Die Anlagestrategie der Reichen steht normalen Privatanlegern üblicherweise nicht offen. Investitionen in Wohnsiedlungen, Private Equity oder Infrastrukturprojekte verlangen oft eine sehr hohe Mindestanlage. Beim grössten Aktionär der Welt, dem norwegischen Staatsfonds, ist dies nicht so.
Als ich sechs Jahre alt war, haben die Norweger Weitsicht bewiesen. Die Ende der Sechzigerjahre entdeckten Erdölvorkommen verhalfen den Skandinaviern zu einem plötzlichen Reichtum. Doch statt das Geld einfach auszugeben, setzten sie in den Neunzigerjahren einen Fonds auf. Eines der Ziele: Mit dem Gewinn aus dem Verkauf des Erdöls die finanziellen Herausforderungen einer alternden Gesellschaft dämpfen.
Das Vermögen wurde dabei – zum Glück – nicht einfach auf einem Sparkonto parkiert, sondern es wurde investiert. Zum Glück, wenn man sich die jährliche Rendite in der Grafik (rechts) anschaut. Im Schnitt waren es rund 6%. Zum Glück, wenn man bedenkt, dass mehr als die Hälfte des heutigen Vermögens auf Investitionsgewinne zurückzuführen ist. Oder anders formuliert: Ohne den Aktien- und Anleihenmarkt wären die Norweger heute um mehr als 800 Mrd. $ ärmer.
Gesamtvermögen von fast 1600 Mrd. $
Der Kapitalmarkt hat dazu geführt, dass das Gesamtvermögen des Fonds per Ende 2023 auf fast 1600 Mrd. $ gewachsen ist. Mit einem Anteil von durchschnittlich 1,5% (!) an allen weltweit kotierten Firmen sind die Norweger der grösste Aktionär der Welt. Doch wer angesichts der immensen Summe glaubt, dass sie eine komplexe Anlagestrategie verfolgen, irrt.
Dominierten zu Beginn noch Obligationen das Portfolio, sind es mittlerweile Aktien, wie die obige Grafik auf der linken Seite zeigt. Der norwegische Staatsfonds peilt einen Aktienanteil von rund 70% an. 30% beträgt der Zielwert für Anleihen, 2% (von maximal erlaubten 7%) sind in nicht kotierten Immobilien investiert und rund 0,1% (von maximal erlaubten 2%) in Infrastrukturprojekten für erneuerbare Energien. Während die beiden letztgenannten Anlageklassen für Privatanleger in der Tat schwer zugänglich sind, gilt dies nicht für Aktien und Anleihen.
Diese ETF ermöglichen eine «Norwegen-Strategie»
Der norwegische Staatsfonds vergleicht seine Aktienperformance mit dem FTSE Global All Cap Index. Da die Berücksichtigung von ESG-Kriterien ein elementarer Bestandteil der Anlagestrategie ist, bietet sich für Privatinvestoren der Subindex FTSE Global All Cap Choice an, der ESG berücksichtigt. Der ETF Vanguard ESG Global All Cap zu jährlichen Kosten von 0,24% bildet diesen Index ab, wobei auch weitere ETF auf andere global diversifizierte ESG-Aktienindizes geeignet wären.
Für den Obligationenanteil im Portfolio bietet sich beispielsweise der iShares Global Aggregate Bond ESG ETF an – mit einem Hedge in Franken und jährlichen Kosten von 0,1% pro Jahr. Wer auch den kleinen Immobilienanteil im Portfolio abdecken möchte, kann dies zum Beispiel mit dem HSBC FTSE EPRA NAREIT Developed UCITS ETF oder dem VanEck Global Real Estate UCITS ETF tun, wobei beide ETF in kotierte Immobilienunternehmen investieren.
Eine Nachbildung des Portfolios des norwegischen Staatsfonds sieht für Privatanleger also wie folgt aus: eine 70%-Allokation in den Aktien-ETF von Vanguard, 28% in den iShares-ETF für Anleihen und 2% in Immobilien via das Produkt von VanEck oder HSBC. Privatanleger kommen so auf jährliche Kosten von rund 0,2%.
Das ist zwar etwas teurer, als es die Norweger mit ihrer Management Fee von 0,05% hinbringen und man erreicht mit dieser rein passiven Strategie nicht ganz die Rendite der Norweger, wie Auswertungen zeigen. Doch der Vergleich zeigt, dass Anlegen nicht so kompliziert ist, wie es einem viele manchmal weismachen wollen. Auch die ganz Grossen kochen nur mit Wasser.
Patrick Eugster