft abrupt und mit spürbaren Auswirkungen auf Alltag und Einkommen.
Umso drängender stellt sich die Frage, ob und wie sich der gewohnte Lebensstandard bis zum Tod sichern lässt. Der folgende Überblick zeigt, warum vorausschauende Planung ein wichtiger Teil der Antwort ist.
«Ein solides Budget für die Zeit nach der Pensionierung ist zentral, um finanzielle Sicherheit im Ruhestand zu gewährleisten», sagt Heinrich Bruhin, Leiter Vorsorge bei der Vorsorgestiftung Tellco. Nur wer weiss, wie viel Einkommen benötigt wird und welche Ausgaben anfallen, kann fundierte Entscheidungen treffen.
Ein zentraler Schritt in der Pensionsplanung – idealerweise ab dem fünfzigsten Lebensjahr – ist die systematische Erfassung aller aktuellen Einnahmen und Ausgaben.
Ergänzend hilft eine Vermögensübersicht. Sie zeigt, wie viel im Erwerbsleben bereits konsumiert und wie viel für den Ruhestand angespart wurde – etwa über die Säule 3a oder freiwillige Einkäufe in die Pensionskasse.
Wer frühzeitig plant, gewinnt wertvollen Handlungsspielraum. Steuerlich relevante Massnahmen wie freiwillige Einzahlungen in die Pensionskasse oder die Renovation einer Liegenschaft lassen sich so rechtzeitig und sinnvoll aufeinander abstimmen.
Das aktuelle Haushaltsbudget lässt sich meist gut erfassen, eine realistische Prognose der künftigen Ausgaben ist dagegen deutlich schwieriger. Bei einer durchschnittlichen Lebenserwartung von fast 25 Jahren nach der Pensionierung – Tendenz steigend – sollte man finanziell nicht zu knapp kalkulieren.
Hinzu kommt: Viele unterschätzen ihre Ausgaben und überschätzen gleichzeitig ihre künftigen Einkünfte. Bei einem Jahreseinkommen von 80’000 Fr. decken AHV und Pensionskasse im Schnitt nur rund 70% des letzten Lohns.
Auch die Ausgaben entwickeln sich oft anders, als viele erwarten: Nach der Pensionierung sinken sie nur leicht, bevor sie in den letzten Lebensjahren durch Gesundheits- und Pflegekosten wieder deutlich steigen. Ein Pflegeheim kostet bis zu 10’000 Fr. pro Monat – den Grossteil zahlen die Bewohner selbst.
Ganz hilflos ist man aber nicht. Sparpotenzial gibt es etwa bei Krankenkassenprämien, bei Abos für Telekommunikation, Medien oder ÖV. «Viele wohnen noch in einer zu grossen Wohnung, weil sie sich in der gewohnten Umgebung wohlfühlen», sagt Florian Schubiger, Finanzexperte bei Vermögenspartner. Auch dort liesse sich sparen – ebenso bei Ferienkosten, die direkt nach der Pensionierung oft sprunghaft steigen.
«Eine erfolgreiche Budgetplanung für den Ruhestand erfordert besondere Aufmerksamkeit bei den Steuern. Der häufigste Fehler besteht darin, diese zu vergessen oder zu unterschätzen», sagt Veronica Weisser, Ökonomin und Vorsorgeexpertin bei UBS.
Zwar gewähren manche Kantone höhere Versicherungs- oder Rentenabzüge, doch diese fallen oft tiefer aus als bei Erwerbstätigen und hängen vom Haushaltstyp ab. Beim Kapitalbezug aus der Pensionskasse oder der Säule 3a müssen zudem sowohl das Vermögen als auch der künftige Ertrag versteuert werden. Die Steuerlast ist bei Rentnern deshalb oft höher als erwartet – insbesondere im Verhältnis zum Bruttoeinkommen.
Auch der Wohnort hat Einfluss. «Steuern, Krankenkassenbeiträge und Wohnkosten können durch einen Wechsel des Wohnorts in den Jahren vor der Verrentung, oder kurz darauf, deutlich beeinflusst werden», argumentiert Weisser.
Oft vergessen wird auch die Inflation als langfristiger Kostenfaktor. Liegt sie bei 1%, steigen die Lebenshaltungskosten eines kinderlosen Paares in Zürich im Alter von 95 um rund 29% gegenüber dem Alter 60.
Bei 2% Teuerung sinkt die Kaufkraft einer fixen Rente von 5000 Fr. in zehn Jahren auf rund 4100 Fr. «Planen Sie deshalb Puffer für die Teuerung ein und halten Sie einen Notgroschen bereit, um unerwartete Ausgaben decken zu können», rät Heinrich Bruhin von Tellco.
Die finanzielle Planung bis ans Lebensende hängt stark davon ab, wie viel Vorsorgekapital aus der Pensionskasse bezogen wird. Erstmals im Jahr 2023 entschieden sich mehr Menschen für den Kapitalbezug statt für die klassische Rente.
Wie The Market in einer früheren Analyse ausgeführt hat, beeinflussen zahlreiche Faktoren diese Entscheidung – etwa Lebenserwartung, Familiensituation, Steuerbelastung oder die eigene Finanzkompetenz.
Es muss keine Entweder-oder-Entscheidung sein: Mischlösungen bieten oft Vorteile, weil sie einerseits das Langlebigkeitsrisiko absichern und andererseits mehr finanzielle Flexibilität ermöglichen. Eine gängige Faustregel lautet, dass fixe Ausgaben wie Miete, Krankenkasse und Steuern durch AHV und Pensionskassenrente gedeckt sein sollten.
Für die Zeit nach der Pensionierung wird ein vorausschauendes Budget erstellt – für Einnahmen, Ausgaben und Vermögen. In die Planung fliessen auch Steuern im Ruhestand, grössere Anschaffungen, Investitionen sowie mögliche Schenkungen oder Erbvorbezüge ein. Soll das Kapital schrittweise aufgebraucht werden, basieren die Berechnungen auf konservativen Annahmen.
Die Planungsdauer richtet sich nach der statistischen Restlebenserwartung. Die Inflation wird sowohl bei den Lebenshaltungskosten als auch bei der AHV-Rente berücksichtigt. Die voraussichtliche Steuerbelastung lässt sich mit dem Steuerrechner der Eidgenössischen Steuerverwaltung abschätzen. Je nach Anlagestrategie werden Parameter wie Renditeerwartung individuell angepasst.
Alle Annahmen sollten regelmässig überprüft und bei Bedarf aktualisiert werden. Wer zum Beispiel kurz nach der Pensionierung grössere Ausgaben für Reisen, Anschaffungen oder eine Hypothekenamortisation plant, muss mit einem temporär höheren Kapitalverzehr rechnen. Umgekehrt verschafft ein Immobilienverkauf mit Umzug in eine günstigere Mietwohnung zusätzlichen finanziellen Spielraum.
Im obenstehenden Beispiel reicht das Vermögen bis zum Alter von 95 Jahren. Bereits eine geringfügige Reduktion der Lebenshaltungskosten verlängert den finanziellen Zeithorizont jedoch deutlich.
Um die Komplexität zu reduzieren, helfen Faustregeln: «Wir rechnen standardmässig mit einem Verzehr von 3% des Anfangskapitals pro Jahr», erklärt Tashi Gumbatshang, Leiter Vermögens- und Vorsorgeberatung bei Raiffeisen Schweiz. Dabei müssen aber auch die Lebenshaltungskosten dementsprechend adjustiert werden.
Auch im Ruhestand bleibt Anlegen sinnvoll – vor allem zum Schutz des Lebensstandards. Eine fixe Rente ohne Anlagemöglichkeiten verliert über die Jahre wegen der Inflation spürbar an Kaufkraft.
Tashi Gumbatshang empfiehlt die sogenannte Topfstrategie. Sie basiert auf einer individuellen Anlagestrategie, abgestimmt auf Risikofähigkeit, Risikobereitschaft, Anlagehorizont und persönliche Ziele. Das Vorsorgevermögen wird dabei in drei klar definierte «Töpfe» aufgeteilt.
- Eiserne Reserve: Liquiditätspolster für unvorhergesehene Ausgaben wie Reparaturen oder Gesundheitskosten. In der Regel auf einem klassischen Bankkonto – je nach Sicherheitsbedürfnis kann ein kleiner Teil investiert werden.
- Kapitalverzehr: Dient der Deckung der Lebenshaltungskosten in den ersten rund zehn Jahren nach der Pensionierung. Investiert in kurz- bis mittelfristige Anlagen mit moderater Aktienquote.
- Wachstum: Langfristig ausgerichtet, wird erst später beansprucht. Aufgrund des langen Anlagehorizonts ist eine höhere Aktienquote möglich – teilweise sogar eine Vollinvestition, beispielsweise über ETF. Hier entfaltet sich der Zinseszinseffekt trotz des schrumpfenden Kapitalstocks weiterhin.
UBS verfolgt ein ähnliches Prinzip, strukturiert jedoch nach Funktionen: Liquidität, Langlebigkeit und Weitergabe.
- Liquidität: Deckt Ausgaben für ca. drei Jahre. Hauptsächlich liquide gehalten, teils in kurzfristige, sichere Anlagen investiert.
- Langlebigkeit: Umfasst das Kapital zur Deckung des gesamten Lebensunterhalts. Je nach Risikoprofil teilweise in renditestärkere Anlagen investiert.
- Weitergabe: Vermögen für Erben, mit sehr langem Zeithorizont. Daher oft vollständig in Aktien oder illiquide Anlagen wie Private Equity investiert.
Weisser betont, dass das finanzielle Risiko im Ruhestand nicht primär durch Schwankungen am Markt entsteht. Vielmehr besteht das Risiko, dass im entscheidenden Moment die notwendige Liquidität fehlt. Deshalb ist es wichtig, für den Ruhestand frühzeitig ein Budget zu erstellen und die Pensionierung zu planen, idealerweise bereits ab dem Alter von fünfzig Jahren.
Die Pensionsplanung hat Auswirkungen auf die Erben: «Solange das Geld in der Vorsorge verbleibt, wird es im Todesfall gemäss der Begünstigtenordnung ausgerichtet – ausserhalb des ordentlichen Erbrechts», erklärt Cyrill Habegger, Leiter Steuern bei PensExpert. Nach einem Kapitalbezug hingegen fällt das Vermögen in den freien Nachlass und unterliegt damit den allgemeinen erbrechtlichen Regelungen sowie allfälligen testamentarischen Verfügungen.
Auch steuerlich gibt es Unterschiede: Hinterlassenenrenten werden als Einkommen besteuert, während das bezogene Kapital – als Teil des Nachlasses – unter Umständen der Erbschaftssteuer unterliegt. Besonders bei Konkubinatspaaren kann das zu einer spürbaren Mehrbelastung führen.
Ein Vorteil des Kapitalbezugs liegt in der grösseren Flexibilität bei der Nachlassplanung. Das Kapital kann früher weitergegeben oder individuell angelegt werden – beides ist mit einer Rente nicht möglich. Und vielfach fällt beim Rentenbezug nicht genutztes Alterskapital an die Pensionskasse zurück. Beim Kapitalbezug hingegen profitieren die Hinterlassenen vom gesamten verbleibenden Vermögen.